Schiff statt Biber
Die EU will das Elbtal schützen – Tschechien den Fluss lieber wirtschaftlich nutzen
2. 3. 2016 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Che/CC BY-SA 2.5
Weil Tschechien einen Teil des Elbtals nicht auf die nationale Liste europaweit geschützter Gebiete aufgenommen hat, droht die EU-Kommission mit einem Verfahren wegen Verstoßes gegen europäische Regeln. Die Regierung lässt sich davon allerdings nicht beeindrucken. Sie stellt wirtschaftliche Interessen über den Schutz von Lachs und Biber. Umweltminister Richard Brabec (ANO) soll die tschechischen Argumente nun in Brüssel erklären.
Die Regierung hatte im Februar entschieden, die Gebiete bei Hřensko und Přelouč im Elbtal nicht, wie von der Kommission seit mehreren Jahren gefordert, auf die nationale Liste zu setzen. Diese entstand 2005 und wurde seitdem zweimal ergänzt. Die EU-Kommission bewertete sie zuletzt vor vier Jahren neu. Bereits damals forderte sie Tschechien auf, sieben weitere besonders schützenswerte Gebiete aufzunehmen, darunter das Elbtal von der deutschen Grenze bis zur Mündung der Eger bei Litoměřice.
Dem kam die Regierung nicht in vollem Umfang nach. Die Minister stimmten mehrheitlich gegen den Vorschlag, das gesamte geforderte Gebiet aufzunehmen. Am Donnerstag habe die Kommission daher beschlossen, das Land zu ermahnen, weil das europäische Schutzgebiet Natura 2000 in Tschechien nicht ausreichend erweitert worden sei, so Brabec. Die Regierung habe zwei Monate Zeit zu erklären, weshalb sie die Gebiete nicht aufgenommen hat.
Kann sie die Kommission nicht überzeugen, droht die erste Phase eines mehrstufigen Verfahrens, das bis zum Europäischen Gerichtshof gehen und auch finanzielle Strafen für Tschechien zur Folge haben könnte. Denkbar wäre zum Beispiel, dass Fördergelder gekürzt werden. Die Vorstufe zu diesem Prozess, ein sogenanntes Pilotverfahren, läuft in der Angelegenheit schon mehrere Jahre. Mit dem Aufruf an die Regierung, Stellung zu nehmen, macht die EU-Kommission nun den nächsten Schritt. Sie will das Elbtal schützen, weil dort unter anderem Lachse und Biber leben. Deren Interessen sind jedoch nicht mit den Anliegen von Bauträgern und -unternehmen vereinbar. Bei Děčín wird schon seit mehr als 20 Jahren der Bau eines Wehrs geplant und bei Přelouč soll ein künstliches Flussbett entstehen, um die Schiffbarkeit der Elbe zu verbessern.
„Es ist in unserem Interesse, dass das Elbtal wirtschaftlich genutzt wird und die Schiffbarkeit des Flusses erhalten bleibt“, sagte Premierminister Bohuslav Sobotka (ČSSD). „Wir nehmen die Elbe als wichtigen alternativen Verkehrsweg in diesem Gebiet wahr.“ Er wies darauf hin, dass in den vergangenen Jahrzehnten „erhebliche öffentliche Gelder“ aufgewendet worden seien, um die Schiffbarkeit der Elbe in Tschechien zu verbessern. Das sei einer der wichtigsten Gründe für die Regierung gewesen, das Elbtal nicht auf die Liste zu schreiben. Nun sei es die Aufgabe des Umweltministers, der EU-Kommission diese Argumente zu vermitteln, so der Premier.
Bis Ende März soll Brabec der Regierung vorschlagen, wie ein mögliches Verfahren abgewendet werden kann. Allzu groß ist die Gefahr, dass Tschechien verurteilt wird, aber wohl nicht. In den vergangenen Jahren konnten mehr als 85 Prozent solcher Streitfälle in allen EU-Staaten gelöst werden, ohne dass das Gericht einschreiten musste.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“