Smíchov für Nachtschwärmer
Jenseits der Hauptstraßen finden Gäste Feier-Lokale bis zum Morgen
21. 8. 2013 - Text: Klaus HanischText: Klaus Hanisch; Foto: aktron/wikimedia commons
Warum immer nur mit Touristen im Prager Zentrum feiern? Oft ist die Stimmung in den Stadtteilen noch einen Tick ausgelassener. In jedem Fall aber authentischer, weil dort fast nur Einheimische jeden Alters feiern – und nicht selten bis in die frühen Morgenstunden. Denn es sind nicht unbedingt die Zentren und schon gar nicht die Hauptstraßen, in denen sich eine Großstadt als Metropole für Nachtschwärmer erweist. Am wenigsten in Prag. Gerade abseits viel begangener Pfade finden sich hier Ziele, in denen man die Nacht zum Tag machen kann. Besonders gastfreundlich und auch trinkfreudig ist der fünfte Stadtbezirk, speziell Smíchov. Hauptverkehrsadern sind hier die Štefánikova und die Nádražní. Sie vereinen sich mit Plzeňská und Lidická auf dem großen Anděl-Platz. Dort sind unzählige Restaurants und Bars täglich geöffnet. Doch die meisten schließen unter der Woche bereits gegen 23 Uhr. Anders ist das in den Nebenstraßen von Anděl. Zum Beispiel in der „Na Bělidle“, einer kleinen Straße, die nach der Geisterstunde zu einem El Dorado für nächtliche Streifzüge wird.
Back Doors (Na Bělidle 30)
„Mehr als 300 Flaschen“, sagt der Barmann stolz und weist mit der Hand über die imponierende Auslage hinter ihm. Er steht im „Back Doors“, einer Music-Bar in einem der für Prag typischen steinernen Kellergewölbe. Sie verfügt über einen kleinen Dancefloor, sogar einen VIP-Raum, besondervor allem aber über eine gewaltige Theke. Dorthin kommen in der Regel „Gäste ab 30 und eigentlich nur Prager“, erläutert der Barkeeper. Die Folge des riesigen Angebots ist eine Karte, die genauer gesagt ein komplettes Buch darstellt. Darin werden etwa 250 Cocktails und Drinks aufgelistet. In alphabetischer Reihenfolge von A wie Akcident bis Z wie Zombie. Auch das Bier ist hier ungewöhnlich, es entspringt einer eisgekühlten Zapfanlage und ist daher selbst beim letzten Schluck noch frisch. Unter der Woche fließt es bis 1 Uhr, am Wochenende auch gerne mal bis 3. Nur am Sonntag bleiben die Türen geschlossen.
U Bílého Lva (Na Bělidle 30)
Um eine ausreichende Grundlage für das „Back Doors“ zu schaffen, lohnt sich zuvor ein Besuch im böhmischen Gasthaus „U Bílého Lva“ („Zum weißen Löwen“) im Erdgeschoss des gleichen Hauses. Das rustikale Lokal gibt es bereits seit 1889, damit ist es wohl das älteste in Smíchov. Als Spezialitäten bezeichnet der in Österreich ausgebildete Koch selbst seine böhmischen Gerichte: Gulasch, Ente, Rippchen und die anderen Klassiker. Aber: Er hält „im Prinzip nur für Touristen“ eine größere Karte mit Steaks bereit, die wegen ihrer Güte unbedingt beachtet werden sollten. Als kleine Zugabe zu einem Staropramen ist das „Fleischtöpfchen“ mit verschiedenen Sorten Fleisch für 49 Kronen zu empfehlen. Das Lokal ist täglich von 11 bis 24 Uhr geöffnet (Küche bis 23 Uhr), freitags spielt eine Band. Es gibt einen separaten Nichtraucherraum, der freilich durch eine offene Tür mit dem Lokal verbunden ist.
Pivnice U Mejly (Na Bělidle 36)
Keine 50 Meter davon entfernt liegt das „Mejla“, eine kleine und fast intime Sportbar, bestens geeignet für Fußball- und Eishockey-Übertragungen. Bei wichtigen Champions-League-Spielen oder Eishockey-Partien kehrt dort oft ein internationales Publikum ein, das die Begegnungen mit viel Emotionen auf drei großen Bildschirmen in drei kleinen Räumen verfolgt. Mittlerweile kann man im „Mejla“ nicht mehr nur bis Spielende trinken, sondern sogar bis zum persönlichen Abpfiff. Denn das Lokal ist nun „nonstop“ geöffnet. Allerdings liegt bei sportlichen Großereignissen (und sowieso immer) nicht nur Spannung in der Luft, sondern auch nebliger Zigarettenqualm – sowohl die Sportler auf den Fernsehgeräten als auch die Besucher im Lokal brauchen also einen langen Atem.
Blok (Náměstí 14. října 10)
Wer für eine nächtliche Tour dagegen reine Luft bevorzugt, ist ein paar Häuser weiter besser aufgehoben. Das Lokal „Blok“ war früher eine beliebte Studentenkneipe, weshalb Gästen noch vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls eine Rauchvergiftung drohte, sofern sie zu lange blieben. Davon ist rein gar nichts mehr zu riechen. „Blok“ ist jetzt eine Nichtraucherbar. Nach wie vor besetzt ein junges Publikum die etwa 350 Plätze, von denen viele an manchen Tagen reserviert sind. Das Speiseangebot ist umfangreich, die Bedienung preist gerne ihre „Marinate Pork Ribs“ (500 Gramm zu 155 Kronen) als herausragend an. Gleichwohl kommen etliche Gäste nur auf ein Bier, auch auf ein alkoholfreies. Weil sich jeden Tag so viele Besucher einfinden, hat es der Betreiber nicht nötig, sie länger als bis 1 Uhr (sonntags und montags nur bis 24 Uhr) zu bewirten. Nicht so lange wie im „Mejla“, dafür aber in einer Luft, die gerade im rauchgeschwängerten Prag einer Meeresbrise gleicht.
Die ideale Ergänzung dazu steht im Keller. Dort laden steile Kletterwände mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden dazu ein, sich vor Nachtausflügen ausreichend in Form zu bringen. Für den Modesport Bouldern war das „Blok“ ein Vorreiter in der Tschechischen Republik. Geklettert werden kann während der Woche von 12 bis 23 Uhr, am Wochenende von 14 bis 22 Uhr. Kletterlehrer geben Tipps und laden zu Kursen ein. Je nach Aufenthaltsdauer werden 70 bis 110 Kronen erhoben.
U Buldoka (Preslova 1)
Das komplette Kontrastprogramm dazu finden Gäste im „U Buldoka“, dessen Name nach einem Amsterdamer Vorbild gewählt wurde. In der Wirtschaft rechts treffen sich aktive Sportler unter Wimpeln verschiedener Klubs aus aller Welt. Links geht’s an der Bulldogge und anderen Comics vorbei in die Music-Bar. 40 Kronen Eintritt sind dort zu entrichten. Dafür erwartet der Besucher eine Lärmkulisse mit Dezibel im Hörsturzbereich. Offenes Rohrsystem, dunkle Bar, schwarzer und roter Dance-Room. Geöffnet ab 20 Uhr, gefüllt aber erst nach Mitternacht. In der Regel mit Gästen ab 30. Oft feiern aber auch sehr junge Gesichter mit. Die Party läuft bis vier Uhr morgens (außer am Sonntag und Montag).
Gerne wird gesagt, New York sei eine Stadt, die niemals schläft. Seltsam, dass dies noch keiner über Prag geschrieben hat…
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