Neues Leben auf alten Gleisen

Neues Leben auf alten Gleisen

Der Güterbahnhof in Žižkov soll nun definitiv ein Kulturzentrum werden

29. 4. 2014 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: chodec.xf.cz

 

Der Güterbahnhof von Žižkov ist ein Meisterstück der funktionalistischen Industriearchitektur. Als er 1936 seinen Betrieb aufnahm, galt er als eine der modernsten Bahnanlagen Europas. 2002 gab die Tschechische Bahn den Güterbahnhof als Lade- und Lagerstätte auf und er begann zunehmend zu verfallen. Der Bahnhof war vom Abriss bedroht, um eine mögliche Nutzung des Areals stritten sich die Besitzer, der dritte Stadtbezirk und Bürgerinitiativen. Nun ist die Zukunft des Geländes offenbar besiegelt.

Mitte April unterzeichneten Kulturminister Daniel Herman (KDU-ČSL), Vertreter des dritten Prager Stadtbezirks und des Magistrats sowie die Besitzer des Bahnhofsgeländes – die Tschechische Bahn und der Bauunternehmer Sekyra Group – ein Memorandum: Der seit März vergangenen Jahres unter Denkmalschutz stehende Komplex soll demnach zu einem Kulturzentrum umgestaltet werden. Die Räume könnten beispielsweise vom Nationalen Filmarchiv oder für Ausstellungen des Kunstgewerbemuseums oder des Nationalen Technikmuseums genutzt werden. Konkrete Gestalt habe der Plan allerdings noch nicht angenommen, sagte Herman nach der Unterzeichnung. Erst im Juli wollen die verhandelnden Parteien einen genaueren Plan vorlegen, bis dahin soll auch die Frage des künftigen Eigentümers geklärt werden.

Wer den kostspieligen Umbau finanzieren soll, bleibt noch ungewiss. Fest steht jedoch: „Der Güterbahnhof von Žižkov ist ein einzigartiges Objekt, das besonderen Schutz verdient. Nur durch eine Zusammenarbeit aller Beteiligten können wir diesen erreichen“, so der Kulturminister.

Eine Kooperation zwischen den Parteien erschien lange Zeit eher unwahrscheinlich. Erst im Januar dieses Jahres hatte Prag 3 den Magistrat verklagt, weil er den Bau eines Einkaufszentrums sowie von Verwaltungs- und Wohngebäuden im Norden des Areals genehmigt hatte. Vertreter des Stadtteils argumentierten, ein solcher Bau würde zu stark in das Umfeld der Anwohner eingreifen und das biologische Gefüge der insgesamt 50 Hektar großen Fläche stören, die etwa 30 geschützte Pflanzen- und Tierarten beheimatet.

Auch die Gesellschaft „Žižkov station development“, gegründet von der Tschechischen Bahn und der Sekyra Group, beabsichtigte anfänglich einen umfassenden Umbau, dem die Bahnhofsgebäude hätten weichen müssen. Nach heftigen Protesten von Fachleuten und gemeinnützigen Organisationen beschloss das Kulturministerium, den Bahnhof samt Gelände zu erhalten. Der Komplex wurde unter Denkmalschutz gestellt und ein neuer Plan entwickelt, der auch kommerzielle Aspekte berücksichtigt: Ein neuer Stadtteil soll entstehen, dessen Zentrum die Bahnhofsgebäude bilden. Die Nutzung des Bahnhofs hat nun das Memorandum umrissen.

Als kultureller Angelpunkt der Anlage könnte in Žižkov eines der größten revitalisierten Industrieareale Tschechiens entstehen. Ein Vorhaben mit Aussicht auf Erfolg: Tausende Menschen strömten im vergangenen Jahr zu verschiedenen Kulturaktionen auf das Gelände. Das soll auch in diesem Jahr so bleiben. Mit 1,9 Millionen Kronen (rund 70.000 Euro) unterstützt das Rathaus kulturelle Veranstaltungen auf dem Güterbahnhof.