Neu im Kino: „The Best Offer“
In Giuseppe Tornatores „The Best Offer“ erliegt ein Kunstexperte dem Charme einer Unbekannten
11. 9. 2013 - Text: René PfaffText: René Pfaff; Foto: Warner Bros.
„Jeder Fälscher hat das Bedürfnis, sich in seiner Fälschung zu verraten“, davon ist Virgil Oldman (Geoffrey Rush) überzeugt. Der Besitzer eines Auktionshauses ist ein weltweit anerkannter Kunstexperte, sein Urteil ist Gesetz in der Szene. Hin und wieder erliegt der Geschäftsmann jedoch der Versuchung, diese Autorität zu missbrauchen.
Das geschieht vor allem dann, wenn er ein erlesenes Frauenporträt schätzen und verkaufen soll. So taxiert er das Gemälde deutlich unter seinem tatsächlichen Wert – und lässt es anschließend über einen Strohmann (Donald Sutherland) zu einem Schleuderpreis für sich selbst ersteigern. Mit diesen Betrügereien hat er sich nach und nach eine wertvolle Privatsammlung aufgebaut. Von den Wänden eines verborgenen Zimmers in seinem luxuriösen Anwesen blicken die Gesichter zahlloser Musen aus allen Kunstepochen herab.
Seine Obsession für schöne Frauen pflegt der erfolgreiche Auktionator aber ausschließlich im Geheimen. Um sich im wirklichen Leben mit dem anderen Geschlecht einzulassen, ist er zu schüchtern und zu unsicher. Dieses Unvermögen verbirgt er unter einer Maske aus Kultiviertheit, Arroganz und Zynismus. Eines Tages unterbricht ein Telefonanruf diesen Kreislauf von Einsamkeit und Selbstbetrug.
Claire Ibbetson (Sylvia Hoeks), Erbin einer umfangreichen Sammlung von antiken Möbeln und Gemälden, beauftragt Virgil mit deren Schätzung und Versteigerung. Doch die junge Schriftstellerin umgibt ein Geheimnis: Sie leidet an Agoraphobie. Krankhaft menschenscheu hat sie die riesige Villa, in der sie nach dem Tod ihrer Eltern nunmehr ganz alleine lebt, seit Jahren nicht verlassen. Mit Virgil kommuniziert die junge Frau nur über Telefon und durch ein winziges Loch in der Wand zu ihrem Zimmer. Virgil ist fasziniert von der mysteriösen Unbekannten und verliebt sich – ohne sie jemals gesehen zu haben – in die junge Frau. Der sorgsam angelegte Panzer aus Misanthropie und Blasiertheit bekommt allmählich Risse.
Giuseppe Tornatore („Cinema Paradiso“), von dem auch das Drehbuch stammt, hat mit „The Best Offer“ einen ebenso eleganten wie raffinierten Film gedreht. Der ungewöhnliche Dreiklang aus Romanze, Thriller und Drama ist berührend, fesselnd und tragisch zugleich. Und wie bei einer guten Fälschung verwischen Schein und Sein immer mehr zu einem schwer durchschaubaren Ganzen.
Dennoch ist die Story an keiner Stelle verwirrend, sondern durchgängig stringent und spannend. Ennio Morricones atmosphärischer, gleichzeitig angenehm unaufdringlicher Soundtrack ist reiner Suspense und der überraschende Twist am Ende denn auch mit so großer Raffinesse angelegt, dass er an den Clou von Hitchcocks „Vertigo“ erinnert. Überhaupt scheint Alfred Hitchcock, der Meister des Suspense, Tornatore nicht unwesentlich inspiriert zu haben, so ausgefeilt sind Handlungsaufbau und Charakterzeichnung.
Geoffrey Rush kann in der Rolle des zwanghaften Menschenfeindes die ganze Palette seiner Kunst ausspielen, und Sylvia Hoeks’ Claire umgibt eine faszinierend entrückte Aura – was nicht nur an dem leichten Akzent der niederländischen Schauspielerin liegt.
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