Namensgeber für Kirche, Turm und Straße
Der römisch-deutsche Kaiser Heinrich II. half den Přemysliden dabei, ihre Herrschaft in Böhmen zu festigen
2. 12. 2016 - Text: Josef Füllenbach, Titelfoto: Axel Mauruszat, Wikimedia Commons
Treten wir aus der Straße Vodičkova auf den Wenzelsplatz und folgen den Straßenbahngleisen in Richtung Osten, gelangen wir in die Straße Jindřišská (Heinrichsgasse). Von Weitem scheint es, die Straße laufe geradewegs auf den Heinrichsturm zu, aber dort angelangt stellt man fest, dass sich die Fahrbahn teilt und der Turm auf einer Verkehrsinsel steht. Auf der rechten Seite kommt die Kirche St. Heinrich und Kunigunde ins Blickfeld.
Nach dem heiligen Heinrich ist auch diese wichtige Straße benannt, die den Wenzelsplatz mit dem Senovážné náměstí (Heumarkt) verbindet, der sich hinter dem Heinrichsturm als spitzes Dreieck erstreckt. Heinrich II. (973–1024) und Kunigunde (um 980–1033) sind das einzige deutsche Herrscherpaar, das als Heilige kanonisiert wurde: Heinrich im Jahre 1146 und Kunigunde 1200. Beide haben ihre letzte Ruhestätte im Bamberger Dom, der Bischofskirche des von Heinrich gegründeten Bistums Bamberg, gefunden.
Doch warum ließ Karl IV. Mitte des 14. Jahrhunderts diese für die nordöstliche Hälfte der gerade gegründeten Prager Neustadt bestimmte Pfarrkirche dem heiligen Kaiserpaar weihen? Dazu gibt es zwei unterschiedliche Antworten. Nach der ersten Version fungierten die Prager Erzbischöfe als Visitatoren des Bamberger Bistums. Dieses besondere Verhältnis sollte durch die Wahl der beiden in Bamberg ruhenden Heiligen als Kirchenpatrone in Prag einen sinnfälligen Ausdruck finden.
Eine zweite Version begründet das Patronat damit, dass Heinrich II. die Přemysliden dabei unterstützt hat, ihre Herrschaft in Böhmen zu festigen, als ihre Stellung nach guten Anfängen gefährdet war und sogar die Eigenstaatlichkeit auf dem Spiel stand. Das war teils dem internen Zwist im Herrscherhaus, teils der Bedrohung durch den Polenherzog Bolesław Chobry (der Tapfere) geschuldet. Die Krise in Böhmen erreichte ihren Höhepunkt unter Boleslav III., genannt Ryšavý (Rotschopf), der in den Jahren 999–1003 das Zepter führte. Über den Charakter Boleslavs waren sich die Chronisten zwar nicht einig – dem einen galt er als „blutiger Tyrann“ von „unvorstellbarer Gottlosigkeit“, dem anderen als „eine Taube ohne Falsch“. Einig sind sie sich jedoch darin, dass er mit seiner Politik Böhmen der Einflussnahme von außen Tür und Tor öffnete.
Vor ihrem älteren Bruder Boleslav retteten sich Jaromír und Udalrich (Oldřich) mit ihrer Mutter nach Regensburg in die Obhut Heinrichs II., damals noch Herzog von Bayern. Der Prager Bischof flüchtete unter die Fittiche des Markgrafen Ekkehard von Meißen. Boleslav selbst suchte nach einem Adelsaufstand Zuflucht bei seinem polnischen Namensvetter Bolesław, der sich seinerseits eingeladen fühlte, seinen Herrschaftsbereich nach Böhmen auszudehnen. Heinrich II., inzwischen römisch-deutscher König, hätte ihn wohl gewähren lassen, wenn er die alte Lehensbeziehung zum Reich und damit die Tributpflicht anerkannt hätte. Dem aber verweigerte sich Bolesław.
Deshalb stellte sich Heinrich II. nun dem polnischen Herzog entgegen, drängte ihn zurück nach Polen und installierte die Brüder des „Tyrannen“ oder der „Taube“ Boleslav III. nacheinander auf dem böhmischen Thron – nicht ohne sich diese Unterstützung durch eine festere Lehensanbindung Böhmens an das Römische Reich honorieren zu lassen. Immerhin hatte er damit die Grundlagen gelegt für die Konsolidierung der Přemysliden-Herrschaft, die erst unter Udalrichs Sohn Břetislav I. (1034–1055), zum Abschluss kam.
Die Ehe von Heinrich und Kunigunde blieb kinderlos. Der Legende nach führten sie eine „Josefsehe“, was zu ihrem Ruf besonderer Frömmigkeit beitrug. Als böse Zungen Kunigunde der Untreue bezichtigten, soll sie sich dieser Verleumdung erfolgreich durch ein Gottesurteil erwehrt haben, indem sie barfuß 15 Schritte unverletzt auf glühenden Pflugscharen ging. Die Szene ist auf einem der Chorbilder der Heinrichskirche dargestellt. Eine Bauernregel verspricht denn auch für den dritten März, ihren Namenstag: „Kunigund macht warm von unt’.“
Am Rande sei noch vermerkt, dass Bamberg und der Bezirk Prag 1 seit 1992 partnerschaftlich verbunden sind. Ohne Tributpflicht.
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