Mit kleinen Schritten
Für die Partei TOP 09 joggte sie ins Parlament. Markéta Adamová will beweisen, dass auch konservative Politik solidarisch sein kann
29. 1. 2014 - Text: Klára BulantováText: Klára Bulantová; Foto: APZ
Schloss Libeň, rechter Flügel, Rathaus des achten Prager Bezirks. Im spartanisch eingerichteten Büro hängen an der großen Pinnwand Startnummern und Medaillen von zahlreichen Laufwettbewerben – Halbmarathons, Velká Kunratická (ein anspruchsvoller Querfeldeinlauf in einem Prager Waldgebiet; Anm. d. Red.), Dresdner Nachtlauf. „Der findet nicht wirklich nachts statt, aber die Sonne war schon untergegangen, das ja“, erzählt Markéta Adamová, Stadträtin für die Partei TOP 09. Sie trägt einen Kurzhaarschnitt, und aus den runden braunen Augen strahlt sportliche Energie.
Tagelang mit Flugblättern an einem Ort auszuharren, das wollte sie im Wahlkampf zu den vorgezogenen Parlamentswahlen im Oktober vermeiden. Adamová verband deshalb kurzerhand ihren geliebten Sport mit dem dicht gedrängten Wahlkampf-Terminkalender.
Kurz nach ihrem 29. Geburtstag schnürte Markéta Adamová ihre Laufschuhe und brachte ihre Wahl-Flugblätter joggend unter die Menschen. Nach 14 Tagen und 80 Kilometern erreichte sie das tschechische Parlament. Nachdem die Wahlzettel ausgezählt waren, blieb sie gleich dort.
Mindestens für ein halbes Jahr wird sie jetzt noch weniger Zeit zum Laufen haben. Nachdem im Oktober ihr Rathaus-Mandat ausläuft, möchte sie gerne zumindest Bezirksverordnete bleiben. „Dem Abgeordneten-Job werde ich mich zu 100 Prozent widmen, aber die Kommunalpolitik möchte ich nicht gänzlich verlassen. Hier sind die Ergebnisse greifbar, das ist außerordentlich motivierend. Aber natürlich müssen auch die anderen eine Chance bekommen“, erklärt sie.
An die Rolle einer Parlamentsabgeordneten gewöhnt sie sich langsam. Dabei gehe es gar nicht so sehr darum mitzubekommen, wie was funktioniert, vielmehr sei es wichtig, ein Arbeitssystem zu finden, in dem man sich wohlfühlt. Dass sie eine Frau ist und gleichzeitig zu den jüngsten Abgeordneten gehört, hat sie bisher nicht negativ zu spüren bekommen. „Wenn ich mir von vornherein sage, dass sie mich nicht respektieren werden, weil ich eine Frau und jung bin, dann mache ich mir diese Argumentation selbst zu eigen. Deshalb bin ich auch gegen Quoten. Sie benachteiligen Menschen und führen dazu, dass Kompetenz angezweifelt wird. Ich würde es als beleidigend empfinden, in so eine Schublade gesteckt zu werden.“
Über Europa in die Politik
Noch vor dem EU-Beitritt 2004, als sie in der mährischen Stadt Svitavy noch auf das Gymnasium ging, besuchte sie als Mitglied des „Klubs junger Europäer“ Senioren, um mit ihnen über eine EU-Mitgliedschaft Tschechiens zu diskutieren. „Als ich dann hörte, dass die TOP 09 gegründet wird, wollte ich von innen helfen.“ Zu dem Zeitpunkt ahnte sie noch nicht, dass sie in der Kommunalpolitik landen würde. In Prag wollte sie allerdings bleiben. „Obwohl ich hier nicht geboren bin, betrachte ich mich als Pragerin. Jeder, der hier lebt, gestaltet die Atmosphäre und die Zukunft der Stadt mit.“
Außer den Startnummern und einem Poster von Karel Schwarzenberg hängen noch ein paar Fotos an der Wand. Sie zeigen Gruppen von spielenden Kindern und wirken wie Erinnerungen an Wandertage in der Natur. In Wirklichkeit handelt es sich um städtische Ferienlager, die Markéta Adamová organisiert. Gemeinsam mit Kollegen kümmert sie sich im achten Prager Stadtbezirk um sozial benachteiligte Kinder. Sie versucht, mindestens ein freies Wochenende im Monat mit ihnen zu verbringen. „Viele Leute gehen davon aus, dass nur linke Parteien solidarisch sind. Konservativ zu sein, heißt aber keinesfalls asozial zu sein. Ganz im Gegenteil, viele Freiwillige, die ich kenne, fühlen sich eher konservativen Werten verbunden“, sagt die Jungpolitikerin, die als Freiwillige bereits in Armenien, Serbien und Marokko im Einsatz war.
Viele Positionen der 29-Jährigen basieren einerseits auf der Überzeugung, dass man als Mensch bei sich selbst anfangen müsse und andererseits auf der Hoffnung, dass das eigene Handeln Spuren hinterlässt.
Wenn Markéta Adamová spricht, schaut sie dem Gegenüber ausdauernd in die Augen, bis sie ihren Gedanken zu Ende formuliert hat. „Jeder Mensch hat einen Bereich, den er beeinflussen kann. Wenn man mit kleinen Schritten beginnt, kann man Dinge verändern“, argumentiert sie gegen die Frustration in der tschechischen Gesellschaft. Sie höre sehr oft, dass ihre Mühen sinnlos seien, da man als Einzelner sowieso nichts verändern könne. Die junge Frau betont, sie komme aus einer ganz normalen Familie. „Schmieren musste ich dafür niemanden“, lautet angeblich der Kommentar des Vaters zum Einzug seiner Tochter ins Parlament.
Mit gutem Beispiel voran
In Tschechien gebe es ein Missverhältnis zwischen der gesellschaftlichen Stimmung und der Realität. Dafür sei der allgemeine Werteverfall mitverantwortlich: Persönliches Glück werde vor allem mit materiellem Wohlstand gleichgesetzt. Die geistigen Werte des Christentums und die Zehn Gebote hält Adamová für enorm wichtig für die Gesellschaft – sie selbst gehört keiner Kirche an.
Als Politikerin fühlt sie sich verpflichtet, mit gutem Beispiel voranzugehen: „Dem gehen die Protest-Parteien aus dem Weg, weil sie wahrscheinlich gar keine Vision haben. Die sagen zwar immer, dass sie die Dinge in Ordnung bringen wollen. Wie und in welchem Kontext das funktionieren soll, sagen sie aber nicht.“
In der TOP 09 fühlt sie sich wohl. Sie bestehe nicht nur aus dem Führungsduo Kalousek und Schwarzenberg, sondern vereine viele erfolgreiche und aktive Menschen. Dennoch war der Erstgenannte ein Hauptgrund für ihren Parteieintritt. Kalousek hält sie für einen anständigen, intelligenten Menschen und pragmatischen Politiker: „Pragmatismus in der Politik sollte nicht als das Gegenteil von Moralität betrachtet werden. Im Gegensatz etwa zu Jiří Paroubek gibt Kalousek keine Meinungsumfragen in Auftrag, um den Leuten dann zu erzählen, was sie hören wollen. Wir machen Dinge, von denen wir überzeugt sind, dass sie für dieses Land richtig sind.“ Es sei an der Öffentlichkeit, ob sie ausreichend gebildet sei und erkenne, ob die Versprechen von Politikern überhaupt realisierbar sind.
„Furchtbar idealistisch“
Während der zwei Gesprächsstunden hat Markéta Adamová nicht ein einziges Mal auf die Uhr geschaut. Nur manchmal, wenn sie nach den richtigen Worten sucht, guckt sie konzentriert in ihre grün gepunktete Tasse. Zwischendurch sagt sie immer wieder lachend, dass sie wohl furchtbar idealistisch klingen müsse, aber so funktioniere das nun mal. Als Politiker könne man ohne Visionen und Ideale nicht überleben.
Deshalb läge ihr Transparenz und die Bekämpfung von Korruption besonders am Herzen. In ihrer „Reinform“ sei sie der Korruption allerdings noch nicht begegnet. „Einmal wurde mir aber angeboten, dass man sich ja irgendwie einigen könnte, wenn eine bestimmte Firma die Ausschreibung gewinnt. Dieser Typ ist dann aber schnell wieder gegangen. Immer, wenn ich solche Gespräche führe, habe ich jemanden als Zeugen dabei oder lasse die Tür weit geöffnet“, erklärt sie ihre Anti-Korruptions-Maßnahmen.
In der Politik ging es für Adamová bislang steil bergauf. Kann sie sich vorstellen, in Zukunft einmal Parteivorsitzende zu sein? „Ich kann mir vieles vorstellen, aber jetzt ist das nicht mein Ziel. Ich konzentriere mich jetzt auf diese Legislaturperiode und darauf, was ich im Parlament noch lernen kann.“
Übersetzt von Ivan Dramlitsch
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“