Prager Koalition am Ende
TOP 09 strebt nach einem neuen Bündnis mit dem alten Partner, aber auch nach dem Posten des Oberbürgermeisters. Svoboda nennt das einen „miesen Machtkampf“
22. 5. 2013 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: HMP
Prag steht ohne Stadtregierung da. Und das bereits zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode. Die Schwarzenberg-Partei TOP 09, Wahlsieger bei den Magistratswahlen im Oktober 2010, hat die Flucht nach vorn ergriffen und kurzerhand der ODS von Oberbürgermeister Bohuslav Svoboda die Zusammenarbeit gekündigt.
Grund sei ein langwieriges Handlungsdefizit der Bürgerdemokraten. Entscheidende Probleme der Hauptstadt, die Finanzierung des Tunnelkomplexes Blanka oder die Situation der finanziell angeschlagenen Nahverkehrsbetriebe etwa, lägen seit Monaten auf Eis. „Diesen Zustand empfindet die Prager TOP 09 als unhaltbar“, heißt es in einer Pressemitteilung der Partei. Die Zukunft der Stadt sei in Gefahr.
Oberbürgermeister Svoboda sieht das anders. Bereits auf einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche hatte der gelernte Mediziner vor den Machtgelüsten des Koalitionspartners gewarnt. Man sei bemüht darum, seine Position zu schwächen, sagte Svoboda und gab sich kämpferisch: „Ich habe nicht vor, zur Marionette zu werden oder gar zum Komparsen in einer Ein-Parteien-Regierung.“ Die Strategie des Koalitionspartners nennt Svoboda einen „miesen Machtkampf“. Laut der Nachrichtenagentur čtk zweifelt der Oberbürgermeister sogar an, ob die TOP 09 den Koalitionsvertrag tatsächlich gekündigt habe. Offiziell habe ihn niemand darüber in Kenntnis gesetzt.
ČSSD verhandlungsbereit
Vize-Oberbürgermeister Tomáš Hudeček (TOP 09) hatte bereits am Wochenende im Tschechischen Fernsehen ein mögliches Ende der Liaison mit den Bürgerdemokraten angekündigt und seine Drohung laut Angaben aus dem Rathaus am Montag wahr gemacht. Mit dem sofortigen Nachtrag, man strebe eine weitere Zusammenarbeit an, allerdings mit einem neuen Vertrag. Konkrete Forderungen kamen am nächsten Tag auf den Tisch: Die TOP 09 fordert den Posten des Oberbürgermeisters und sieben der insgesamt elf Sitze im Stadtrat. Die ODS lehnt das ab.
Falls es zu keiner Einigung kommt, könnten Verhandlungen mit den Sozialdemokraten folgen. Die hatten in der Vergangenheit bereits mehrfach mit einer Beteiligung an einer TOP-09-geführten Stadtregierung geliebäugelt.
Ein zäher Machtkampf kennzeichnet die gesamte Legislaturperiode im Magistrat. Nachdem die Wähler der ODS 2010 einen Denkzettel in der traditionell bürgerdemokratisch geprägten Hochburg an der Moldau erteilt hatten, einigte sich der große Verlierer zunächst mit den Sozialdemokraten über eine Große Koalition. Die Wähler jedoch protestierten, schließlich hatten sie dem mehrfach unter Korruptionsverdacht geratenen ODS-ČSSD-Geklüngel doch eindeutig eine Absage erteilt. Svoboda war es danach gelungen, einen progressiven Flügel um sich zu scharen und tauschte im November 2011 den Koalitionspartner aus.
Die Mitte-Rechts-Koalition mit der TOP 09 war in den letzten Monaten ins Schwanken geraten. Zunächst hat die Polizei sämtliche Ratsmitglieder – einer Stadträtin ausgenommen – der Verletzung ihrer Amtspflicht bezichtigt. Dazu soll es im Zusammenhang mit dem kritisierten Projekt „Opencard“ gekommen sein. Die Stadträte weisen die Vorwürfe zurück. Man sei durch die Vertragsabschlüsse der vorangegangen Regierung gebunden gewesen. Ende April dann waren zwei Vertreter der ODS zurückgetreten, aufgrund ihrer Unzufriedenheit mit der Koalition. Svoboda sagte damals, die zwei Abgeordneten seien nicht in der Lage gewesen, ihren Platz im transparenten Umfeld der Koalition zu finden.
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