„Mit neuem Besitzer kommt die Selbstzensur“
Medienjournalist Ondřej Aust über Twitter-Enten und die emotionale Beziehung zwischen Lesern und Zeitungen
3. 7. 2013 - Interview: Martin Nejezchleba, Foto: privat
Ondřej Aust ist der „Médiář“. Auf dem gleichnamigen Medien-Portal kartiert und analysiert er die Medienlandschaft Tschechiens – kein Führungswechsel, kein medialer Trend, der ihm entgeht. PZ-Redakteur Martin Nejezchleba fragte den Medienjournalisten nach Hintergründen und möglichen Folgen der Übernahme des Medienhauses MAFRA durch den Milliardär Andrej Babiš – noch bevor der in der Redaktion von „Lidové noviny“ anrief.
Herr Aust, hat es Sie denn überrascht, dass Babiš den MAFRA-Verlag gekauft hat?
Ondřej Aust: Ja, das hat mich überrascht. Wir alle haben die Aussagen von Andrej Babiš in den Medien verfolgt. Schon mehrere Wochen haben die Kollegen darüber spekuliert, dass Babiš Ringier Tschechien kaufen wird.
Das heißt auch, Sie sind wie so viele Journalisten einer Falschmeldung unterlegen und haben nicht die Quelle überprüft?
Aust: Auf unserem Online-Portal arbeiten wir da etwas anders. Ich habe nicht wie die Kollegen die Information abgeschrieben, sondern auf die ursprüngliche Quelle verlinkt. Wir überlassen es unseren Lesern, sich ihre eigene Meinung zu bilden. Ich will den Kollegen auch nicht ihre Arbeit streitig machen.
Was hat es denn mit der Information über den Kauf von Ringier auf sich? Hat Andrej Babiš absichtlich eine Falschmeldung in die Welt gesetzt, um die Aufmerksamkeit von MAFRA abzulenken?
Aust: Mich hat das Ganze ein wenig an die Polizei-Razzia im Regierungsamt erinnert, die dann zum Fall von Premier Nečas geführt hat. Auch dort wurde Monate vorher über eine mögliche Aktion spekuliert, nur ist man lange von einem anderen Ziel ausgegangen. Dieses hat sich später nur als ein Nebenschauplatz in der ganzen Affäre herausgestellt. Vielleicht hat Babiš auch eine ähnliche Story zur Tarnung konstruiert. Jetzt aber im Ernst: Fest steht, dass Babiš sich im sozialen Netzwerk Twitter etabliert hat. Über diesen Kanal hat er immer wieder kleine Andeutungen gemacht, die die Medien dann weiter vermengt haben. Das hat schließlich zu den Nachrichten über den Kauf von Ringier geführt. Fast alle Medien haben darüber berichtet.
Welche Auswirkungen könnte der Besitzerwechsel des Verlags auf die Tageszeitungen „Lidové noviny“ und „Mladá fronta Dnes“ haben?
Aust: Der MAFRA-Verlag hat einen Milliardär als Investor gefunden. Finanziell bedeutet das zunächst einmal Sicherheit. Auf der anderen Seite könnte der Einstieg von Babiš negative Folgen auf das Vertrauen der Leser haben. Das ist eine sehr zerbrechliche und oftmals auf Emotionen begründete Beziehung.
Babiš ist auch politisch aktiv. Mit der Vereinigung ANO 2011 möchte er bei den nächsten Parlamentswahlen antreten. Droht eine politische Einflussnahme auf die Journalisten von MAFRA?
Aust: Babiš selbst hat wiederholt gesagt, dass er seine Investition zunichte machen würde, sobald er auch nur einmal versucht, die Arbeit „seiner“ Journalisten zu beeinflussen. Dass hat seine Logik. Er wird vor den Parlamentswahlen vor der Entscheidung stehen, ob es für ihn unter dem Strich lohnenswerter ist, den Inhalt der Zeitung und vielleicht das Anzeigengeschäft zu beeinflussen, oder nicht. Außerdem wird es darauf ankommen, wie sehr die Journalisten von MAFRA einer Selbstzensur unterliegen. Die ergibt sich ganz natürlich aus einem Besitzerwechsel.
Mit dem Kauf von MAFRA verändert sich der tschechische Zeitungsmarkt. Ein Teil der hiesigen Medienlandschaft gerät damit zurück in tschechische Hände. Sehen Sie weitere Auswirkungen auf die Medienlandschaft?
Aust: Das entspricht einem langfristigen Trend: Mit der Wirtschaftskrise ziehen sich die internationalen Medienkonzerne aus den tschechischen Zeitungsverlagen zurück und verkaufen sie an heimische Einzelgänger. Den Economia-Verlag mit der Zeitung „Hospodářské noviny“ hat Zdeněk Bakala gekauft, MAFRA mit „MF Dnes“, „Lidové noviny“ und „Metro“ nun Andrej Babiš. Er stärkt damit seine Position als Konkurrent von Vltava-Labe-Press, ein regionaler Zeitungsverlag, der in deutschen Händen ist. Babiš wollte ihn zunächst kaufen, aber der Besitzer hat abgelehnt. Deshalb hat Babiš sein eigenes Zeitungsnetzwerk unter dem Titel „5plus2“ gegründet und plant jetzt, dass ihm die Manager von MAFRA helfen, es zu etablieren.
„Online-Medien sind Pioniere“
Kinderwunsch nicht nur zu Weihnachten