Schwarzenbergs falsche Strategie
Politikwissenschaftlerin Vladimíra Dvořáková über folgenschwere Fehler im Wahlkampf
30. 1. 2013 - Interview: Marcus Hundt
Was hat Ihrer Meinung nach die Wahl zugunsten Miloš Zemans entschieden?
Dvořáková: Eine professionelle Kampagne, die klar auf konkrete Wählergruppen ausgerichtet war. Zeman ist es gelungen, ein breites Spektrum abzudecken und sowohl linke als auch rechte, europaskeptische und pro-europäische Wähler anzusprechen. Er hat es verstanden, das Regierungsengagement seines Kontrahenten – die Regierung ist äußerst unbeliebt – und jeden Fehler, den Schwarzenberg gemacht hat, für sich auszunutzen.
Welche Rolle spielten dabei die Äußerungen Schwarzenbergs zur Vertreibung der Sudetendeutschen?
Dvořáková: Ich denke nicht, dass sie im Wahlkampf eine Schlüsselrolle gespielt haben. Aber die Diskussion darüber hat ganz klar Zemans Strategie aufgezeigt. Schwarzenbergs Team hat sich auf eine emotive Mobilisierungskampagne konzentriert, die darauf angelegt war, sich der bereits überzeugten Wähler zu vergewissern. Man hat sich nicht überlegt, wie man die unentschiedenen Wähler für sich gewinnen kann – also auch diejenigen, die potentiell Schwarzenberg ihre Stimme gegeben hätten, aber letzten Endes zuhause geblieben sind. Der Inhalt der Kampagne ist nicht professionell vorbereitet worden. Die Frage nach den Beneš-Dekreten war zu erwarten und hätte einer professionell vorbereiteten Antwort bedurft, die jedoch ausgeblieben ist.
Es folgten ständige Richtigstellungen dessen, was eigentlich gesagt und nicht gesagt wurde. Und Zeman nutzte das natürlich aus. Die Aussage über Beneš, er würde heutzutage in Den Haag landen, war ziemlich heftig und – darum geht es – in diesem Wahlkampf komplett überflüssig. Schwarzenberg hat es nicht geschafft, ein Thema für sich zu besetzen, mit dem er sich profilieren konnte.
Wie erklären Sie sich die großen Unterschiede zwischen dem Wahlverhalten in den Städten – vor allem in Prag landete Schwarzenberg klar vor Zeman – und den ländlichen Regionen? Im mährischen Landesteil stimmten über 62 Prozent für Zeman.
Dvořáková: Die Ergebnisse spiegeln zum einen die unterschiedliche soziale Situation wider und zum anderen die Tatsache, dass sich die Mehrheit der Intellektuellen, Künstler, Manager und in Prag arbeitenden Unternehmer nicht den wachsenden Spannungen im Land bewusst ist. Sie wissen nichts über die Situation vieler Mitbürger, die in die Schuldenfalle geraten sind, deren Existenz bedroht ist – und das auch wegen Betrügern, die es verstehen, schlecht verfasste Gesetze für eigene Zwecke auszunutzen.
Was können wir vom neuen tschechischen Präsidenten erwarten?
Dvořáková: Zweifelsohne eine sehr aktivistische Politik, die sich an der Grenze seiner verfassungsrechtlichen Befugnisse bewegt, diese vielleicht auch überschreiten wird – aber das hat hierzulande schon Tradition. Eine gewisse Zusammenarbeit mit Václav Klaus – eine Unterstützung bei dessen Rückkehr in die Politik ist nicht auszuschließen, und das Bestreben, die tschechische Sozialdemokratie unter seine Kontrolle zu bekommen.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“