„So schlimm war`s nicht“
Erich Kühnhackl ist Deutschlands Eishockeyspieler des 20. Jahrhunderts. Er wurde in der ČSR geboren und hält noch heute Kontakt zu tschechischen Spielern
4. 2. 2022 - Interview: Klaus Hanisch, Titelbild: Erich Kühnhackl (rechts), Center EV Landshut, Saison 1988/89 © Auge=mit, CC BY-SA 4.0
PZ: Sie nahmen selbst an drei Olympischen Spielen teil. Wegen der Zeitverschiebung wird das olympische Eishockey-Turnier in Peking auch mitten in der Nacht oder am frühen Vormittag ausgetragen. Verfolgen Sie trotzdem die Partien?
Erich Kühnhackl: Selbstverständlich. Für mich spielt es keine Rolle, ob diese Spiele etwas früher oder später zu sehen sind. Wenn man sich das gerne anschaut, dann schaut man es sich zu jeder Zeit an.
Diesmal sind keine Profis aus der NHL dabei, weil dort gleichzeitig sehr viele Nachholpartien aufgrund der Corona-Pandemie gespielt werden müssen. Ist es ein großer Nachteil für das deutsche Team, dass seine Übersee-Spieler fehlen?
Diese Profis spielen drüben aufgrund ihrer Klasse. Deshalb wäre es sicher nicht verkehrt, wenn sie auch bei den Olympischen Spielen dabei wären. Aber viele gute Profis spielen ja auch in der eigenen Liga oder im europäischen Ausland. Daher denke ich, dass keine Nation einen Vor- oder Nachteil davon hat, dass die NHL keine Spieler freigibt.
Bei Olympia ist Ihr Sohn dabei. Tom spielt nach zwei Stanley-Cup-Titeln in der NHL mit den Pittsburgh Penguins nun in Schweden. Das klingt nach einem Rückschritt.
Ich sehe keinen allzu großen Unterschied zwischen den Ligen in Schweden und Nordamerika. Ich habe mir einige Spiele in der schwedischen Liga angeschaut, dort wird sehr gutes Eishockey gespielt. Wenn man in einer neuen Liga spielt, muss man sich immer besonders anstrengen, um sich zu behaupten. Das ist auch bei Tom so. Daher ist es für mich kein Rückschritt oder Nachteil, dass er jetzt dort spielt. Im Gegenteil.
Er hatte sich in den Playoffs zum Stanley Cup 2020 schwer verletzt. Wie fit ist er wieder?
Tom treibt seinen Sport zu einhundert Prozent und versucht auch immer, einhundert Prozent zu geben. Deshalb will er auch zu einhundert Prozent fit sein. Er hat im Laufe seiner Karriere viel dazugelernt und ist routinierter geworden. Und er würde sicher nicht in Schweden spielen, wenn er nicht fit wäre.
Hatten Sie Kontakt mit ihm, wie sehr freut er sich auf Olympia?
Wir skypen oder telefonieren öfter während der Woche. Logisch, dass er sich freut. Olympia ist schließlich was Außergewöhnliches.
Hat er möglicherweise Angst wegen Corona bei Olympia? Gerade fielen während der Handball-EM ja reihenweise deutsche Spieler aus.
Ich weiß nicht, ob man es Angst nennen kann. Aber jeder, der dort mitspielen darf, wird sicher unglaublich vorsichtig sein, damit nur ja nichts passiert und er sich nicht ansteckt.
Welche Chancen sieht Tom für die deutsche Mannschaft bei Olympia?
Wir reden zwar über viele Dinge, aber darüber haben wir uns im Vorfeld nicht unterhalten.
Spätestens der Gewinn der Bronzemedaille bei Olympia 1976 in Innsbruck machte Sie als Spieler selbst legendär. 1997 wurden Sie in die „Hall of Fame“ des Weltverbandes IIHF aufgenommen und 2016 in die Ruhmeshalle des deutschen Sports, 2000 dann zum Eishockey-Spieler des Jahrhunderts ernannt. Was hat Tom von Ihnen gelernt?
Das ist schwer zu sagen. Wichtig war, dass er die Sportart schon früh lieben gelernt hat und bald selbst spielen wollte. Er hat immer versucht, viel zu lernen, damit er große Leistung bringen kann. Ich weiß auch nicht, ob ich unbedingt sein Vorbild war.
Sie waren bekannt für Ihre raumgreifenden Schritte auf dem Eis, während Sie gleichzeitig die Gegner mit abgewinkeltem Arm von sich fernhielten. Das und Ihre Körperlänge von 1,96 Meter brachten Ihnen auch die Spitznamen „Langer“ und „Kleiderschrank auf Kufen“ ein. Hat Tom diese Robustheit und Durchsetzungsfähigkeit von Ihnen übernommen?
Die muss heutzutage jeder haben, das ist eine Grundvoraussetzung, um sich lange und überhaupt behaupten zu können. Egal in welcher Liga. Und Tom hat seit dem Nachwuchs ja schon in einigen Ligen gespielt.
Es hieß immer, die NHL habe Sie nie gereizt. Haben Sie angesichts der Stanley-Cup-Triumphe Ihres Sohnes nicht doch ein wenig bereut, dass Sie es dort nicht probiert haben?
Das ist im Nachhinein schwer zu beurteilen. Vielleicht hätte ich es probieren sollen. Für meine Familie gilt: Ich habe es nicht gemacht, dafür hat es eben sein Sohn gemacht!
Sie wurden in Citice (Zieditz) geboren, nahe Sokolov (Falkenau) an der deutsch-tschechischen Grenze. Verfolgen Sie noch Eishockey in Tschechien?
Ja, das mache ich. Tschechien ist ja nicht weit weg und ich habe noch Kontakt mit Spielern, mit denen ich früher selbst auf dem Eis stand. Früher haben wir uns auch öfter gesehen, bei Länderspielen oder bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Sie kamen auch manchmal nach Deutschland. Einer von ihnen wohnt in Karlsbad und betreibt ein Hotel, dort bin ich manchmal hingefahren. Und wenn ich schon drüben war, habe ich natürlich auch andere besucht. Während der Corona-Pandemie telefoniere ich mit manchen oder wir schreiben uns.
Ihre Eltern blieben nach dem Krieg, die Familie verließ das Land erst nach dem Prager Frühling 1968. „Der Spiegel“ schrieb im April 2004, Sie hätten eine sehr harte Zeit in der Č(S)SR gehabt, auch wegen Ihres deutschen Namens. Welche Probleme gab es dort konkret für Sie?
Das hing damit zusammen, dass in dem Gebiet, in dem ich geboren wurde, noch einige Deutschsprachige wie meine Eltern gelebt haben, und die hatten es nach dem Krieg nicht ganz leicht. Aber im Verein und beim Eishockey standen die Leute voll hinter mir. Das wurde insgesamt etwas übertrieben dargestellt. So schlimm war es dort nicht.
Haben Sie noch Verwandte in Tschechien?
Es gibt noch Tanten und Onkel dort. Ich habe sie hin und wieder besucht, ebenso Bekannte, mit denen ich in der Schule war, und wurde auch öfter von ihnen eingeladen und bin hingefahren. Allerdings war ich schon eine Weile nicht mehr dort, durch Corona ist das jetzt schwieriger geworden.
Sie nahmen an zehn Weltmeisterschaften teil, so auch 1978 in Prag. War es für Sie nicht ein komisches Gefühl, ausgerechnet in dem Land wieder anzutreten, das Sie zehn Jahre zuvor verlassen hatten? Oder war es gerade ein besonderer Anreiz?
Für einen Sportler ist jedes Länderspiel ein besonderer Anreiz. Und noch mehr natürlich Olympische Spiele oder eine Weltmeisterschaft. Und dieses Turnier in Prag hat mir natürlich viel bedeutet, nachdem ich zuvor in der ČSSR aufgewachsen war.
Sie waren bester Scorer dieses WM-Turniers, wie später auch bei Olympia 1984.
Ich wollte in Prag schon zeigen, was ich konnte.
Sie spielten 16 Jahre für den EV Landshut und gewannen die Meisterschaften 1970 und 1983, dazu kamen noch zwei Titel 1977 und 1979 in drei Jahren beim Kölner EC. Jetzt heißen Klubs in Deutschland Grizzlys, Ice Tigers oder Pinguins. Wie beurteilen Sie den Wandel seit Ihrer aktiven Zeit im Eishockey in Deutschland?
Ich sehe das positiv. Das Spiel hat sich rasant entwickelt und damit auch die Rahmenbedingungen. Das gilt für nahezu jeden Bereich. Natürlich auch für die Kommerzialisierung. Selbst Kleinigkeiten sind davon betroffen. Und damit hat sich das Niveau im Eishockey unglaublich gesteigert. Ob ein Verein so heißt oder anders, ist egal. Wichtig ist, dass es überhaupt eine Entwicklung gibt.
Die Erich-Kühnhackl-Stiftung ist im September 2001 gegründet worden. Ihr Zweck ist, talentierte deutsche Nachwuchsspieler und Vereine, die gute Jugendarbeit betreiben und damit eine wichtige soziale Aufgabe in der Gesellschaft erfüllen, mit Geld und Sachspenden zu unterstützen. Welche Bilanz ziehen Sie nach 20 Jahren?
Ich bin mit der Arbeit meiner Stiftung sehr zufrieden. Ich freue mich darüber, dass wir in so vielen Dingen helfen konnten. Es gab zum Beispiel junge Spieler, die eine Ausrüstung brauchten und andere, die direkt finanzielle Hilfe benötigten. Da kam in den letzten Jahren richtig viel zusammen, für einzelne Spieler wie auch für komplette Mannschaften. Ich bin auch sehr froh darüber, dass ich so viele Mitstreiter für die Stiftung gefunden habe. Meine Familie, viele Freunde und Bekannte haben mich dabei unterstützt. Nicht nur ich, sondern auch sie haben Aktionen gemacht und Sponsoren gesucht, damit wir immer Geld hatten und helfen konnten.
Nochmals abschließend zu Olympia: Tschechien hat in Peking mit Dänemark, OAR und der Schweiz die vermeintlich leichtere Gruppe in der Vorrunde. Deutschland spielt gegen Kanada, die USA und Gastgeber China. Vor vier Jahren gewann das deutsche Team sensationell Silber bei Olympia. Mit welchen Chancen geht die Mannschaft für Sie diesmal ins Turnier?
Die Mannschaft hat Chancen, denn Eishockey hat sich in Deutschland gut entwickelt. Das sieht man im Vergleich zu früher schon im Nachwuchs, wo viel Geld und Zeit investiert worden ist. Das Niveau der Spieler ist hoch, wenn die Mannschaft auch etwas Glück hat, dann kann sie gut abschneiden. Für mich ist das Viertelfinale möglich, vielleicht sogar noch mehr. Man darf sich überraschen lassen.
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