„Narbe in uns“
Im Bahnhof Bubny entsteht eine Schoah-Gedenkstätte
28. 1. 2015 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Honza Groh
Vor mehr als 70 Jahren spielte sich am Bahnhof Bubny eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Stadt ab: Etwa 50.000 Prager Juden wurden zwischen 1941 und 1945 von hier aus nach Theresienstadt oder Łódź deportiert. Auf dem seit knapp 15 Jahren ungenutzen Bahnhofsgelände im siebten Stadtbezirk soll nun ein Schoah-Mahnmal errichtet werden. Wie die „Gedenkstätte der Stille“ („Památník Ticha“) aussehen wird, zeigt derzeit eine Ausstellung im Neustädter Rathaus. Unter dem Titel „Der Weg zur Gedenkstätte“ („Cesta k památníku“) präsentiert sie das architektonische Konzept und macht die Besucher mit der Idee hinter dem Projekt bekannt.
„Prag braucht einen Ort, an dem wir über diese Dinge reden können, wo wir über uns sprechen können und über die Narben in uns“, heißt es auf der Internetseite der gemeinnützigen Gesellschaft „Památník šoa Praha“. Unter der Leitung des Dokumentarfilmers Pavel Štingl setzt sich diese seit 2012 für eine Realisierung der Gedenkstätte ein. Wie Štingl betont, solle aber nicht nur ein weiteres Mahnmal entstehen: „Wir haben in Prag eine würdevolle Erinnerungsstätte für die Opfer, die von den Transporten nicht zurückgekehrt sind, und zwar die Namen der Opfer an der Wand der Pinkas-Synagoge. Doch Prag fehlt ein Zentrum, in dem man sich mit dieser Sache auch auseinandersetzt.“
„Wir wollen einen Raum für den öffentlichen Dialog schaffen, und für eine kritische Reflexion über die Stigmata, die der Holocaust hinterlassen hat“, so die Organisation. Daher soll das Bahnhofsgelände mehr sein als eine Gedenkstätte. In Gestalt eines Bildungszentrums werden hier neben wechselnden Ausstellungen auch Seminare und Workshops angeboten. „Unsere Absicht ist es, das Thema Holocaust als ein Beispiel staatlich legitimierter Gewalt vorzustellen, die an einer bestimmten Bevölkerungsgruppe ausgeübt wurde, während die Mehrheit passiv zugeschaut hat.“ In Studienräumen können sich Interessierte in die Geschichte vertiefen. Konferenzen und Bildungsprogramme geben einen fachspezifischen Einblick in die Thematik. Die Lebensgeschichten einzelner Prager Juden stellt die Dauerausstellung vor. Darüber hinaus sind ein Café und eine Galerie geplant.
Eröffnung 2016
Die Grundsteinlegung zum Mahnmal soll bereits im März erfolgen: Als sogenanntes „Grundgleis“ wird dann eine Skulptur des Bildhauers Aleš Veselý enthüllt. Die etwa 20 Meter hohe Plastik symbolisiert ein Gleis, das in den Himmel ragt und zugleich an die biblische Jakobsleiter erinnert. Sie wird an jener Stelle installiert, die Zehntausende einst auf ihrem Weg in die Todeslager passieren mussten.
Nicht allein das Bahnhofsgebäude, auch der öffentliche Raum soll umgestaltet werden. Damit wollen die Initiatoren an die letzten Schritte der Deportierten erinnern, die sie vom nahen Messepalast, wo sich eine Sammelstelle befand, zum Bahnhof führten.
Mit der Tschechischen Bahn habe die Organisation einen Mietvertrag für die kommenden 50 Jahre ausgehandelt. Nun gilt es, die nötigen Gelder zu beschaffen. Knapp vier Millionen Euro benötigt „Památník šoa Praha“ für die Instandsetzung des alten Bahnhofsgebäudes sowie die Ausstellung, die dort dauerhaft installiert wird. Im Oktober 2016 – wenn sich die Tage der ersten Transporte zum 75. Mal jähren – soll die Gedenkstätte eröffnet werden.
Die Ausstellung im Neustädter Rathaus (Karlovo náměstí 1, Prag 2) ist bis 1. Februar täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
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