Pionier der Fotografie

Pionier der Fotografie

Die Stadtgalerie gewährt einen Einblick in das Schaffen von Andreas Groll

6. 4. 2016 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Fotos: Wien Museum, Ústav dějin umění AV ČR

 

Die Zeit steht still in den Bildern von Andreas Groll. Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Fotografie noch am Anfang ihrer Entwicklung stand, reiste Groll quer durch Österreich-Ungarn. Mit seiner mehr als hundert Kilogramm schweren Fotoausrüstung hielt er Denkmäler und Details stilprägender Bauten fest. Die Entstehung der Wiener Staatsoper, die Astronomische Uhr in Prag, als sich noch keine Menschenmassen vor ihr versammelten, die ersten Eisenbahnschienen im Banat – Groll enthob sie dem Augenblick und bewahrte sie in Sepiabraun für die Nachwelt.

Die Bilder des heute eher unbekannten Fotografen präsentiert nun die Galerie der Hauptstadt Prag. Im Haus der Fotografie (Dům fotografie) sind zahlreiche Architekturaufnahmen des Wieners zu sehen, der heute als ein Pionier des Mediums gilt. Außerdem zeugen alte Fotoapparate von den technischen Anfängen.

Grolls Weg zur Fotografie war keineswegs vorgezeichnet. In Wien 1812 als Sohn eines Gärtners und einer Köchin geboren, wuchs er in ärmlichen Verhältnissen auf. Im Alter von 23 Jahren verdiente er seinen Unterhalt als Diener in einer Arztfamilie. Hier fand er vermutlich einen Zugang zur Fotografie. Seine erste Daguerreotypie, eine Foto­grafie auf einer polierten Metall­oberfläche, stammt aus dem Jahr 1842.

Bau der Wiener Staatsoper, 1865

Seit 1852 widmete sich Groll der Berufsfotografie. Anders als viele Kollegen spezialisierte er sich jedoch nicht auf Porträts, sondern auf Architektur. Im Auftrag von Denkmalschützern, Kunsthistorikern und Architekten reiste er auch in fernere Gebiete Österreich-Ungarns, um bedeutende Bauten und ihre Veränderung zu dokumentieren. Zugleich lichtete er Pläne und Skizzen ab, die niemals umgesetzt wurden. Ausgestellt sind zum Beispiel Fotografien mittelalterlicher Gebäude in Krakau, berühmter Bauwerke in Prag und Wien und von Schloss Lednice (Eisgrub) in Südmähren. Nach 1857 gehörten die kaiserlich-königlichen Staatsbahnen zu Grolls Auftraggebern. Zu Werbe­zwecken lichtete er Loko­motiven für das Unternehmen ab und dokumentierte den Ausbau des Eisenbahnnetzes.

Interessant sind Grolls Bilder vor allem, weil sie viel über die Entwicklung der Fotografie erzählen. Da ihm die Technik damals noch nicht erlaubte, in Innenräumen zu fotografieren, musste Groll das Interieur der südböhmischen Burg Rožmberk (Rosenberg) in den Garten bringen. Dort arrangierte er Möbel und Dekor erneut, hatte zugleich jedoch mit dem Sonnenlicht zu kämpfen. Was der Betrachter heute sieht, ist daher ein überbelichtetes Bild. Eine Serie zum Altstädter Rathaus in Prag belegt, wie sich die Bildträger auf Farbe und Kontrast der Fotografie auswirkten: Die Aufnahmen auf Salzpapier sind deutlich blasser als die auf Albuminpapier.

Ein Großteil von Grolls Bildern geriet in Vergessenheit, bis im Jahr 2008 etwa 500 Aufnahmen wiederentdeckt wurden. Sie bildeten den Ausgangspunkt für weitere Nachforschung und führten schließlich zu einer ersten Monografie über Groll sowie zur Ausstellung im Haus der Fotografie.

Andreas Groll – Der unbekannte Fotograf. Dům fotografie (Revoluční 5, Prag 1), geöffnet: täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr, Eintritt: 120 CZK (ermäßigt 60 CZK), bis 8. Mai, www.ghmp.cz