Monumentales Lebenswerk
Historiker František Šmahel mit dem staatlichen Wissenschaftspreis ausgezeichnet
27. 11. 2013 - Text: Josef FüllenbachText: Josef Füllenbach; Foto: František Šmahel
Der Historiker František Šmahel hat den diesjährigen Wissenschaftspreis „Česká hlava“ („Tschechischer Kopf“) für sein imponierendes Lebenswerk erhalten. Damit ging die prestigeträchtige Auszeichnung erstmalig an einen Geisteswissenschaftler. Am 17. November nahm Šmahel den Preis von Interims-Premier Jiří Rusnok in Prag entgegen.
Šmahel konzentriert sich in seiner Forschungsarbeit vor allem auf das Spätmittelalter, dabei bildet die hussitische Revolution einen der Schwerpunkte. Erst vor wenigen Wochen legte Šmahel eine neue Biografie von Jan Hus vor. Zusammenfassend urteilt er über den Reformator: Er „glaubte, die Wahrheit des göttlichen Gesetzes auf seiner Seite zu haben. (…) Er musste nicht auf dem Scheiterhaufen enden, aber zu widerrufen lehnte er ab, bewahrte sich die eigene Würde und gab damit über die Zeiten hinweg ein Beispiel allen, die für die freie Äußerung ihrer Überzeugungen in Widerspruch zu einer totalitären Macht gerieten.“
Sowohl vor dem Prager Frühling als auch in den Folgejahren wurde Šmahels wissenschaftliche Karriere wegen seiner Geradlinigkeit und unorthodoxen Forschungen mehrfach behindert. Neben vielen Jahren, die er fern von Prag in städtischen Museen in Litvínov (Oberleutensdorf) und Tábor verbrachte, schlug er sich in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre als Straßenbahnfahrer durch. Erst nach 1989 konnte er seine überragende Begabung als Wissenschaftler und Hochschullehrer entfalten. Dass er die langen Jahre „im Abseits“ gut genutzt hatte, bewies er Anfang der Neunziger mit der Veröffentlichung seiner vierbändigen Monografie „Die hussitische Revolution“. Bereits 2002 wurde die dreibändige deutsche Übersetzung von der deutschen Fachwelt als Standardwerk gefeiert; das Werk fand Aufnahme in der exklusiven Reihe „Monumenta Germaniae Historica“. Mehr als 60 Seiten zählt das jüngste Verzeichnis seiner Veröffentlichungen (2009). Šmahels Publikationen in vielen westlichen Sprachen, darunter vor allem im Deutschen, sind beträchtlich. Das gilt auch für die Zahl der Ehrungen, die er sowohl in Tschechien, in Deutschland (unter anderem 1990: Max-Planck-Forschungspreis) als auch in vielen anderen Ländern erhalten hat. Der 79-Jährige gründete in den neunziger Jahren das Zentrum für Mittelalter-Studien als eine gemeinsame Forschungsstelle der Karls-Universität und der Akademie der Wissenschaften. Dort war er von 1998 bis 2004 als Direktor und seit 2004 als stellvertretender Direktor tätig.
Šmahel ist ein Autor europäischen Formats. Sein großes Verdienst ist es, die bedeutenden Ereignisse der böhmischen Geschichte des 14. und 15. Jahrhunderts in den europäischen Kontext des aufkommenden Reformationszeitalters gestellt und damit den engen nationalistischen Interpretationen des 19. Jahrhunderts sowie der ideologischen Vereinnahmung während der kommunistischen Diktatur entwunden zu haben. Dabei galt seine Aufmerksamkeit über die geschichtlichen Ereignisse hinaus stets ihrer Verwobenheit mit der gesellschaftlichen und geistigen Entwicklung der Zeit. Sein Werk trägt somit zur Sicherung des intellektuellen Erbes bei, das uns Europäer verbindet.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?