Schweres Beben
Mit queeren Themen hinterfragt das „Mezipatra“ gängige Rollenbilder
4. 11. 2015 - Text: Katharina WiegmannText: Katharina Wiegmann; Foto: „Eisenstein in Guanajuato“/Mezipatra
Ein Berg von einem Mann sitzt in einem Winkel des Stahlwerks von Králův Dvůr (Königshof). Er raucht und starrt dabei erschöpft ins Leere. Ein maskulines Klischee. Dann fällt sein Blick auf einen zweiten Arbeiter in der Halle, der sich beim Stahlgießen abmüht. Der Raucher steht auf, um seinem Kollegen zu helfen. Die Atmosphäre in der düsteren Halle verändert sich, wird plötzlich von einer Spannung zwischen den beiden gefüllt, als sich ihre Hände berühren. „Die Tage, die die Welt erschütterten“ („Dny, které otřásly světem“) lautet das diesjährige Motto des „Mezipatra Queer Film Festival“, das der Trailer zum Festival in dieser Szene verdichtet. Von 5. bis 11. November flimmert es in Prag über die Leinwände der Kinos Lucerna und Světozor, danach reist es bis 18. November weiter nach Brünn.
Das „Mezipatra“ widmet seine Filmauswahl queeren Themen und Menschen: Lesben, Schwulen, Transgender – sowie allen anderen, die nicht in traditionelle Rollenbilder passen, die sich gängigen Normen und Wertvorstellungen widersetzen. Es geht um innere Beben, Konflikte aber auch um ungewollte Konfrontationen mit der Mehrheitsgesellschaft, die sich in vielen Ländern mit der Akzeptanz unkonventioneller Geschlechteridentitäten schwertut.
Das Festival-Motto ist auch eine Hommage an den legendären sowjetischen Filmemacher Sergei Eisenstein, der in seinem Werk „Oktober. 10 Tage, die die Welt erschütterten“ die russische Revolution rekonstruierte. In Prag wird Eisenstein auf der Leinwand des Kinos Lucerna wiederauferstehen (6. November, 18 Uhr und 10. November, 20 Uhr): In dem Film „Eisenstein in Guanajuato“ lässt der britische Regisseur Peter Greenaway den Russen für Dreharbeiten ins Mexiko der dreißiger Jahre reisen und physische wie philosophische Grenzerfahrungen sammeln.
Neben Spiel- und Kurzfilmen zeigt „Mezipatra“ auch Dokumentationen wie „Ein Sünder in Mekka“ (Kino Světozor, 6. November, 18.15 Uhr). Der bekennende homosexuelle Filmemacher Parvez Sharma will, wie jeder Muslim es einmal im Leben tun sollte, nach Mekka pilgern. Allein: Sein Wallfahrtsort liegt in Saudi Arabien, einem Land, in dem Homosexualität mit dem Tode bestraft werden kann.
Neben 66 Filmvorführungen organisiert das Team von „Mezipatra“ auch Diskussionen mit internationalen Gästen wie dem burmesischen Aktivisten Aung Myo Min, der über Menschenrechte in seiner Heimat sprechen wird (Institut Français, 9. November, 18 Uhr). Und natürlich wird getanzt und gefeiert: Zum Sound verschiedener DJs soll schließlich auch die Tanzfläche des Cafés Lucerna zum Beben gebracht werden (5. bis 7. & 11. November).
Mehr Informationen unter www.mezipatra.cz/en
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?