Mit Highspeed in die Zukunft

Großer Nachholbedarf: Ausbau der Internet-Infrastruktur soll verstärkt werden
6. 11. 2013 - Text: Friedrich GoedekingText: Gerit Schulze; Foto: Marko Greitschus/pixelio.de
Die Tschechen sind schon lange online unterwegs. Über 60 Prozent der Bevölkerung nutzen das Internet regelmäßig, Onlineshops boomen, der Mobilfunksektor nähert sich der Sättigungsgrenze. Bei der Internetinfrastruktur gibt es allerdings Nachholbedarf. Insbesondere muss das Breitbandnetz ausgebaut werden. In der kommenden Woche werden aller Voraussicht nach neue Mobilfunkfrequenzen vergeben, mit denen das LTE-Zeitalter in Tschechien beginnen soll.
In den Amtsstuben der Regierung setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass Informationstechnologien und Telekommunikation (IKT) die Konkurrenzfähigkeit der einheimischen Wirtschaft stärken. Noch unter Premier Petr Nečas (ODS) wurde das Konzept „Digitální Česko 2.0“ entwickelt. Ein flächendeckendes Highspeed-Internet sei genauso wichtig wie Autobahnen, Zugtrassen und das Energienetz, heißt es in dem Entwurf. Zu den Zielen gehört, dass bis 2020 alle Bewohner mit mindestens 30 Megabit pro Sekunde im Web surfen können. Als Finanzierungsquellen will die Regierung EU-Fonds anzapfen sowie Einnahmen aus der anstehenden Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen nutzen.
Seznam vor Google
Über 6,5 Millionen Einwohner nutzen regelmäßig das Netz. Sie klicken im Monat bis zu 20 Milliarden Webseiten an. In diesem Jahr werden voraussichtlich 50 Milliarden Kronen (etwa 1,95 Milliarden Euro) im Online-Handel umgesetzt. Die Zuwachsraten sind zweistellig. Rund 37.000 E-Shops bieten Waren über das Internet an.
Immer mehr Geld lässt sich mit Werbung im Internet verdienen. Für 2013 wird bei der Online-Reklame ein Anstieg um 15 Prozent auf fast 13 Milliarden Kronen erwartet. Davon profitiert vor allem Tschechiens größter Webseitenbetreiber Seznam.cz. Das Unternehmen mit rund 1.000 Beschäftigten hat 2012 seine Umsätze um 6 Prozent auf 2,8 Milliarden Kronen gesteigert. Für dieses Jahr wird ein Plus von 5 Prozent erwartet.
Mit neuen Diensten wie Videoreklame oder Fernsehplattformen will Seznam auch in Zukunft wachsen. Bereits heute steuern jeden Tag 2,4 Millionen Websurfer die Suchmaschine an. Tschechien ist das einzige Land der Welt mit lateinischem Alphabet, in dem Google nicht Marktführer ist. „Wir bieten mehr Dienstleistungen und konzentrieren uns nur auf den tschechischen Markt und User“, begründet Seznam-Sprecherin Irena Zatloukalová den Erfolg. Für Google als globalen Konzern lohne es sich dagegen nicht, spezielle Dienste für einzelne Märkte zu entwickeln.
Hohe Webpräsenz
Bei der Infrastruktur für das Internet hat Tschechien noch großen Nachholbedarf. Erst 23 Prozent der Haushalte gingen 2012 über schnelle Breitbandzugänge ins Netz. Der EU-weite Durchschnitt lag bei 28 Prozent, in Deutschland bei 33 Prozent. Auch bei Tablet-Computern ist die Marktdurchdringung noch gering. Während bereits jeder achte Deutsche über solche Geräte mit Touchscreen verfügt, ist es in Tschechien erst jeder 30. Bürger.
Auch im Firmensektor gibt es noch Spielraum für neue Investitionen. Laut Statistikamt (ČSÚ) haben erst zwei von drei Unternehmen (ab 10 Mitarbeitern) ihre Computer miteinander vernetzt. Ein Intranet betreibt nur jede dritte Firma in Tschechien. In Deutschland liegen diese Anteile deutlich höher (Rechnernetz: über 85 Prozent, Intranet: knapp 50 Prozent). Besser schneidet Tschechien bei der Webpräsenz seiner Unternehmen ab. Immerhin 80 Prozent aller Firmen waren 2012 im Netz präsent (Deutschland: 82 Prozent).
Zwei Neulinge
Mehr Wettbewerb und günstigere Preise erhofft sich die staatliche Regulierungsbehörde für den Telekomsektor (ČTÚ) von der anstehenden Vergabe neuer Mobilfunkfrequenzen. Mit ihnen soll das LTE-Zeitalter in Tschechien beginnen (Mobilfunkstandard der vierten Generation mit Download-Raten von bis zu 300 Megabit pro Sekunde).
Neben den drei Platzhirschen T-Mobile, Telefónica (O2) oder Vodafone wollen sich auch die beiden Neulinge Revolution Mobile und Tasciane an der Auktion beteiligen. Bereits heute ist Tschechien bei LTE drei Jahre später dran als Deutschland, wo die Bundesnetzagentur bereits 2010 die Frequenzen versteigert hatte. Selbst bei der dritten Mobilfunkgeneration 3G (UMTS) hatten Mitte 2013 erst vier Fünftel der Bevölkerung Zugang zum Netz. Ein Schnellspurt ins digitale Wirtschaftszeitalter, wie von der Regierung in Prag erhofft, sollte anders aussehen.
Der Abdruck des Artikels erfolgte mit freundlicher Genehmigung von Germany Trade & Invest, der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing, die regelmäßig über ausländische Märkte informiert. Der Autor Gerit Schulze ist Korrespondent für Tschechien und die Slowakei.
Wird LTE-Frequenz-Auktion erneut verschoben?
Ob die Versteigerung der neuen Mobilfunkfrequenzen wie vorgesehen am 11. November stattfinden wird, ist noch unklar. Aufgrund angeblicher Wettbewerbsverzerrung haben Vodafone, T-Mobile und Telefónica in den zurückliegenden Tagen bei unterschiedlichen Institutionen Beschwerde eingereicht, darunter die Europäische Union und die nationale Kartellbehörde. Den drei Unternehmen missfällt unter anderem, dass bei der Auktion des 800-Megahertz-Bereichs nur zwei Drittel der Frequenzen für sie bestimmt sind und den weiteren Bietern dadurch ein zu hoher Anteil eingeräumt wird. Bereits im März dieses Jahres war die Versteigerung verschoben worden. Damals beanstandeten die Unternehmen zu hohe Preisgebote, was künftigen 4G-Kunden teuer zu stehen kommen könnte. (mh)
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