„Mutiges Eintreten gegen obrigkeitsstaatliche Willkür“

„Mutiges Eintreten gegen obrigkeitsstaatliche Willkür“

Die tschechische Naturschutzorganisation Hnutí Duha erhält den deutschen EuroNatur-Preis

16. 10. 2014 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: Aktron/Wikimedia Commons

Der Nationalpark Böhmerwald (Šumava) zählt zu den artenreichsten Schutzgebieten in Mitteleuropa. Während der Zeit des Kalten Krieges zum militärischen Sperrgebiet ernannt, konnte sich in dem etwa 200 Kilometer langen Mittelgebirge entlang der deutsch-tschechischen Grenze eine von Menschenhand nahezu unberührte Landschaft entwickeln. So ist der Nationalpark heute Heimat für zahlreiche seltene Tierarten und ursprüngliche Wälder. Gemeinsam mit dem Nationalpark Bayerischer Wald bildet er ein wesentliches Teilstück des sogenannten Grünen Bandes, das Biotope entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs miteinander verbindet.

Der tschechische Umweltverband Hnutí Duha (Bewegung Regenbogen) engagiert sich seit über 20 Jahren für den Schutz dieses einmaligen Reservats. Für ihre Bemühungen erhielt die Organisation am Mittwoch vergangener Woche den EuroNatur-Preis der gleichnamigen deutschen Naturschutzstiftung. Auf der Bodenseeinsel Mainau überreichte EuroNatur-Präsidentin Christel Schroeder Vertretern von Hnutí Duha die undotierte Auszeichnung.

„Die Wahl des diesjährigen EuroNatur-Preisträgers steht ganz im Zeichen einer selbstbewussten Zivilgesellschaft. Der Preis ist eine Würdigung für mutiges Eintreten gegen obrigkeitsstaatliche Willkür – für den Schutz der Natur“, begründete Schroeder die Entscheidung. Den ehemaligen Eisernen Vorhang in eine Lebensader zu verwandeln, sei die große Vision der Naturschutzinitiative „Grünes Band Europa“. Die tschechische Umwelt- und Naturschutzorganisation Hnutí Duha trage wesentlich dazu bei, diese Idee zu verwirklichen und das Grüne Band als ein europäisches Friedenssymbol zu stärken. „Trotz aller Schwierigkeiten geben die Naturschützer in Tschechien nicht auf. Sie stehen damit beispielhaft für ein Europa von unten“, so Schroeder weiter.

1989 von Brünner Studenten gegründet, zählt Hnutí Duha mit seinen etwa 40 Festangestellten und zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeitern zu den bedeutendsten Naturschutzorganisationen in Tschechien. Mit Kampagnen, Demonstrationen und Petitionen macht sich Hnutí Duha besonders für Klima- und Umweltschutz, Erneuerbare Energien und die Erhaltung der Kohlelimits in Nordmähren stark.

Ein Juwel bewahren
Derzeit konzentriert sich die Organisation vor allem auf den Erhalt der Natur im Böhmerwald. Anfang September legten Vertreter von Hnutí Duha dem Abgeordentenhaus eine Petition mit 42.000 Unterschriften gegen den Gesetzesentwurf zum Schutz der Nationalparks vor. Der Novelle zufolge, die im Juli vom Senat gebilligt wurde, sollen die tschechischen Nationalparks für den sanften Tourismus geöffnet werden. Außerdem erhalten die angrenzenden Gemeinden mehr Mitspracherecht. Die neue Regelung soll einheitlich für alle vier tschechischen Nationalparks – Böhmische Schweiz, Riesengebirge, Böhmerwald sowie Thayatal – gelten und noch in diesem Jahr verabschiedet werden.

Naturschützer hegen starke Kritik an den Plänen der Regierung. Sie bemängeln vor allem, dass mit dem neuen Gesetz kontroverse Bauprojekte und eine fortschreitende Kommerzialisierung des Nationalparkgebiets auf Kosten des Umweltschutzes ermöglicht würden. So erlaubt der Gesetzesentwurf beispielsweise Touristen, auch außerhalb markierter Wege durch den Nationalpark zu wandern. Das ist bisher flächendeckend verboten. Auch die einzelnen Zonen werden neu definiert. Statt wie bisher in vier, sollen die Nationalparks künftig in nur drei Zonen untergliedert werden. Die bestehenden Zonen der ersten Kategorie würden demnach abgeschafft, dafür soll es sogenannte beruhigte Zonen geben. Ausnahmeregelungen würden zudem laut Gesetzestext zeitlich und räumlich begrenzte Eingriffe in die Kernzonen erlauben. Damit würde widerum umstrittenen Bauprojekten wie der Seilbahn im tschechisch-österreichischen Grenzort Hraničník die Tür geöffnet.

„Wir brauchen die wilde Natur dringend, weil sie uns erlaubt, in die natürliche Ordnung der Dinge zurückzukehren“, erklärten Jaromír Bláha und Jiří Koželouh stellvertretend für Hnutí Duha bei der Preisverleihung. „Die gemeinsame Erhaltung des Böhmerwaldes auf tschechischer und auf deutscher Seite ist nicht nur unerlässlich für den Schutz eines der Juwelen europäischer Natur, sondern in gleicher Weise für den europäischen Frieden und die Zusammenarbeit.“