Schweren Schrittes nach Brasilien
Die tschechische Nationalelf hat Probleme in der WM-Qualifikation
17. 10. 2012 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: AP Photo/A. Niedringhaus
Es ist wahrlich keine einfache Qualifikationsgruppe, die die tschechischen Fußballer voriges Jahr in Rio de Janeiro zugelost bekamen. In der Europagruppe B muss sich das Team von Nationaltrainer Michal Bílek gegen Italien, Dänemark, Bulgarien, Armenien und Malta durchsetzen und mindestens den zweiten Platz erreichen, will es an der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien dabei sein. Dieser Rang würde zur Teilnahme an den Relegationsspielen berechtigen, als Erster wäre man direkt qualifiziert.
Im ersten Spiel Anfang September konnte man den Dänen in Kopenhagen ein 0:0-Unentschieden abringen. Es war vom Resultat her ein gelungener Auftakt. Den starken Skandinaviern auswärts einen Punkt abzutrotzen, ist keine einfache Sache. Schaut man sich das „Wie“ allerdings etwas genauer an, so relativiert sich der erste gute Eindruck. Über 90 Minuten schafften es die Tschechen höchst selten, gefährlich vor das gegnerische Tor zu kommen. Ansehnliche Kombinationen waren Mangelware.
Die Partie war von viel Kampf und Taktik geprägt; unter dem Strich kam eine etwas glückliche Punkteteilung zustande. Auch Bílek musste festhalten, dass er und sein Team sich am Ende bei Weltklasse-Torhüter Petr Čech bedanken konnten, dass man keine Gegentreffer hinnehmen musste. Die Europameisterschaft von vergangenem Sommer in Polen und der Ukraine scheint weiter in der Vergangenheit zu liegen als die wenigen Monate, die es eigentlich sind. In den Gruppenspielen in Breslau gelangen der Elf gegen Griechenland und den nördlichen Nachbarn zwei Siege, nachdem man die Eröffnungspartie gegen Russland deutlich mit 1:4 verloren hatte. Was damals positiv hervorgehoben wurde, verwischte allerdings auch den Blick auf die Defizite im Spiel der Mannschaft. Herausragende Leistungen von einzelnen Spielern wie Petr Jiráček oder Vacláv Pilař sowie eine hohe Lauf- und Zweikampfbereitschaft verdeckten die Probleme im spielerischen Segment. Der Gruppensieg und die Viertelfinal-Teilnahme waren ein etwas gar hoher Lohn für eine insgesamt mittelmäßige Leistung. In der Runde der letzten Acht hatte man dann gegen die starken Portugiesen nicht mehr viel zu bestellen.
Fehlende Kreativität
Nun ist Fußball ein Tagesgeschäft – was gestern Bestand hatte, muss heute nicht mehr viel bedeuten. Und in der Tat, das Team schafft es zur Zeit nicht, überzeugenden Fußball zu spielen. In einem Freundschaftsspiel im September verlor man daheim sogar gegen harmlose Finnen mit 0:1. Da hilft der Verweis des Trainers, dass man ohne den verletzten Spielmacher und Kapitän Tomáš Rosický auskommen muss, auch nicht weiter. Im Zentrum stehen mit Jaroslav Plašil, Tomáš Hübschman, František Rajtoral und Petr Jiráček genug Spieler mit internationaler Erfahrung und technischen Fertigkeiten auf dem Platz. Sein Leistungsvermögen kann das Quartett allerdings nicht vollständig abrufen. Ob es am System (abwechselnd ein 4-4-2 beziehungsweise ein 4-2-3-1 mit Jiráček als zentralen Mann im offensiven Mittelfeld) oder an den Formschwächen seiner Mitglieder liegt, ist schwer zu erörtern. Auffallend ist, dass Jiráček seit der EM und trotz seines Wechsels von Wolfsburg zum Hamburger SV in einem Tief steckt. Zudem ist er eher ein klassischer Sechser und kein Zehner. Vacláv Pilař war lange verletzt und befindet sich im Aufbau – seine wirblige Schnelligkeit fehlt der Mannschaft. So sind im Spiel zu selten kreative, überraschende Elemente auszumachen. Die einzigen effektiven Offensivwaffen Bíleks scheinen die Außenläufer David Limberský und Theodor Gebre Selassie zu sein.
Effektive Flügelzange
Letzterer war es denn auch, der seine Mannschaft im zweiten Qualifikationsspiel von vergangenem Freitag in Pilsen gegen Malta in Führung schoss – dies auf herrliche Vorarbeit von Limberský. Für die weiteren Tore zum 3:1-Sieg nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich der Malteser sorgten Nürnbergs Stürmer Tomáš Pekhart und Jan Rezek von Anarthosis Famagusta aus Zypern. Es waren zweifelsohne verdiente drei Punkte, die in Tschechien blieben; dies aber auch gegen den vermeintlich schwächsten Gegner der Gruppe.
Auch wenn es heute gerade auf internationalem Parkett zu den Standardsätzen gehört, dass es keine kleinen und einfachen Gegner mehr gibt, so war der Sieg gegen die Auswahl vom Inselstaat nichts anderes als Pflicht. Die Stunden der Wahrheit für das tschechische Team kommen erst noch. So empfing man die Bulgaren am Dienstagabend in Prag zu einem wegweisenden Duell mit einem direkten Kontrahenten. Bílek ließ zum ersten Mal in seiner Amtszeit und seit 33 Spielen nacheinander dieselbe Elf auflaufen. Im Sparta-Stadion schaffte es die tschechische Elf aber nicht wie vier Tage zuvor, den Abwehrriegel des Gegners zu knacken. Das Team agierte zu phantasielos, umständlich und mit zu wenig Tempo. Bulgariens Torhüter Bezborodov musste kaum ernsthaft eingreifen. Das Spiel endete torlos.
Wollen die Tschechen im nächsten Jahr ein gewichtiges Wort um die Vergabe der Plätze an der (brasilianischen) Sonne mitreden, werden sie ein variantenreicheres Spiel zeigen müssen. Die nächsten Spiele stehen erst im März 2013 an, bis dahin sollten Tomáš Rosický und Vacláv Pilař wieder fit sein. Dieser Gedanke dürfte auch Coach Bílek etwas beruhigen.
Rangliste der WM-Qualifika-tionsgruppe B nach dem 4. Spieltag:
1. Italien 4 Spiele10 Punkte
2. Bulgarien 4 Spiele6 Punkte
3. Tschechien 3 Spiele5 Punkte
4. Armenien 3 Spiele3 Punkte
5. Dänemark 3 Spiele2 Punkte
6. Malta 3 Spiele0 Punkte
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