Nach dem Knall
Explosion im Prager Zentrum erregt weltweites Aufsehen
7. 5. 2013 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: čtk
Kamil Štibrányi ist außer sich. Als er seine zerstörte Wohnung erblickte, dachte er an „Sodom und Gomorra“ und an das im libanesischen Bürgerkrieg verwüstete Beirut. Nur ein einziges Zimmer sei von der Detonation verschont geblieben, in den übrigen regiere das Chaos, überall Scherben und Schutt. Štibrányi, der seine Wohnung am Tag des Unglücks nur in Begleitung eines Polizisten betreten darf, lebt seit Jahren in der Prager Altstadt, in der Theaterstraße (Divadelní) unweit des Nationaltheaters. Knapp 50 Meter von seiner Wohnung entfernt war es am Montag vergangener Woche zu einer gewaltigen Explosion gekommen, über die sogar Fernsehstationen aus den USA, Russland oder China berichteten.
Was genau zur Detonation führte, die selbst die gläserne Fassade der Neuen Bühne des Nationaltheaters zum Bersten brachte, stand auch eine Woche später nicht endgültig fest. Nach wie vor wird vermutet, dass ein Gasleck zur Explosion führte. Die Folgen lassen sich eindeutiger beziffern: etwa 50 Menschen sind verletzt worden, 230 mussten aus ihren Häusern evakuiert werden, insgesamt beteiligten sich 200 Rettungskräfte an dem Einsatz, Feuerwehrleute beseitigten 25 Tonnen Schutt aus den beschädigten Wohnungen. Der finanzielle Schaden, den die Explosion verursachte, beläuft sich laut vorläufigen Polizeiangaben auf 100 Millionen Kronen (umgerechnet etwa 3,9 Millionen Euro). Nicht eingerechnet sind dabei die gastronomischen Betrieben und Kultureinrichtungen entstandenen Verluste. So mussten zum Beispiel die Kunstgalerie von Zdeněk Sklenář, der nun nach einer neuen Bleibe sucht, und das berühmte Kaffeehaus Slavia nach dem Vorfall ihre Türen schließen. Tagelang war das Gebiet weiträumig abgesperrt worden, auch weil Bauarbeiter sämtliche Gasleitungen der Umgebung kontrollierten und teilweise erneuerten.
Kein Terroranschlag
Sowohl Tschechiens Regierungschef Petr Nečas als auch Prags Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda (beide ODS) machten sich am Ort des Geschehens ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung. Nach einer Unterredung mit dem Chef des Nachrichtendienstes BIS und unter dem Eindruck der Anschläge in Boston vor knapp drei Wochen versicherte Nečas, bei der Explosion handle es sich um keinen „Terroranschlag“. Zudem dankte er den Einsatzkräften für ihre „perfekte Arbeit“. Svoboda sicherte den Geschädigten finanzielle Unterstützung zu. „Prag will damit ein Zeichen der Solidarität setzen. Es geht hier um Moral“, sagte das Stadtoberhaupt.
Entgegen erster Meldungen soll das Haus, in dem sich die Explosion ereignete, nun doch nicht abgerissen werden. Der Hauseigentümer und eine Vertreterin des ersten Stadtbezirks erklärten am vergangenen Freitag, „zu 99 Prozent“ werde das Gebäude grundlegend saniert.
Das letzte Wort haben jedoch die Statiker. Sie wollen bis Ende dieser Woche beurteilen, ob die gewünschte Sanierung auch den Sicherheitskriterien genügt.
Detonationen in Prag
18. Februar 2006 Bei einer Gasexplosion im Restaurant „U Arbesa“ in Smíchov sterben zwei Menschen, vier werden schwer verletzt. Verursacht wurde die Explosion durch ein falsch verlegtes Elektrokabel, das in der Nähe einer Gasleitung durchgebrannt war.
25. September 2006 Das Ausströmen von Benzindämpfen führt in einem Gebäude im Stadtteil Michle zu einer Explosion, die zwei Menschenleben fordert.
30. Januar 2008 Durch eine Explosion von Erdgas in Michle werden zwei Wohnhäuser zerstört. Ein Mann erleidet schwere Verbrennungen. Ausgelöst wurde die Explosion durch eine undichte Gasleitung an einem Durchlauferhitzer.
11. Oktober 2011 In Žižkov wird ein Mann mit Verbrennungen zweiten Grades in ein Krankenhaus eingeliefert, nachdem sich Gas entzündete, das bei Schweißarbeiten an den Leitungen entwichen war.
14. September 2012 Bei einer Explosion in Dejvice werden drei Menschen schwer verletzt. Die Polizei findet später am Unfallort Sprengstoff und Pyrotechnik.
29. April 2013 Eine wahrscheinlich durch ein Gasleck verursachte Explosion zerstört ein Wohn- und Geschäftshaus in der Nähe des Nationaltheaters, mehrere Nachbargebäude werden beschädigt, etwa 50 Menschen verletzt.
Auf unbestimmte Zeit verschoben
Neue Formen des Unterrichts