Neu im Kino: „Feuchtgebiete“

Neu im Kino: „Feuchtgebiete“

David Wnendt inszeniert den berüchtigten Skandalromanvon Charlotte Roche

12. 12. 2013 - Text: Stefan WelzelText: sw; Foto: Majestic-Filmverleih

Allerlei Kritik prasselte 2008 auf die bis dahin nur als Moderatorin bekannte Charlotte Roche nieder. Ihr Romanerstling „Feuchtgebiete“ stieß Literaturkritiker sowie eine stattliche Anzahl von Lesern etwas arg vor den Kopf. In einer Zeit, in der man fast alle Tabus für gebrochen hielt, provozierte die damals 30-Jährige mit ekelerregenden Einzelheiten aus der Welt der Körperhygiene und Sexualität. Im Sommer feierte die gleichnamige Verfilmung von David Wnendt in Locarno Weltpremiere und avancierte in Deutschland zum Publikumshit des Jahres. Nun ist sie auch in tschechischen Kinos zu sehen.

Selten findet eine deutsche Produktion so schnell den Weg in tschechische Lichtspielhäuser. Eventuell liegt dies an der tschechischen Offenheit gegenüber Themen mit sexuellem Hintergrund, vielleicht ist dem Streifen aber auch nur der Ruf des Kassenschlagers vorausgeeilt. Auf jeden Fall kommt Wnendts skurrile Mischung aus Komödie, Coming-of-Age-Drama und Milieustudie beim Prager Publikum gut an.

Entwaffnend direkt
In Roches autobiographischer Geschichte experimentiert die 18-jährige Helen mit Lust, Liebe und allerhand Körperflüssigkeiten. Es werden Dinge ausgesprochen, die die meisten Menschen vor Ekel erschaudern lassen. In Wnendts Film schlüpft die 28-jährige Schweizerin Carla Juri in die Rolle der tabulosen Heldin. Mit Schalk und Charme verkörpert sie die neugierige und entwaffnend direkte Teenagerin, die gerne auch mal die Klobrille in öffentlichen Toiletten mit ihrem primären Geschlechtsorgan reinigt. Damit aber bereits genug der unappetitlichen Details.

In seinem Kern handeln Roman wie Film von den emotionalen Irrungen und Wirrungen einer Heranwachsenden, die sich letztendlich „nur“ auf der Suche nach den eigenen Grenzen befindet. Dabei sieht sich Helen immer wieder mit ihren Kindheitstraumata konfrontiert. Regisseur Wnendt gelingt der Spagat zwischen Trash-Komödie und nachdenklichem Programmkino erstaunlich gut. Vor allem auch dank der exzellenten Besetzung.

Besonders an Axel Milbergs Interpretation von Helens lakonisch-trockenem Vater mit Hang zum Exzessiven hat man seine Freude. Und irgendwie erinnert die verspielte Erzählform an „Amélie de Montmartre“, allerdings vermengt mit Elementen aus „Trainspotting“ und „Eis am Stil 4“. Am Schluss wundert man sich, dass das auch noch funktioniert. Allerdings nur für Menschen, deren Ekel- und Schamgrenzen eine hohe Toleranz aufweisen.