Prag setzt ein Signal
Alte Häuser werden in ein anderes Licht gerückt. Am Donnerstag beginnt in der Altstadt das größte Lichtfest im öffentlichen Raum, das es in der Stadt bislang gegeben hat
16. 10. 2013 - Text: Yvette PolášekText: Yvette Polášek; Foto: Mitch Kern
Chanukka, Diwali, Loi Krathong, das „Luciafest“ oder „Luzernar“– Lichtfeste gibt es seit Menschengedenken und in beinahe allen Religionen und Kulturen. Zu den wohl bekanntesten Lichtfesten der Gegenwart zählt die „Biennale d’art contemporain de Lyon“, die auf Initiative des Lichtplaners Roland Jéol im Jahr 1989 als weltweit erster Lichtmasterplan in Lyon umgesetzt worden ist. Seitdem lässt der französische Künstler alljährlich hunderte Bauwerke in Lyon beleuchten, wo Lichtfeste bereits vor rund 400 Jahren historisch belegt sind. Seinem Vorbild sind zahlreiche europäische Städte gefolgt. Lichtfeste gibt es in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Polen, der Schweiz und Slowenien.
Diesem Beispiel folgt nun die Moldaumetropole, die erstmals für vier Tage während des Signal-Festivals verzaubert wird. Mehr als zwei Jahre Vorbereitung hat das Kunstprojekt in Anspruch genommen. „Die Realisierung war gar nicht so einfach. Einige sehr prominente Institutionen haben sich geweigert, an dem Festival teilzunehmen, indem sie die Nutzung ihrer Gebäudefassaden für ein Video-Mapping nicht gestattet haben“, sagt Martin Pošta, der Direktor des Festivals. „Die wenigsten Probleme hatten wir mit privaten Eigentümern von Immobilien.“
Dennoch ist es gelungen, rund 30 Lichtinstallationen und vier Video-Mapping-Projekte in der Altstadt zu positionieren und somit historische Bauwerke an vier Abenden in ein neues Licht zu rücken. Begleitet werden die Licht-Kunstwerke von surrealem Sound und neuesten Video-Mapping-Technologien, die Prags Zentrum jeweils nach Einbruch der Dämmerung zu einem futuristischen 3D-Stadtmodell verwandeln werden. „Kunst muss nicht immer nur auf der Leinwand stattfinden. Das verdeutlichen Vertreter dieser relativ neuen Kunstrichtung, die erst in den neunziger Jahren entstanden ist“, erläutert Pošta.
Lichtkunst braucht Abstand
Für die Video-Mapping-Installationen konnten internationale Künstler gewonnen werden, unter anderem „Telenoika“ aus Spanien und das belgisch-französische visuelle Label „AntiVJ“. Den „Hyper Cube“, einen mit Licht und Ton ergänzter Würfel, der das Festival am Altstädter Ring am Donnerstag eröffnen wird, gestaltete die französische Künstlergruppe „1024 architecture“. Dabei wird eine eigens von der Gruppe entwickelte Software eingesetzt, um die Lichtbewegungen und ihr Verhalten besser kontrollieren zu können. Ein anderes Video-Mapping gestaltete die russische Künstlergruppe „Sila Sveta“: „Unsere Show ist ein Versuch, eine klassische Kunstebene zu entwickeln, die einen neuen Blickwinkel auf das architektonische Erbe erschließt“, erklären die Künstler.
Auch ein tschechisches Duo konnte gewonnen werden. „Seit die Idee zu dem Festival geboren ist, sind wir dabei“, sagt Amar Mulabegovič, einer der beiden Künstler von „The Macula“. Mulabegovič wirkte auch am Video-Mapping auf die Astronomische Uhr zu deren 600-jährigem Jubiläum mit. „Dieses Mal war die Auswahl des Gebäudes insofern schwierig, da die historischen Gebäude recht nah beieinander stehen und der Zuschauer genügend Abstand zum Gebäude haben muss, um das Lichtkunstwerk auf sich wirken zu lassen. Deshalb haben wir uns für die Kirche der Heiligen Ludmila am Náměstí Míru entschieden.“ Als Ausgangskonzept haben die Künstler jene Projektion verwendet, die sie bereits für das Gebäude des Collegium Maximum im polnischen Toruń entwickelt haben. „Wir nennen unser Kunstwerk Khôra, ein Begriff, der aus dem antiken Griechenland stammt. Platon beschrieb mit ihm einen unendlichen Raum, ein Intervall, dem alle Formen entstammen. Wir arbeiten mit Raum, Intervallen und Licht. Indem wir diese Aspekte verbinden, versuchen wir eine besondere Illusion zu erzeugen, etwas, das wir kennen und zugleich erst noch entdecken müssen“, sagt Mulabegovič.
Konferenz zu Straßenlicht
Auch andere Namen aus der tschechischen Künstlerszene sind beim Signal-Festival präsent. Der Rapper „Vladimir 518“, der Bildhauer Milan Cais, der bildende Künstler Krištof Kintera, die Multimedia-Künstler Jakub Nepraš und František Skála und der Designer Rony Plesl. Insgesamt rund 30 Künstler haben unterschiedliche Lichtinstallationen in der Altstadt vorbereitet. „Die Organisatoren haben sich bemüht, ein breites Spektrum an Teilnehmern anzusprechen. Deshalb freut es mich, dass ich mich auch einbringen darf, denn ich mag die unterschiedlichen Betrachtungsweisen eines Mediums“, erklärt Rony Plesl. Er sei ein introvertierter Mensch, sagt er, und meide öffentliche Plätze für die Präsentation seiner Werke. Für seine Installation habe er den Innenraum der Kirche des Heiligen Martin in der Mauer (kostel sv. Martina ve zdi) gewählt, um nur Interessierte anzulocken und keine Passanten zufällig zu belästigen. „Mein Objekt ist keine Projektion, die wieder verklingt. Sie sollte beständig sein. Aber ich weiß noch nicht, wo sie nach dem Festival installiert werden wird.“
Ein breites Rahmenprogramm begleitet das Lichtfestival. Eingeläutet wird es am Donnerstag mit der internationalen Konferenz „Licht für unsere Städte 2014“, die eine Diskussion über Straßenbeleuchtung in Städten, architektonisches Lichtdesign und neue Technologien im Bereich der Beleuchtung auslösen soll. Für das breite Publikum sind Workshops vorbereitet worden, die auf kreativer Arbeit mit Licht basieren, nächtliche Radtouren, Konzerte am Čertovka-Kanal und Bootsfahrten entlang des Moldauufers. Ein Highlight ist das interaktive Kunstwerk „Cloud“, bei dem die Festivalbesucher selbst bestimmen, wie hell eine aus alten Glühbirnen bestehende Wolke erstrahlen wird.
Signal-Festival, Donnerstag bis Sonntag, 17. bis 20.Oktober, Eintritt frei, weitere Infos: www.signalfestival.com/en
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