Neuanfang in der Ferne
Stanislav Struhars jüngster Roman erzählt von einem jungen Mann, der in Italien ein neues Leben beginnt
17. 9. 2014 - Text: Friedrich GoedekingText: Friedrich Goedeking
Stanislav Struhar, gebürtig aus Zlín, hat 1988 seine tschechische Heimat verlassen, weil für ihn das Leben unter dem kommunistischen Regime unerträglich wurde. Nach wiederholten Selbstmordversuchen und einem Zwangsaufenthalt in der Psychiatrie emigrierte er nach Österreich. Die Integration in der Fremde gelang ihm so gut, dass er seit Jahren seine Lyrik und Prosa in deutscher Sprache verfasst.
Wie können Menschen in einem fremden Land eine neue Heimat finden? Stanislav Struhar hat sich in seinen bisherigen Veröffentlichungen für die Überwindung nationaler Grenzen eingesetzt. In seinem jüngsten Roman, der unter dem etwas rätselhaften Titel „Das Gewicht des Lichts“ erschien, ist davon wenig zu spüren. Struhar erzählt darin die Geschichte des jungen Österreichers Fabian, der sich nach der Erkrankung seines Wiener Onkels in ligurischen Dörfern um dessen fünf Ferienwohnungen kümmert. Langatmig und spannungslos wird Fabians Alltag geschildert: seine Fahrten per Auto oder mit dem Motorrad zu den einzelnen Wohnungen, seine fleißige Putzarbeit, die Betreuung der Feriengäste, die durchweg keine Probleme machen, die Smalltalks mit den freundlichen einheimischen Nachbarn, Besuche eines Kindertheaters oder eines Rockfestivals.
Bei seinen Aufenthalten in Ligurien hatte Struhar beobachtet, wie sich seine österreichischen Freunde und Bekannten in der neuen Heimat zurechtfinden. Sein Protagonist Fabian hat damit offensichtlich keine Probleme. Er wird von den einheimischen Dorfbewohnern freundlich aufgenommen. Auch die unterschiedliche Nationalität der Feriengäste bildet kein Problem, weder untereinander noch im Verhältnis zu den Einheimischen. Die Fragen seiner Gäste, wie er denn als Österreicher in Italien klarkomme, beantwortet er gelassen mit dem Hinweis, dass es für ihn keinerlei Schwierigkeiten gebe. Auch bei Fabians Kontakten zu deutschen und italienischen Frauen vor Ort spielt die nationale Herkunft keine Rolle.
In Rom knüpft Fabian eine zarte Beziehung zu einer italienischen Studentin, die für ihn aber mit seinem Umzug nach Ligurien gegenstandslos wird, ohne dass der Leser dafür ausreichende Gründe erfährt.
Breiten Raum nehmen die Kontakte mit der 25 Jahre älteren Kerstin aus Dortmund ein, die ebenfalls Ferienwohnungen vermietet. Zusammen unternehmen die Beiden Badeausflüge ans nahe Meer und verbringen eine Nacht unter freiem Himmel. Welche Gefühle beide füreinander hegen, bleibt unklar. Man sitzt brav zusammen, isst und trinkt, ohne dass dabei Erotik oder gar Sexualität ins Spiel kommt. Kerstin bringt dem jungen Mann bei, wie man einen Staubsauger repariert und ein kaputtes Abflussrohr ersetzt.
In Ligurien lernt Fabian schließlich die hübsche Nachbarin Costanza kennen: Die jungen Leute unternehmen Ausflüge, spritzen sich gegenseitig an rauschenden Bächen nass und lesen sich aus Büchern vor. Der plötzliche Tod des Wiener Onkels verhindert, dass sie sich näherkommen. Fabian muss zurück nach Wien. Mag sein, dass der Autor in Sachen Liebe und Erotik die leisen Töne liebt und damit einen Kontrapunkt gegen eine sexuell aufgeladene Literatur setzen möchte. Eine lohnende Aufgabe, die aber einen Autor braucht, der davon spannend und lebendig zu erzählen weiß. So bleibt die Lektüre des Romans ein wenig leidenschaftslos.
Stanislav Struhar: „Das Gewicht des Lichts“. Wieser Verlag, Klagenfurt am Wörthersee 2014, 200 Seiten, 21 Euro, ISBN 978-3-99029-088-0
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?