„Nicht hinauslehnen!“
Wie der Pionier des böhmischen Eisenbahnnetzes Jan Perner seinen Kopf verlor
24. 8. 2016 - Text: Friedrich Goedeking
Der 20. August 1845 war der glücklichste Tag im Leben des Oberingenieurs Jan Perner. Jubelnd begrüßten Tausende Prager die Ankunft des ersten Eisenbahnzuges von Olomouc nach Prag. Perner selbst bediente die Lokomotive. Fünf Minuten später fuhr der Zug mit den Ehrengästen ein. Musik erklang, Salutschüsse wurden abgefeuert und die Glocken läuteten. Drei Tage feierte Prag die Eröffnung der Zugstrecke Olomouc–Prag, eines der größten Bauprojekte Böhmens im 19. Jahrhundert. Perner war der Held des Tages. In drei Jahren hatte er die Bahntrasse realisiert, die nun die Stadt an das Eisenbahnnetz anschloss und unter anderem die tschechische Metropole mit Wien verband. An ihn erinnert heute die Perner-Straße, die im Stadtteil Karlín – unweit des Hauptbahnhofs – parallel zu den Eisenbahngleisen verläuft.
Die Bahnstrecke Wien–Brünn war bereits im Jahr 1839 in Betrieb genommen worden. Die Zugfahrt von Wien nach Prag dauerte damals 16 Stunden. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 40 Stundenkilometer. 30.000 Arbeiter, unter ihnen auch Frauen und Kinder, hatten die über 250 Kilometer lange Bahnstrecke in 30 Monaten harter Arbeit erbaut. Schaufeln, Spaten, Hacke und Schubkarren waren ihre einzigen Werkzeuge.
Perner hatte bereits die Bahnstrecke Prag–Dresden projektiert. Knapp drei Wochen nach seinem Triumph in Prag verunglückte der 30-Jährige bei einer Inspektionsfahrt zwischen Olomouc und Prag tödlich. Er hatte sich von der Plattform des ersten Waggons bei der Durchfahrt eines Tunnels hinausgelehnt und wurde von einem Mast am Kopf getroffen. Er war der erste Tscheche, der Opfer eines Zugunglücks wurde.
Jan Perner wurde 1815 als Sohn eines Müllers im mittelböhmischen Bratčice (Bratschitz) geboren. In Prag verdiente er sich als Student durch Nachhilfestunden mühsam seinen Lebensunterhalt und schloss mit nur 18 Jahren erfolgreich den Besuch der Technischen Lehranstalt als Ingenieur ab. In Russland erhielt Perner die Stelle eines kaiserlichen Ingenieurs und war an der Planung und dem Ausbau der Bahnstrecke zwischen Sankt Petersburg und der Zarenresidenz Zarskoje Selo beteiligt. Zurück in Böhmen wurde er zum Oberingenieur befördert und mit dem Bau der Eisenbahnlinie Prag–Olomouc beauftragt. Auf Perners Initiative geht auch der Bau des Prager Masaryk-Bahnhofs zurück.
In Prag schloss sich Perner der tschechisch-nationalen Bewegung an und war unter anderem mit František Ladislav Rieger, Karel Havlíček Borovský und Božena Němcová befreundet. Von dieser Gruppe wurde Perner unterstützt, als er sich für die Gründung einer tschechischsprachigen Technischen Hochschule in Prag einsetzte. Diese Lehranstalt ermöglichte auch jungen tschechischen Studenten, einen Abschluss als Ingenieur zu erwerben. Bis dahin wurden sie ohne deutsche Sprachkenntnisse nicht zum Studium zugelassen.
Perner gilt als Pionier des Eisenbahnwesens in Böhmen. Ihm zu Ehren trägt die Verkehrsfakultät in Pardubice seinen Namen. Der EC 155, der täglich über Olomouc zwischen Prag und Ostrava verkehrt, wurde nach Jan Perner benannt.
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30 Jahre PZ