Nichtssagende Auskünfte für Verbraucher
Supermärkte müssen seit diesem Jahr angeben, woher sie ihre Lebensmittel beziehen. Die Angaben sind verwirrend
14. 1. 2015 - Text: Corinna Anton
Die Zahlen sind beeindruckend: 93,5 Prozent der Lebensmittel kommen aus Tschechien, 1,6 Prozent aus der Slowakei und 0,9 bis ein Prozent aus Deutschland, Österreich und Italien. Damit ist der Billa-Supermarkt im Prager Stadtzentrum ein Musterbeispiel für den Vertrieb regionaler Produkte – so könnte man zumindest meinen, wenn man die Tafel liest, die seit 1. Januar gut lesbar am Eingang des Ladens steht. „Die Lebensmittel stammen von Zulieferern aus folgenden Ländern“ steht darauf geschrieben, darunter sind die oben genannten Staaten aufgeführt. Aber was heißt das eigentlich?
Die Billa-Filiale ist nicht die einzige, die vor zwei Wochen eine solche Tafel an ihrem Eingang anbrachte. Seit 1. Januar müssen Handelsketten mit einem Jahresumsatz von mehr als fünf Milliarden Kronen ihre Kunden unübersehbar darauf hinweisen, aus welchen fünf Ländern sie die meisten Lebensmittel beziehen. Und genau da liegt das Problem: Entscheidend für die Angabe auf den Tafeln ist nicht, wo Orangen und Ingwer, Kartoffeln und Erdbeeren gewachsen sind, sondern wo der Zulieferbetrieb seinen Sitz hat. Für die Verbraucher sei diese Information nichtssagend, meinen die Händler. „Die meisten Kunden erwarten Informationen über die Herkunft des Sortiments“, sagt zum Beispiel Globus-Sprecherin Pavla Hobíková. „Die Gesetzgebung verpflichtet uns jedoch, anzugeben, wie viel Prozent der Lebensmittel wir aus den genannten Ländern beziehen, wobei der Sitz des Zulieferers maßgebend ist.“ Die Zahlen fallen bei Globus ähnlich aus wie bei Billa: Tschechien ist mit 93 Prozent Spitzenreiter, gefolgt von Deutschland (3,4 Prozent) und der Slowakei (1,2 Prozent). Bei den Konkurrenten Albert und Kaufland liegen tschechische Anbieter mit 89,8 beziehungsweise 85 Prozent ebenfalls weit vorne.
Bereit für eine Änderung
Eine Ausnahme ist Lidl, wo nur 44 Prozent der Waren von heimischen Zulieferern stammen, 28 Prozent kommen aus Deutschland, 17 aus Polen, drei aus Italien und zwei aus Frankreich. Auch bei Lidl weist man darauf hin, dass es sich bei den auf den Tafeln aufgeführten Angaben nicht um die Herkunft der Lebensmittel handle. So würden zum Beispiel Markenprodukte oder Obst und Gemüse aus dem Ausland oft über Zwischenhändler hierzulande bezogen.
Die Verbraucher müssen die neu aufgestellten Tafeln also genau lesen, um dann festzustellen, dass die aufgeführten Informationen ihnen eigentlich gar nichts sagen. Der Präsident der Lebensmittelkammer Miroslav Toman forderte deshalb nach nur einer Woche, das neue Gesetz sollte geändert werden. Hynek Jordán, Sprecher des zuständigen Landwirtschaftsministeriums, glaubt dagegen, die Informationen über die Nationalität der wichtigsten Zulieferer könnten dem Verbraucher bei der Kaufentscheidung helfen. Allerdings fügte er in der vergangenen Woche hinzu: „Sollte sich in der Praxis zeigen, dass die Listen keinen Nutzen für die Verbraucher haben, ist das Ministerium bereit, eine Änderung in die Wege zu leiten.“
Wie diese Änderung aussehen könnte, ist zwischen Ministerium und Lebensmittelherstellern umstritten. Der Behörde zufolge sollte ein Produkt nur als „tschechisch“ bezeichnet werden, wenn mindestens 75 Prozent der Zutaten aus dem Inland kommen. Der ehemalige Landwirtschaftsminister Toman dagegen bezeichnete diesen Vorschlag als „ausgesprochen unglücklich“ und die Gesetzgeber als inkompetent. Er ist für eine abgestufte Regelung: Zum Beispiel für Fleisch oder Milchprodukte könnte die Marke bei 100 Prozent liegen, bei Süßigkeiten mit Schokolade dagegen sollte nicht nach der Herkunft der Zutaten, sondern nach dem Ursprung des Rezeptes und dem Sitz des Produzenten geurteilt werden. Toman wies darauf hin, dass es ja auch belgische oder Schweizer Schokolade gebe: „Meinen Informationen zufolge werden aber bisher weder in der Schweiz noch in Belgien Kakaobohnen angebaut.“
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