Nazis wollen Polen und Tschechen aufklären
„Pro Deutschland“-Politiker und ein früherer Kopf der Preußischen Treuhand tun sich zusammen
28. 11. 2012 - Text: Nancy WaldmannText: Nancy Waldmann
Sie sind die ewig Gestrigen und haben sich doch in diesem Jahr erst neu gegründet. „Wir schaffen Gerechtigkeit!“ lautet der Slogan des „Eigentümerbundes Ost e.V.“ (EBO). Der Verein hat sich vorgenommen, vermeintlich bestehende Eigentumsansprüche deutscher Vertriebener und ihrer Nachkommen in Polen und Tschechien juristisch durchzusetzen. Seit Januar 2012 ist der EBO ein eingetragener Verein mit Sitz in Berlin-Marzahn, seit Anfang Februar gibt es eine Internet- und eine Facebook-Seite. Darauf macht der Verein ein zweifelhaftes Angebot. Er bietet Vertriebenen an, Eigentumsansprüche zu kaufen, falls deren Nachkommen „kein Interesse mehr an der Bewahrung des Familienbesitzes“ haben, um diese gebündelt vor Gericht durchzusetzen.
Enttäuschte Vertriebene
Der EBO ist der zweite Versuch, mit Rechtspurismus revisionistische Anliegen durchzusetzen. Die Preußische Treuhand war 2008 mit einer ähnlichen Klage gegen die Republik Polen vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg gescheitert. Ehrenpräsident des EBO ist der 88-jährige Alexander von Waldow, Mitgründer der Preußischen Treuhand. Von Waldow erhebt seit Jahren öffentlich Anspruch auf das einstige Schloss seiner Familie im heute westpolnischen Mierzecin, auf deutsch Merenthin. Erfolglos – von Waldow ist selbst in seiner eigenen Familie ein Geächteter. Präsident und Gesicht des EBO ist der 38-jährige Lars Seidensticker, früheres Mitglied der rechtsextremen DVU, die inzwischen in der NPD aufgegangen ist. Seit 2011 ist Seidensticker Berliner Landeschef der rechtspopulistischen „Bürgerbewegung pro Deutschland“, die vor allem eine islamfeindliche Agenda verfolgt. Auf Demonstrationen beschimpfte er auch schon Asylbewerber. Seidensticker profiliert sich im EBO nebenbei mit revanchistischen Anliegen im alten Ostdeutschland. Er besann sich der Wurzeln seiner Familie im schlesischen Otmuchów (Ottmachau), ließ sich von einem Schweizer Fernsehsender dorthin begleiten und traktierte die jetzigen Bewohner des alten Familienhauses mit seinen Forderungen, das Haus gehöre ihm. Ebenso erfolglos. Zum Verein zählt zudem der Verleger Manfred Rouhs, Bundesvorsitzender von „Pro Deutschland“, mit Karriere bei NPD und den Republikanern. Er gilt als Stratege der Neuen Rechten. Beim EBO ist er als Inhaber der Internetdomain verzeichnet.
Der EBO bildet eine kleine, aber in dieser Offenheit neue Liaison aus professionellen Rechtsextremen und enttäuschten Vertriebenen. „Pro Deutschland“ sieht offenbar die Chance, im Milieu der Vertriebenenorganisationen eine neue Zielgruppe für sich zu erschließen, nämlich jene, die sich mit der Entscheidung von Straßburg 2008 nicht abfinden mochten und die sich im inzwischen politisch relativ gezähmten Bund der Vertriebenen (BdV) nicht mehr repräsentiert fühlen. Die BdV-Vorsitzende Erika Steinbach zeigt dem EBO die kalte Schulter. Verbündete sieht der EBO in einzelnen Landsmannschaften und in den deutschen Minderheiten in Polen und Tschechien.
Reichenberg statt Liberec
Das krude Geschichtsbild des EBO ist erkennbar an dem Vokabular, das auf der Website gebraucht wird. So legt man besonderen Wert auf die „politische Aufklärung in den Vertreiberstaaten“ und kündigte an, in Polen Flugblätter zu verteilen, die über die Vertreibung der Deutschen und die Verbrechen der Polen informieren. Mehrere polnische Medien berichteten daraufhin über den EBO, insgesamt rief der Affront des EBO in der polnischen Öffentlichkeit aber verhältnismäßig wenig Empörung hervor. Zu der Flugblattaktion kam es letztendlich doch nicht. „Da ich Generalsekretär einer Partei bin, die den Anspruch hat zur Bundestagswahl anzutreten, werde ich die Kampagne auf das Ende des kommenden Jahres verschieben müssen“, teilte Seidensticker auf Anfrage mit. Stattdessen erschien im Frühling auf der Website eine „informacja“ auf Polnisch, die „den Polen“ empfahl, sie sollten zum bevorstehenden Osterfest doch endlich für „die deutschen Opfer ihrer Verbrechen“ beten und sich bei den Deutschen entschuldigen.
Die jüngste Aktion des Vereins hat auch einen Tschechien-Bezug: eine Stickerkampagne, die für die Forderung des EBO nach vermeintlich zweisprachigen Ortstafeln werben soll. Zu bestellen sind sie für die Städte Wrocław, Kaliningrad und Liberec. Motiv bildet ein gelbes Schild, wie sie in Deutschland an Ortsausgängen stehen. Der polnische, tschechische und russische Name der Stadt ist jeweils durchgestrichen, ein Pfeil zeigt nach Breslau, Königsberg und Reichenberg. Das „Netz gegen Nazis“ warnte in der vergangenen Woche auf seiner Website vor den Aktivitäten des EBO, nachdem die Sticker in der Berliner S-Bahn gesichtet wurden.
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