Sotschi im Blick

Sotschi im Blick

Tschechiens Wintersportler gehen mit unterschiedlichen Ambitionen in die Olympia-Saison (Teil 1)

13. 11. 2013 - Text: Marcus HundtText: mh/sw; Foto: Martina Sáblíková (sport-invest)

Eisschnelllauf: Überraschender Rekord
Kein Sieg, aber dennoch zufrieden: Nach den ersten Weltcup-Rennen im Eisschnelllauf am vergangenen Wochenende zog Martina Sáblíková ein positives Fazit. Im kanadischen Calgary erreichte die neunfache Weltmeisterin und zweifache Olympiasiegerin über 1.500 Meter hinter den Niederländerinnen Lotte van Beek und Ireen Wüst zwar nur den dritten Platz. Jedoch lief die Tschechin, die in den vergangenen Jahren die Langstrecken (3.000 und 5.000 Meter) dominierte, die Distanz mit 1:54,44 Minuten in persönlicher Bestzeit.

Einen Tag zuvor musste Sáblíková ihrem großen Vorbild, der 15 Jahre älteren Berlinerin Claudia Pechstein, über 3.000 Meter den Vortritt lassen – und das obwohl sie die „magische Grenze“ von 4 Minuten unterboten hatte. Am Ende trennten die beiden Ausnahmeathletinnen nur 35 Hundertstelsekunden. „Ich bin zufrieden. Über die 3.000 Meter habe ich mir vorgenommen, um die Medaillen mitzukämpfen. Die 1.500 Meter haben mich überrascht: 1:54 Minuten bin ich zuletzt 2007 gelaufen. In den letzten sechs Jahren bin ich nie an diese Zeit herangekommen“, sagte die 26-Jährige, die, wie sie selbst sagt, den Saisonauftakt überhaupt nicht mag. „Ich bin da immer total gestresst.“ Bis auf die Thüringerin Stephanie Beckert, die über die 3.000-Meter-Distanz neben ihr lief und nur als Vorletzte ins Ziel kam, hätten sich ihre Konkurrentinnen in guter Form präsentiert. „Ich bin gespannt, wie es an diesem Wochenende in Salt Lake City weitergeht“, freute sich Sáblíková auf den kommenden Weltcup.

Mit den beiden Podestplätzen in Calgary hat sich Tschechiens schnellste Frau auf dem Eis bereits für die Läufe bei Olympia qualifiziert. Ihre Fans rechnen fest damit, dass Sáblíková ihre Olympiasiege von Vancouver über 3.000 und 5.000 Meter in Sotschi wiederholen wird. Sie selbst gibt sich bescheidener: „Wie viele Medaillen ich gewinne? Das weiß ich nicht. Ich hoffe nur, dass es irgendeine wird.“ Während tschechische Eisschnellläufer keine Rolle bei der Medaillenvergabe spielen, gibt es bei den Damen eine weitere Hoffnung. Die erst 21-Jährige Karolína Erbanová feierte in der Vorsaison über die Kurzstrecke ihren ersten Weltcupsieg. Ob mit der mehrmaligen Junioren-Weltmeisterin auch in der Olympia-Saison zu rechnen ist, zeigt sich bei ihrem Start über die 1.000 Meter an diesem Wochenende.   (mh)

Biathlon: Allein unter Männern
Die vergangene Saison, vor allem die erfolgreiche Heim-WM in Nové Město na Moravě, hat den tschechischen Biathleten ungekanntes Selbstbewusstsein verliehen. „Wir wollen Geschichte schreiben und endlich eine Medaille mit nach Hause bringen.“ Der Vorsitzende des Tschechischen Biathlonverbandes Václav Fiřtík wünscht sich, dass der vierte Platz von Ivana Masaříková bei den Olympischen Spielen 1998 in Nagano endlich übertroffen wird. Das Ziel ist berechtigt: Gabriela Soukalová gewann im zurückliegenden Winter vier Weltcups, im Gesamtklassement belegte die 24-Jährige aus Jablonec nad Nisou den sechsten Platz.

Bei den Herren landete Ondřej Moravec in den Top 12, in drei WM-Rennen verfehlte er die Podestplätze nur um wenige Sekunden. Der 29-Jährige trauert den verpassten Chancen nicht hinterher, die Zeichen stehen auf Angriff: „Für mich ist es keine Motivation, dass Tschechien im Biathlon noch nie eine Olympia-Medaille gewonnen hat; es geht nur darum, dass ich sie haben will.“ Bevor es nach Sotschi geht, stehen für die Biathleten Wettkämpfe an sechs Weltcup-Stätten auf dem Programm. Tschechiens beste Biathletin Soukalová heftete sich zur Vorbereitung an die Skienden ihrer männlichen Mannschaftskollegen: Sie trainierte in den vergangenen drei Monaten gemeinsam mit Moravec, Jaroslav Soukup, Michal Šlesingr, Zdeněk Vítek und Tomáš Krupčík – ihnen allen ist in diesem Winter durchaus eine Überraschung zuzutrauen.

Während die Herren Soukalovás Leistungen lobten und sich auch deren Cheftrainer zufrieden zeigte, bedauert Jindřich Šikola noch heute die Entscheidung seiner Athletin. Der Trainer der Damen-Auswahl fürchtet, Soukalová könne sich überanstrengt haben. Auf die Frage, ob sie sich zu viel zugemutet habe, antwortete Šikola ausweichend: „Als Trainer tut mir das leid. Gabča hat diesen Weg aber nun einmal gewählt und es lag nicht in meinen Kräften das zu verhindern.“ Ein Grund für Soukalovás Entschluss könnte das verhältnismäßig schlechte Leistungsniveau der anderen Biathletinnen sein – abgesehen von der mehrfachen Junioren-Weltmeisterin Veronika Vítková, die Anfang des Jahres in Oberhof mit einem zweiten Platz in der Verfolgung auf sich aufmerksam machte. Ob sich die Flucht zu den Männern für Soukalová ausgezahlt hat, kann man vielleicht schon Ende November im schwedischen Östersund sehen. Zum Weltcup-Auftakt stehen jeweils ein Einzel- und ein Verfolgungsrennen sowie ein Sprint auf dem Programm. Zuvor gehen die Männer und Frauen am Sonntag, 24. November in der Mixed-Staffel gemeinsam an den Start – die tschechische Auswahl gehört dabei zum Favoritenkreis.   (mh)

Ski Alpin: Mit neuem Namen zu alter Stärke?
Für die tschechischen Ski-Stars verlief der Auftakt in die Olympia-Saison ziemlich enttäuschend. Bei den beiden Eröffnungsrennen im österreichischen Sölden Ende Oktober schaffte es kein Verbandsvertreter, sich in den Riesenslaloms für den zweiten Lauf zu qualifizieren. Der 33-jährige Routinier Ondřej Bank schied im ersten Durchgang ebenso aus wie die 20-jährige Nachwuchshoffnung Kateřina Pauláthová. Aufgrund der schwachen Ergebnisse in der vergangenen Saison waren die Startplätze für die tschechische Mannschaft dezimiert worden. Viele Verletzungen und Krankheiten hatten die Athleten immer wieder zurückgeworfen. Vom kleinen Herrenteam ragte in den vergangenen Jahren einzig Bank mit guten Resultaten in der Superkombination heraus. Bei den Damen hofft man auf eine erfolgreiche Saison von Šárka Záhrobská, die nach ihrer Heirat im April 2013 nun unter dem Namen Strachová startet.

Die Slalom-Weltmeisterin von 2007 und Bronzemedaille-Gewinnerin von Vancouver (Olympia 2010) musste sich im Sommer vergangenen Jahres einen gutartigen Gehirntumor entfernen lassen, was ihre Saisonvorbereitung damals gravierend beeinträchtigte. Nun steigt sie am 16. November im finnischen Levi ohne belastende Vorgeschichte und dank optimaler Vorbereitung zuversichtlich in den Olympia-Winter. „Die Saison ist lang und es stehen viele wichtige Rennen an. Entscheidend wird sein, die Kräfte in Hinblick auf Olympia gut einzuteilen und den Formaufbau richtig abzustimmen“, sagte Strachová nach der harten Saisonvorbereitung in Chile. Gelingt dies der 28-Jährigen aus dem Riesengebirge, so ist mit ihr zumindest in den technischen Disziplinen zu rechnen.   (sw)