Offene Türen
Am Wochenende findet in Prag zum ersten Mal das Festival „Open House“ statt. Mehr als 30 moderne und historische Gebäude können kostenlos besichtigt werden
13. 5. 2015 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Open House Praha
Ihre Fassaden prägen das Stadtbild. Von innen kennt dagegen kaum jemand das Tanzende Haus in der Neustadt, das Ministerium für Industrie und Handel am Dvořák-Ufer oder die O2-Zentrale mit ihrem markanten Turm in Žižkov. Am kommenden Wochenende kann sich das ändern: Zum ersten Mal findet in Prag am 16. und 17. Mai das Festival „Open House“ statt, bei dem 33 Gebäude ihre sonst verschlossenen Türen für Besucher öffnen.
Ob historisch, sozialistisch oder zeitgenössisch: die Schauplätze des Festivals sind so vielfältig wie die Prager Architekturgeschichte. Zu den jüngsten Objekten gehört das mobile Haus „Port X“ im Stadtteil Holešovice. Es entstand im Jahr 2012 als Projekt des Architektur- und Designstudios Atelier SAD und kann auf dem Wasser wie auf dem Trockenen stehen; dank seiner Modulbauweise lässt es sich einfach auf- und abbauen, kann seine Struktur verändern und führt den verantwortlichen Architekten Adam Jirkal, Jerry Koza und Tomáš Kalhous zufolge einen „freundlichen Dialog mit seiner Umgebung“.
Als weitere Bauwerke aus dem 21. Jahrhundert präsentieren sich unter anderem das mit mehreren Architekturpreisen ausgezeichnete Danube House in Karlín, das Verwaltungsgebäude Zlatý Anděl in Smíchov und der in diesem Jahr fertiggestellte Bürokomplex ArtGen in Holešovice.
Wer es weniger modern mag, wird vor allem im Stadtzentrum fündig. Eines der ältesten Bauwerke im Programm ist das im 13. Jahrhundert gegründete Agneskloster, das heute von der Nationalgalerie genutzt wird. Zugänglich sein werden der Minoriten-Kreuzgang und die teilweise erhaltene Sankt-Franziskus-Kirche, deren Architektur auf das Leben der Nonnen abgestimmt war: Weil die Schwestern keinen Kontakt zur Öffentlichkeit haben sollten, waren ihre Schlafräume so mit dem Hauptschiff der Kirche verbunden, dass sie sich direkt von dort auf die Empore begeben konnten.
Von Bahnhof bis Kloster
Die Nationalgalerie wird am Wochenende außerdem Zutritt zum historischen Keller und zur Bibliothek des Kinsky-Palais gewähren. Letztere ist eine der wenigen Prager Palast-Bibliotheken, die samt ihrer ursprünglichen Einrichtung erhalten geblieben sind. Die Grundlage der Büchersammlung bildeten mehr als 18.000 Bände, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts erworben wurden. Bis die Bibliothek 1945 konfisziert wurde, wuchs ihr Bestand auf mehr als 33.000 Werke.
Zu den historischen Gebäuden, die ihre Türen öffnen werden, zählen zudem der Regierungs- oder Kaiser-Salon am Masaryk-Bahnhof mit seiner Neorenaissance-Balkendecke, der in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts für Kaiser Franz Josef I. errichtet und später für Präsident Tomáš Garrigue Masaryk umgestaltet wurde, sowie das Strahov-Kloster. Dort können der Božena-Němcová- und der Lesesaal besichtigt werden.
Das Verteidigungsministerium lädt zur Besichtigung der Anlage Invalidovna in Prag 8 ein, die in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts von Kilian Ignaz Dientzenhofer entworfen wurde. Zuletzt diente der ehemalige Wohnkomplex für Kriegsversehrte als Militärarchiv. Über seine weitere Nutzung soll demnächst entschieden werden.
Gläserner Palast
Eines der moderneren Gebäuden im Festival-Programm ist die 1911 bis 1914 erbaute Villa des ersten tschechoslowakischen Ministerpräsidenten Karel Kramář, die nach der Restaurierung in den neunziger Jahren zur Residenz des Premierministers wurde, sowie das Haus der Gewerkschaften, in dem in den dreißiger Jahren 700 Büros entstanden. Aus der selben Zeit stammt auch der funktionalistische Glaspalast (Skleněný palác) im Stadtteil Bubeneč, der unter anderem seine Tiefgarage und seine Dachterrasse öffnen wird. Wer sich mehr für Technik als für Architektur interessiert, kann zum Beispiel das historische Kraftwerk auf der Insel Štvanice, ein Hochspannungslabor der Tschechischen Technischen Universität Prag oder deren Institut für Flugtechnik besichtigen.
Das Festival „Open House“ fand zum ersten Mal 1992 in London statt. Im Herbst vergangenen Jahres konnten Besucher dort mehr als 850 Gebäude besichtigen. Mittlerweile haben auch andere Städte das Konzept übernommen, darunter New York, Oslo, Rom und Wien. Um die Organisation in Prag kümmert sich der gemeinnützige Verein Otevřená společnost (Offene Gesellschaft), dessen Mitglieder sich dafür einsetzen, den öffentlichen Raum für Bürger ansprechend zu gestalten. Ziel des Festivals am Wochenende sei es, das Interesse der Menschen an ihrer direkten Umgebung zu wecken und ihnen einen Blick hinter die Fassaden von Gebäuden zu ermöglichen, die sie sonst nur von außen sehen, so Mitorganisator Michal Tošovský. Daraus solle eine Gemeinschaft von Menschen entstehen, die sich für ihre Stadt interessieren. Besucher sind daher aufgefordert, nicht nur Geschichte und Architektur zu bestaunen, sondern ihre Eindrücke unter #ohpraha in sozialen Netzwerken zu teilen.
Open House Praha. Samstag und Sonntag, 16. und 17. Mai. Infozentrum und kostenloser Katalog im Hotel Fusion (Panská 9, Prag 1). Eintritt frei, teilweise mit Registrierung. Liste der Gebäude, Anmeldung und Programm unter www.openhousepraha.cz
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