Mogelpackung im Markenkleid
Auch wenn die Verpackung gleich aussieht: Lebensmittel werden in deutschen und tschechischen Supermärkten in unterschiedlicher Qualität angeboten
8. 7. 2015 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Lyza
Es schmeckt irgendwie anders als zuhause. Und im Teller schwimmen plötzlich weniger Nudeln. Wer sich nach dem Einkauf in einem tschechischen – oder deutschen – Supermarkt schon einmal gewundert hat, dass Kaffee, Marmelade oder Tütensuppe nicht so munden wie auf der anderen Seite der Grenze, bekommt nun die Bestätigung von der Prager Hochschule für Chemie und Technologie: Nur weil ein Produkt genauso verpackt ist und denselben Namen trägt wie im Nachbarland, muss noch lange nicht dasselbe drin sein. Das hat eine Studie der Universität ergeben, die in der vergangenen Woche vorgestellt wurde.
Die Wissenschaftler testeten 24 Lebensmittel, die in Deutschland und Tschechien unter derselben Marke vertrieben werden. Sie besorgten sie im Februar bei Kaufland, Edeka und Rewe in Dresden sowie in Filialen der Handelsketten Tesco, Kaufland und Albert in Prag. In den Einkaufswagen legten sie Artikel, nach denen auch die Verbraucher in beiden Ländern häufig greifen. Bevor sie die Proben ins Labor schickten, überprüften sie, ob sie ordnungsgemäß gelagert worden waren und notierten die Preise.
Anschließend unterzogen sie die Lebensmittel einer sensorischen Prüfung, um herauszufinden, ob sie unterschiedlich schmecken und was die Testpersonen – 30 Angestellte und Studenten der Hochschule – bevorzugen. Ob die in Deutschland oder die in Tschechien vertriebenen Produkte als „besser“ bezeichnet wurden, sei allerdings abhängig von den Teilnehmern und könnte bei einer anderen Zusammensetzung der Probanden anders beurteilt werden, geben die Forscher zu bedenken. Bei der physikalisch-chemischen Analyse dagegen spielte der Geschmack der Testpersonen keine Rolle. In diesem Schritt wurden solche Faktoren untersucht, die nach Ansicht der Wissenschaftler am meisten Aufschluss über die Qualität der Produkte geben, und die vom Hersteller beeinflusst werden können – etwa durch die Wahl des Rezepts und der Produktionsverfahren.
Alle getesteten Lebensmittel seien in gleicher Weise präsentiert worden, sodass der Verbraucher den gleichen Inhalt erwarten würde, sagte Projektkoordinator Jan Pivoňka. Doch bei einem Drittel der 24 Probenpaare war die Zusammensetzung in beiden Ländern verschieden. Der Erdbeerjoghurt Activia von Danone zum Beispiel wurde in Tschechien mit einem Konzentrat aus Karotte und dem organischen Farbstoff Karmin gefärbt, in Deutschland mit Roter Bete. Aber auch der Fettgehalt stimmte nicht überein. Laut Etikett auf dem Umschlag sollte die tschechische Variante 2,7 Gramm pro 100 Gramm enthalten, die deutsche 2,8. Wie die Analyse ergab, waren tatsächlich 2,43 Gramm im Joghurt, der in Prag verkauft wurde, und 2,93 Gramm im Becher aus Dresden.
Erklärungen und Ausreden
Danone kommentiert das Ergebnis mit dem Hinweis, dass sich die Rezeptur in einzelnen Ländern unterscheiden könne. Der Fettgehalt sei abhängig von der Milch, die für die Herstellung verwendet werde. „Auf den Fettgehalt der Milch hat sowohl die Ernährung der Kühe einen Einfluss als auch das Umfeld, in dem sie gehalten werden“, erklärt das Unternehmen und betont, dass es versuche, mit Zulieferern aus der jeweiligen Region zu arbeiten.
Keinen Unterschied stellten die Wissenschaftler nur in einem Fall fest, beim Kinder Überraschungsei. Fünf Mal fielen lediglich die Preise verschieden aus – so kosten zum Beispiel manche Süßigkeiten und Vanilleeis in Tschechien mehr als in Deutschland, Ketchup dagegen ist östlich der Grenze billiger. Denselben Preis zahlen Käufer in beiden Ländern für Rama von Unilever. Die Margarine enthält aber in Tschechien 60 Prozent Fett, in Deutschland 70. Das liege an den Vorlieben der Verbraucher in den jeweiligen Staaten, heißt es beim Hersteller. Im Versuch der Hochschule bevorzugten allerdings auch die hiesigen Testpersonen die Variante aus dem Nachbarland.
Pepsi-Cola wird in Tschechien mit Glucose-Fructose-Sirup gesüßt, in Deutschland mit Zucker. Im tschechischen Eistee von Nestea fanden sich neben Zucker auch Fruchtzucker und Süßstoff aus der Stevia-Pflanze. In Deutschland enthielt er nur Zucker. Außerdem waren im tschechischen Eistee 40 Prozent weniger Teeextrakt. Dadurch habe das Produkt hierzulande einen niedrigeren Zuckergehalt und somit weniger Kalorien, sagt der Hersteller.
Die Europaabgeordnete Olga Sehnalová (ČSSD) hält die Argumente der Unternehmen für Ausreden. Geschmacksunterschiede seien nicht allgemein gültig, kommentierte sie das Ergebnis der Untersuchung. „Tschechische Verbraucher kaufen zu deutschen Preisen oft ganz andere Waren. Ich finde immer noch, dass dieselbe Werbung auch dieselben Eigenschaften der Produkte garantieren muss. Andernfalls werden die Kunden in die Irre geführt.“ Die Abgeordnete will das Thema auf die Agenda des Europaparlaments bringen. Bereits vor vier Jahren hatte eine Studie des slowakischen Verbraucherschutzdienstes ähnliche Ergebnisse gebracht wie nun die Analyse der Prager Hochschule.
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