Putsch in Etappen
Die Mitglieder der Bewegung Úsvit wollen gegen den Willen ihres Vorsitzenden eine neue Partei gründen
5. 3. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Tomio Okamura/Úsvit
Die Bewegung zählt nur neun Mitglieder. Dennoch hat ein Richtungsstreit innerhalb der rechtspopulistischen „Morgendämmerung der direkten Demokratie“ (Úsvit), die mit 14 Mandaten im tschechischen Abgeordnetenhaus vertreten ist, in den vergangenen Wochen für großes Aufsehen gesorgt. Der Vorsitzende Tomio Okamura sprach von einem Putsch, er und seine Gegner riefen sich gegenseitig dazu auf, aus der Bewegung auszutreten und ihre Mandate niederzulegen. Spekuliert wird außerdem über die Finanzierung von Úsvit und eine mögliche Zusammenarbeit mit dem rechtsextremen französischen Front National.
Wenn es tatsächlich ein Putsch war, dann kam er in Etappen: Am Dienstag vergangener Woche votierten die Mitglieder von Úsvit mit fünf zu vier Stimmen für die Gründung einer neuen Partei. Das Konzept Okamuras für die künftige Ausrichtung lehnten sie ab. Bereits Anfang Februar hatten sich zehn von 14 Mitgliedern der Fraktion für die Gründung einer neuen politischen Partei ausgesprochen, die „nationale Interessen“ vertreten soll. Auch im Vorstand von Úsvit fand der Vorstoß Zustimmung. Der Vorsitzende allerdings ist strikt gegen die Idee: „Sie haben das Programm verraten, sie haben mich und 350.000 Wähler verraten“, kommentierte er das Ergebnis des Mitgliederentscheids.
Okamuras Gegner sehen das erwartungsgemäß anders. Ihrer Meinung nach gehe es um einen Versuch, die Bewegung zu öffnen. Helfen soll dabei unter anderem eine Kooperation mit dem rechtsextremen französischen Front National. Die Verhandlungen, die der Fraktionsvorsitzende Marek Černoch bisher mit der Partei von Marine Le Pen geführt hat, blieben aber ohne Ergebnis. Sie riefen lediglich Widerstand bei der hiesigen Občanská konzervativní strana (OKS) hervor, die dem Namen nach bürgerlich-konservativ ist. Auf der Internetseite der Partei veröffentlichte ihr Vorsitzender Jiří Janeček einen Brief des Front National, aus dem hervorgeht, dass die OKS der offizielle tschechische Partner von Le Pens Gruppierung ist. Doch ist darin nicht ausdrücklich vom „einzigen“ Partner die Rede.
Wie es nun für Okamura und Úsvit weitergeht, bleibt vorerst unklar. Dass er im Richtungsstreit nachgeben wird, darf jedoch als unwahrscheinlich gelten. Am Freitag vergangener Woche erklärte der Vorsitzende, er denke nicht daran, von der Führung der Bewegung Úsvit zurückzutreten. Zu seinen Verbündeten zählt der frühere Fraktionsvorsitzende Radim Fiala. Er rief die Mitglieder, „die diesen politischen Putsch unterstützen“ dazu auf, ihre Mandate niederzulegen. Diese sehen jedoch keinen Grund, sich aus dem Abgeordnetenhaus zu verabschieden: „Es hat keinen Sinn, auf Unsinn, Beleidigungen und Lügen zu reagieren“, antwortete der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Petr Adam.
Zur Zukunft Okamuras erklärte er: „Ich würde anders reagieren als der Vorsitzende“, eine weitere Zusammenarbeit könne er sich jedoch vorstellen. Das will auch Černoch nicht ausschließen. Über eine Abwahl Okamuras wird den Worten des Fraktionschefs zufolge nicht diskutiert. Dafür müssten sich sieben von neun Mitgliedern gegen den Vorsitzenden aussprechen. Derzeit kann Okamura auf vier Unterstützer zählen.
Neue Erkenntnisse über die Hintergründe des angeblichen Putschs erhoffen sich Fiala und Okamura von einer Analyse der Finanzlage ihrer Bewegung, mit der die Mitglieder in der vergangenen Woche eine Kommission unter der Führung des Abgeordneten Jiří Štětina beauftragten. Zuvor hatten sie festgestellt, dass die verfügbaren Mittel bis Ende der Wahlperiode null Kronen seien. Das Ergebnis der Analyse soll bis 20. März vorliegen.
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