Provokante Konfrontation

Provokante Konfrontation

Das Kunstzentrum DOX widmet sich dem „Wiener Aktionismus“

31. 10. 2012 - Text: Stephanie GerberText: Stepahie Gerber; Foto: DOX

Die Ausstellung „Amor Psyche Aktion – Wien. Das Feminine im Wiener Aktionismus. Hummel Sammlung“ („Amor Psýché Akce – Vídeň. Ženský element ve vídeňském akcionismu. Sbírka Hummel“) stellt eine der provokantesten Kunstbewegungen des 20. Jahrhunderts vor. Der Wiener Aktionismus kämpfte in den 60er und 70er Jahren für mehr individuelle Freiheit und für eine größere interpersonelle und sexuelle Toleranz. Zu den Gründern gehören Hermann Nitsch, Otto Muehl, Günter Brus und Rudolf Schwarzkogler. Diese wollten die ihrer Ansicht nach entstandene Wirkungslosigkeit der modernen Kunst durchbrechen. Durch Provokation und Tabubruch wurde die steife, bürgerliche und konsumorientierte Gesellschaft provoziert. Die Bewegung orientierte sich hier vor allem am amerikanischen Happening- und Fluxus-Stil. Diese Form der Aktionskunst lässt sich durch ein improvisiertes, vom Kunstobjekt losgelöstes Ereignis unmittelbar vor dem Publikum beschreiben. Dabei sollten die Rezipienten durch ihre Reaktionen in den kritischen Akt dieser „Kunsterzeugung“ miteinbezogen werden.

Die Rolle der Frau
Die Ausstellung in Prag zeigt 250 Werke aus der Sammlung des Österreichers Julius Hummel. Das Spektrum will die bisher vernachlässigte – aber bedeutende – Rolle der Frauen in dieser Kunstbewegung umfassen. Die Frau fand sich in den 60er Jahren inmitten einer gesellschaftlichen Revolution wieder, die mit einer Veränderung des politischen und sozialen Umfeldes einher ging. In den Werken wird die feminine sowie androgyne Seite in bewusster und unbewusster Weise dargestellt, ohne dass auf das „gender“-Konzept, wie es in der heutigen Form bekannt ist, zurückgegriffen wird.

Die mit Menschen- oder Tierblut beziehungsweise Farbe verschmierten nackten Körper der Frauen scheinen nur auf den ersten Blick gequält zu werden und passive Opfer zu sein. Im Gegensatz zu vielen heutigen pseudo-provokativen Kunsthandlungen erforderten sie jedoch echten Mut. Das Ziel der Künstler war es nicht nur Skandale zu schaffen, sondern vielmehr die achtsamen Bürger mit ihren Kunstwerken und -Aktionen zu konfrontieren. Die Betrachter sollten dazu gezwungen werden, sich mit fundamentalen und existenziellen Fragen ihrer inneren Wünsche, Traumata und Ängste sowie dem Widerwillen, dies in der Öffentlichkeit zu artikulieren, auseinanderzusetzen. Die Kunstschaffenden versuchten in ihren Bildern, die Höhen und Tiefen des Menschen entgegen der Heuchelei der Gefühle aufzudecken.

Über ein halbes Jahrhundert nach dem Beginn des Wiener Aktionismus zeigt die Ausstellung „Amor Psyche Aktion – Wien“ teils skandalös anmutende Werke, die Gefühle von Unbehagen, Angst, Ekel oder Schamgefühl auslösen. Dabei werden Szenen der Kastration, Strangulation oder wie etwa bei der „5. Aktion“ von Hermann Nitsch ein Ritual mit einem Tierkadaver ausgeführt. Dabei nagelte Nitsch ein frisch geschlachtetes Lamm kopfüber an ein Holzkreuz, schnitt es mit einem Skalpell auf und nahm es aus.

Zusätzlich zu den ausgestellten Arbeiten dokumentieren kurze Filme auf mehreren Monitoren oder Leinwänden die Entstehungsgeschichte einzelner Stücke.

Die Ausstellung ist nur für Besucher über 18 Jahren geöffnet.

„Amor Psyche Aktion – Wien. Das Feminine im Wiener Aktionismus. Hummel Sammlung“, Zentrum für moderne Kunst DOX (Poupětova 1, Prag 7), geöffnet: Mo., Sa./So.: 10–18 Uhr, Mi.–Fr.: 11–19 Uhr, dienstags geschlossen, Eintritt: 180 CZK (ermäßigt 90 CZK), bis 14. Januar 2013, www.dox.cz