Schwebend spazieren
In drei tschechischen Städten bieten Seilbahnen eine Alternative zum Straßenverkehr
23. 3. 2016 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: Fórum Ústí nad Labem
In einer Gondel über den Fluss schweben oder aus der Vogelperspektive auf Straßen und Dächer blicken: Was nach Urlaub klingt, gehört in Ústí nad Labem (Aussig), Karlovy Vary (Karlsbad) und Prag seit vielen Jahren zum Alltag. In allen drei Städten bieten Seilbahnen eine Alternative zu Bus, Bahn und Auto. Während die Prager Standseilbahn auf dem Petřin (Laurenziberg) nach sieben Monaten Reparatur am 8. April wieder in Betrieb gehen soll, starten die Gondeln in Ústí nad Labem und Karlovy Vary Anfang April wie gewohnt nach der Frühjahreswartung in die Sommersaison.
Die jüngste und zugleich längste Seilbahn Tschechiens ohne freistehende Stützen verbindet das Schloss Větruše auf der Ferdinandshöhe oberhalb der Elbe mit dem Einkaufszentrum in Ústí nad Labem. Zwei Minuten benötigt die Bahn, um die 330 Meter zurückzulegen. Ihr Bau dauerte knapp ein Jahr und wurde gegen den Widerstand mehrerer Anwohner durchgesetzt. Seit Dezember 2010 können jeweils 15 Personen alle Viertelstunde über die Elbe reisen. Die Seilbahn wird von den Verkehrsbetrieben der Stadt unterhalten. Wie der Sprecher des Unternehmens Luboš Heřman in der vergangenen Woche mitteilte, sank das Interesse an einer Fahrt im vorigen Jahr. Insgesamt wurden knapp 195.600 Fahrgäste gezählt, 780 weniger als im Vorjahr. Mehr Passagiere will das Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Stadt anlocken, indem es Veranstaltungen in der Umgebung des Schlosses anbietet. Mit seinem Spiegellabyrinth, den Spiel- und Tennisplätzen sowie einem Restaurant ist das Schloss zu einem beliebten Ausflugsziel geworden.
Eine lange Seilbahn-Tradition gibt es in Karlovy Vary. Die erste von drei Strecken wurde im Mai 1907 eröffnet. Die 117 Meter lange Route führte vom Theaterplatz im Stadtzentrum (Divadelní náměstí) zum Hotel Imperial. Bis 1955 brachten hölzerne Waggons die Passagiere im Sommer auf Schienen zu dem Luxushotel. Im Jahr 1961 wurden die Holzkabinen durch Vollmetallgehäuse ersetzt. Seit 1987 verkehrt die Bahn ganztags alle 15 Minuten. Eine zweite Standseilbahn führte ebenfalls zum Hotel hinauf, jedoch von der anderen Seite. Sie wurde im Juni 1912 in Betrieb genommen. Die etwa 126 Meter lange Verbindung überstand beide Weltkriege, musste 1959 aufgrund ihres schlechten Zustands aber eingestellt werden.
Eine weitere Seilbahn erhielt die Kurstadt im Jahr 1908. Auf einer Strecke von 417 Metern verbindet sie noch heute das Grandhotel Pupp mit dem Aussichtsturm Diana auf der Freundschaftshöhe (Výšina přátelství). Etwa 40 Personen fassen die Gondeln, die von einem Privatunternehmen betrieben werden. Mit dem Bau einer vierten Standseilbahn zum Dreikreuzberg (Vrch Tři kříže) wurde im Jahr 1913 begonnen. Sie konnte jedoch nicht vollendet werden, da der Erste Weltkrieg ausbrach.
Die landesweit erste und wohl bekannteste Standseilbahn startete 1891 in Prag. Ihr Bau wurde anlässlich der Jubiläumsausstellung auf dem Messegelände in Holešovice angeregt. Auf die Idee kamen Mitglieder des Tschechischen Touristenclubs. Nachdem sie 1889 nach Paris gereist waren, beschlossen sie, auf dem höchsten Punkt des Petřín eine Miniaturversion des Eiffelturms errichten zu lassen. Da sie den Weg dorthin von der Innenstadt für zu lang hielten, planten sie auch eine Seilbahn. Als Beitrag zur Landesjubiläumsausstellung wurde sie als Laurenziberg-Drahtseilbahn zusammen mit dem Aussichtsturm auf dem Petřín, der Letná-Standseilbahn sowie der Letná-Straßenbahn eröffnet.
Die Wassergewichtsseilbahn ohne Antriebsmaschine beförderte die Fahrgäste bis 1916 von der Prager Kleinseite hinauf auf den Hügel. Danach wurde sie elektrifiziert und ging erst 1932 wieder in Betrieb. Nochmals modernisiert wurde die Bahn in den Jahren 1981 bis 1985. Seitdem gehört sie der Stadt und bringt als Bestandteil des öffentlichen Nahverkehrs Einheimische und Touristen auf den Petřín. Da die Seilbahn einen außergewöhnlichen Blick auf die Prager Burg freigibt, ist sie für viele Besucher zu einer Attraktion geworden.
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