Positive Signale
Das politische Jahr 2014 im Rückblick
18. 12. 2014 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: ČTK/Kateřina Šulová
Gefährliche Liebschaften und ein großangelegter Polizeieinsatz im Regierungsamt. Eine Massenamnestie, mit der über 100.000 Straftäter auf freien Fuß kommen. Ein Hochwasser, bei dem 15 Menschen ihr Leben verlieren. Verglichen mit dem Vorjahr musste sich die Sensationspresse 2014 mit weniger aufsehenerregenden Geschichten begnügen. Mit dem Antritt der Mitte-Links-Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka hat sich Tschechien zu Jahresbeginn in ruhigeres Fahrwasser begeben.
Seit längerem hat eine Regierung ihr erstes Jahr ohne Skandale gemeistert und findet deswegen auch innerhalb der Bevölkerung noch breite Zustimmung. Binnen fünf Monaten hatte sie mit Europa-, Kommunal- und Senatswahlen gleich drei Feuerproben zu bestehen, und ließ sich immer als Sieger feiern.
Wie bei den vorgezogenen Neuwahlen im Oktober 2013 sagt ein großer Teil der Tschechen auch heute noch Ja zur Bewegung des mehrfachen Milliardärs und mittlerweile stellvertretenden Regierungschefs Andrej Babiš, der damals versprochen hatte, den Staat wie seine Firma zu führen. Dabei kann auch über ein Jahr später kaum jemand sagen, was er eigentlich anders macht als „gewöhnliche Politiker“.
Zehn Jahre nach dem Beitritt zur Europäischen Union bekennen sich sowohl Staatspräsident als auch Regierung wieder zu Europa. Die Ausnahmeregelung, die Václav Klaus für den Vertrag von Lissabon durchsetzte (um mögliche Forderungen der Sudetendeutschen zu verhindern, trat Tschechien als einziger Mitgliedstaat nicht der EU-Grundrechtecharta bei), gehört inzwischen ebenso der Vergangenheit an, wie die Weigerung, den Europäischen Fiskalpakt zu unterzeichnen. Obwohl Staatspräsident Miloš Zeman mit manchen Aussagen, etwa im Ukraine-Konflikt oder im Verhältnis zu Russland, aus dem Kanon von Brüssel aussteigt: Von der hierzulande immer noch verbreiteten EU-Skepsis kann in Prag keine Rede sein. Doch trotz aller Bekenntnisse: Wann das Land den Euro einführen will, steht noch immer in den Sternen.
Die Besuche der Bundespräsidenten aus Deutschland und Österreich, und davon gab es in diesem Jahr ungewöhnlich viele, geben Grund zur Annahme, dass der abgegriffene Satz von den „besten Beziehungen in der Geschichte“ tatsächlich stimmt. Dafür spricht auch, dass Präsident Zeman seinem deutschen Amtskollegen Joachim Gauck mit dem Orden des Weißen Löwen die höchste Auszeichnung Tschechiens verliehen hat. Großes Aufsehen erregte diese Ehrung hierzulande freilich nicht. Schließlich sind die Tschechen andere Schlagzeilen gewohnt – erst recht von ihrem Staatsoberhaupt.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“