Schnecken statt Gans
Schon in der Ersten Republik galten die Weichtiere in Böhmen und Mähren als Spezialität – langsam kehren sie zurück
16. 12. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: APZ
Schneckenfleisch. Manche schüttelt es allein beim Gedanken daran, andere schätzen es als Delikatesse. In Tschechien kommen offenbar immer mehr Menschen auf den Geschmack der schleimigen Tiere. Dutzende Schneckenfarmen gibt es hierzulande, einige davon verarbeiten das Fleisch direkt zu Pastete und anderen Spezialitäten. Viele Betriebe exportierten jedoch den Großteil der Produktion, sagt Radek Koňárek – auch deshalb habe sich Barkona Snails, dessen Miteigentümer er ist, auf den heimischen Markt spezialisiert.
Auf die Idee, Schnecken professionell zu züchten, kam Koňárek vor ein paar Jahren, als er für seine Kinder ein Schneckenterrarium baute. „Sie haben sich exponentiell vermehrt“, erinnert sich Koňárek. Er informierte sich über Schneckenkaviar und begann mit der Zucht der Helix aspersa maxima, einer Unterart der Gefleckten Weinbergschnecke.
Seit etwa einem Jahr betreibt das Unternehmen nun die Schneckenfarm am Stadtrand von Olomouc. Die Nachfrage in Tschechien steigt, vor allem in der Vorweihnachtszeit bekommen die Züchter immer mehr Bestellungen. Koňárek führt das auf Festivals und Bauernmärkte zurück, auf denen Hersteller den Kunden ihre Produkte direkt anpreisen können, aber auch auf eine wiederentdeckte Tradition. Delikatessen aus Schneckenfleisch hätten bereits zur Zeit der Ersten Republik in mancher Familie zum festlich geschmückten Weihnachtstisch gehört. Noch früher hielt die Schriftstellerin Magdalena Dobromila Rettigová (1785–1845) Rezepte mit Schnecken in ihrem Buch „Altböhmische Kochkunst“ fest.
„Die Menschen kommen langsam wieder auf den Geschmack. Sie kaufen Schnecken zum Beispiel zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen. Oder wenn sie ihre Liebsten mit etwas Besonderem überraschen wollen“, so Koňárek. Seinen Worten zufolge steigt auch die Zahl der Tschechen, die regelmäßig Schnecken verzehren. „Wir beobachten das an unserem Stand auf dem Weihnachtsmarkt in Olomouc, den wir dieses Jahr zum zweiten Mal betreiben. Nach anfänglichen Bedenken kommen die Leute immer wieder.“
Barkona Snails kaufte in den vergangenen zwölf Monaten etwa 100.000 Weinbergschnecken und verarbeitete sie zu „Delikatessen“. Außerdem züchtet das Unternehmen auf seiner Farm tausende afrikanische Schnecken, aus deren Eiern es Kaviar herstellt. Bisher vermarktet es die gesamte Produktion im Inland. Die Firma beliefert Restaurants, Weinhändler und Feinkostläden und bietet ihre Waren übers Internet an. Zwölf Schnecken in Gemüsebrühe gibt es zum Beispiel für 129 Kronen (knapp fünf Euro), 60 Schnecken Burgunder Art für 719 Kronen (knapp 27 Euro). Wer es traditionell tschechisch mag, der bekommt auf den Weihnachtsmärkten in Brünn und Olomouc Schneckensuppe mit Schneckenknödeln.
Ob die Tschechen nun wohl zu begeisterten Schneckenessern werden, am Ende sogar den Franzosen Konkurrenz machen? Koňárek teilt seine Landsleute in drei Gruppen ein, wenn es um ihr Verhältnis zum Verzehr von Schnecken geht. „Die erste Gruppe lehnt Schneckenfleisch von vornherein ab. Dann gibt es Leute, die es lieben. Und am größten ist die Gruppe derer, die Hemmungen haben und nicht wissen, ob sie mal probieren sollten oder nicht.“ Entscheiden sie sich schließlich dafür, meint der Geschäftsmann, dann sei „die große Mehrheit entzückt“ vom Geschmack der schleimigen Weichtiere.
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