Spur aus dem Alten Ägypten
Fragment der Mumien-Umhüllung des Pharaos Ramses II. in Olomouc gefunden
5. 2. 2014 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: ČTK/Luděk Peřina
Kleines Fundstück – große Überraschung. Als Mitarbeiter des Heimatkundemuseums in Olomouc den Nachlass eines ehemaligen Kollegen untersuchten, stießen sie auf ein Textilfragment von wohl unschätzbarem Wert. Das Stoffstück entstammt der Mumie von Ramses II., einem der bedeutendsten Pharaonen des Alten Ägypten. „Der Wert dieser etwa 3.000 Jahre alten Bandage lässt sich nicht beziffern“, erklärte Museumsdirektor Břetislav Holásek stolz. „In keiner anderen einheimischen Sammlung ist ein solch bedeutsames Exponat vertreten. Etwas Vergleichbares gibt es allenfalls in den großen Museen Frankreichs oder Englands, nicht aber bei uns und womöglich nirgends sonst in Mitteleuropa“, kommentierte Holásek den Fund begeistert. Wie das kostbare Textil nach Olomouc gelangte, kann er allerdings nicht erklären.
Völlig zufällig und unerwartet wäre das etwa 15 mal 20 Zentimeter große gelbbraune Gewebe in den Archivalien des langjährigen Mitarbeiters Václav Burian aufgetaucht. Es befand sich in einem Büchlein, eingeklemmt zwischen zwei Glasplatten und begleitet von einem Umschlag mit deutscher Notiz: „Von der Mumie König Ramses II., 2. Juni 1886 – Handschrift meines Bruders Richard Buchta.“
Richard Buchta war ein galizischer Maler und Fotograf, der während der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts mehrfach nach Afrika reiste, um dort Leben und Kultur der einheimischen Stämme zu dokumentieren. Während seiner letzten Reise an den oberen Nil schien er demzufolge Zeuge jener Mumien-Auswicklung Ramses II. geworden zu sein, die Gaston Maspero am 1. Juni 1886 vornahm.
Dass dabei ein Stück der Leinenbandage in seinen Besitz gelangte, ist weniger überraschend. Wie Jana Mynářová, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Ägyptologischen Instituts der Karls-Universität, erklärt, seien die Mumien im Alten Ägypten mit bis zu 15 Meter langen Binden mehrfach eingewickelt worden. Am Ende konnte das einige Kilometer Leinenbandage ergeben – wenn da ein paar Zentimeter in den Taschen der Forscher verschwanden, fiel das nicht weiter auf. „Soweit wir heute wissen, war es durchaus üblich, originale Objekte als Souvenirs zu verkaufen. Es ist also auch denkbar, dass Buchta das Leinenstück im Ägyptischen Museum in Kairo erwarb, wo die Mumie ausgewickelt wurde“, so Mynářová.
Echtheit so gut wie gewiss
Rätselhaft hingegen bleibt, wie das kostbare Stück nach Olomouc gelangen konnte, denn Buchta selbst weilte nie in der mährischen Stadt. „Was wir wissen ist, dass ein Teil des Nachlasses von Buchta in der Wissenschaftlichen Bibliothek in Olomouc lagert. Es ist möglich, dass die Textilie aus eben dieser Bibliothek in unser Museum gelangte“, sagt Kuratorin Markéta Doláková.
Sozusagen über mehrere Ecken könnte das Tuchfragment in den Fundus geraten sein: Der Olomoucer Paläontologe Mořic Remeš beschäftigte sich in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts mit dem Nachlass Buchtas. In diesen Jahren präsentierte das Heimatkundemuseum auch eine Ausstellung über das altertümliche Ägypten. An deren Vorbereitung wiederum beteiligte sich Burian, in dessen Archivalien das Tuchfragment von Ramses II. am Ende auftauchte.
An der Echtheit des Fundstückes bestehen laut Mynářová kaum Zweifel. „Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass das Fragment zur ursprünglichen Umhüllung der Mumie gehört“, bekräftigte die Ägyptologin gegenüber der „Prager Zeitung“. „Auf dem Stoff kann man noch immer die Materialspuren der Einbalsamierung erkennen, wie sie damals verwendet wurden.“
An der Prager Karls-Universität wird der Fund derzeit auf Alter und Textur untersucht. Wer das kostbare Stück selbst begutachten möchte, kann es danach im Olomoucer Heimatkundemuseum in Augenschein nehmen. Im Rahmen der Schau „Schätze des Alten Ägypten“ wird es dort bis 15. März ausgestellt. Im Sommer soll die Textilie auf große Reise nach Amerika gehen, wo sie Wissenschaftler aus Chicago genauer unter die Lupe nehmen.
Ramses II.
Ramses II. gilt heute als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des altertümlichen Ägypten. Vermutlich um 1303 vor Christus geboren, wurde er bereits im Alter von 15 Jahren von seinem Vater Sethos I. zum Mitregenten ernannt. 1279 vor Christus bestieg er den Thron. Unter seiner mehr als 60-jährigen Herrschaft erlebte das Land eine einzigartige kulturelle und wirtschaftliche Blüte. Zu deren berühmtesten Zeugnissen zählen meisterhafte Bauwerke wie der Tempel von Abu Simbel (siehe Foto), die Tempelanlage von Pi-Ramesse und das Ramesseum von West-Theben. Ramses II. bescherte Ägypten eine fast 50 Jahre währende Friedenszeit. Der unter ihm beschlossene Ägyptisch-Hethitische Friedensvertrag von 1259 vor Christus gilt heute als der älteste schriftliche Friedensschluss. Ramses II. starb 1213 vor Christus. Nach mehrtägiger Mumifizierung wurde er im Tal der Könige beigesetzt. Als Ramses Nachkommen sind etwa 40 Töchter und 45 Söhne überliefert. Untersuchungen seiner Mumie ergaben, dass er von Natur aus rothaarig war. Im Alter litt der Pharao unter einer Rückenkrankheit, die ihn zwang, am Stock zu gehen. Bei seinem Tod war er wahrscheinlich um die 85 Jahre alt. Die Mumie des Pharaos befindet sich heute im Ägyptischen Museum in Kairo.
„Markus von Liberec“
Geheimes oder Geheimnistuerei?