Schreckgespenst oder Neuwahlen

Schreckgespenst oder Neuwahlen

Die Koalitionsgespräche zwischen ANO und Sozialdemokraten scheitern an der Rolle von Andrej Babiš. Nun soll Präsident Zeman den Weg aus der politischen Krise weisen

6. 4. 2018 - Text: Marcus Hundt

Mitte Oktober wollten die Bürger in Tschechien eine neue Regierung wählen. Ein halbes Jahr später warten sie immer noch auf sie. Und daran wird sich bis auf Weiteres auch nichts ändern. Die Sozialdemokraten (ČSSD) wollen eigenem Bekunden nach „kein Feigenblatt der Regierung von Andrej Babiš“ sein und brachen am Donnerstagabend (5. April) die mehrere Wochen andauernden Koalitionsgespräche mit der Partei des früheren Finanzministers ab.

ANO habe sich gegen eine stabile Regierung entschieden, erklärte der stellvertretende Parteivorsitzende Jiří Zimola am Freitag, nachdem der ČSSD-Vorstand das Ende der Verhandlungen offiziell bestätigt hatte. „Nicht die ČSSD ist für das Scheitern der Gespräche verantwortlich, sondern die Bewegung ANO, die nicht imstande war, auch nur einen Zentimeter von ihren Bedingungen abzuweichen.“ Gleichzeitig wies Zimola den zuvor von Babiš geäußerten Vorwurf zurück, den Sozialdemokraten sei es in den Verhandlungen ausschließlich um den Posten des Innenministers für Parteichef Jan Hamáček gegangen: „Für mich ist das nur ein Marketing-Trick, der im Grunde genommen nur eine Sache verschleiern will: die Strafverfolgung des höchsten Regierungsvertreters.“

Seit Beginn der gemeinsamen Gespräche Ende Februar stellte der geschäftsführende Premier, gegen den noch immer wegen möglichen Subventionsbetrugs ermittelt wird, das größte Problem für eine Einigung dar. Die Sozialdemokraten hatten Babiš von Anfang an zur Persona non grata erklärt, die keiner Regierung vorstehen dürfe. Da an dieser Personalie jedoch nicht zu rütteln war, wollte sich die ČSSD zumindest das Innen- oder Finanzministerium sichern, um „unabhängige Ermittlungen“ gegen den ANO-Chef zu gewährleisten. Doch auch hier erfolgte keine Übereinkunft. Hingegen hätten auf inhaltlicher Ebene, so hieß es zuletzt aus Verhandlungskreisen, zu keiner Zeit „unüberbrückbare Gegensätze“ bestanden.

Politische Beobachter können sich vorstellen, dass Babiš nun auf die am äußersten rechten Rand angesiedelte Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) von Tomio Okamura zugeht. Deren Unterstützung gilt – wie auch die der Kommunisten (KSČM) – als sicher. Allerdings hatte Babiš nach der verlorenen Vertrauensabstimmung seiner Minderheitsregierung im Januar seine Zweifel an einer Duldung durch diese beiden Parteien angemeldet.

Politologen und führende Politiker schließen auch vorgezogene Neuwahlen nicht aus. Dazu gehört etwa der Chef der Piratenpartei Ivan Bartoš, der Babiš vorwirft, er habe bei den Koalitionsgesprächen mit den Sozialdemokraten nach dem Motto „The winner takes it all“ verhandelt. Der Wahlsieger selbst legt das weitere Vorgehen nun in die Hände von Staatsoberhaupt Zeman. „Der Standpunkt des Präsidenten ist für mich – und selbstverständlich auch für unsere Fraktion – grundlegend“, sagte Babiš am Freitagabend im Tschechischen Fernsehen (ČT). Zum wiederholten Male bezeichnete er den früheren Regierungschef und Vorsitzenden der Sozialdemokraten als „sehr erfahrenen Politiker“.

Das Treffen zwischen Babiš und Zeman soll am Dienstag (10. April) stattfinden. Die vom ANO-Chef so geschätzten Standpunkte sind indes bekannt: Neuwahlen als Ausweg aus der politischen Krise hatte der im Januar wiedergewählte Präsident zuletzt immer wieder abgelehnt. Und auch aus seiner Sympathie für den SPD-Vorsitzenden Okamura macht der 73-Jährige keinen Hehl.