Stadionwurst mit Stäbchen?
Der chinesische Investor plant große Erfolge. Doch Slavias Fußballfans sind skeptisch. Unterwegs mit einem rot-weißen Schal
18. 5. 2016 - Text: Helge HommersText und Foto: Helge Hommers
Im Fanshop der Eden Aréna gehen nach einem Heimspiel vorwiegend ältere Männer einkaufen. Hastig ziehen sie Trikots an und wieder aus, jonglieren rot-weiße Bälle und prüfen Slavia-Nummernschilder auf ihre Biegsamkeit. Wenig später gleicht der Laden einem Textildiscounter nach dem Räumungsverkauf: leere Regale, wohin man auch blickt. Nur die rot-weißen Schals mit den chinesischen Schriftzeichen bleiben nahezu unangetastet. „Die gehen noch nicht so gut“, sagt ein Verkäufer.
Fünf Jahre ist es her, da stand der dreimalige tschechische Meister Slavia Prag vor dem Ruin. Der Verein hatte Verbindlichkeiten in Millionenhöhe, Spieler liefen ohne Bezahlung auf und die Fans quittierten die Zustände mit Ausschreitungen. „Damals schien es, als würde uns der Verein gestohlen“, erzählt Lukáš Zahradníček, der seit mehr als 20 Jahren Anhänger des Traditionsklubs ist.
Mit der Natland Group fand Slavia zwar einen Investor. „Zu der Zeit haben wir aber den schlechtesten Fußball gespielt, den ich je bei Slavia gesehen habe“, meint Lukáš. Besonders ungern erinnert er sich an die Saison 2013/14, als Slavia eine 0:7-Heimpleite gegen den FK Teplice kassierte.
Im September 2015 veränderten sich die Besitzstrukturen. Der Slavia-Anhänger und Geschäftsmann Jiří Šimáně übernahm den Vorsitz und 40 Prozent der Anteile des Fußballvereins. Die restlichen 60 Prozent erwarb die Unternehmensgruppe China Energy Company (CEFC), die bereits zuvor in Tschechien investiert hatte. „Wir Fans waren überglücklich. Mit Šimáně bekamen wir einen seriösen Unternehmer, der einer von uns ist“, sagt Lukáš. Ein erfolgreicher und beliebter Mann an der Spitze, der Handlungsfreiheit und Finanzspritzen von außen genoss – das versprach eine große Zukunft.
Slavia war nicht der erste europäische Verein, der sich Investoren aus Fernost öffnete. Als Negativbeispiel gilt der niederländische Traditionsklub ADO Den Haag, der seit 2015 dem Geschäftsmann Hui Wang gehört. Damals wurde der Investor von Anhängern und Vereinsoffiziellen freudig empfangen – versprach er doch, Den Haag innerhalb von drei Jahren an die Spitze zu führen. Nach dem chinesischen Börsencrash Mitte 2015 blieben die Überweisungen allerdings aus. Mittlerweile sind einige Experten der Ansicht, dass der Verein ohne Hui Wang besser dastünde. Vom Spitzenfußball ist der Klub weit entfernt.
Der Schock im April
Bei Slavia hingegen sah es gleich so aus, als wäre die Zusammenarbeit mit den chinesischen Geldgebern von Erfolg gekrönt. Der Verein investierte in der Winterpause großzügig in neue Spieler und die Resultate auf dem Platz stimmten. Nach dem elften Rang im Vorjahr befand sich Slavia auf Europa-League-Kurs. „Solange der Erfolg da ist, sind alle zufrieden. Was vorher schieflief, schien nun in die richtigen Bahnen gelenkt worden zu sein“, resümiert Lukáš. Auch dass die Ergebnisse in der Rückrunde unbefriedigender waren, enttäuschte kaum jemanden. „Uns war klar, dass sich die großen Erfolge erst langfristig einstellen würden“, sagt Lukáš. Doch was Anfang April geschah, war für den 29-Jährigen ein Schock.
Auf einer Pressekonferenz gab der Verein bekannt, dass der ehemalige tschechische Verteidigungsminister und jetzige Vertreter von CEFC in Europa Jaroslav Tvrdík den Vereinsvorsitz antritt. Gleichzeitig erwarben die chinesischen Investoren weitere acht Prozent der Anteile. „Wenn das so weitergeht und Šimáně irgendwann aufgibt, muss man sich auf das Schlimmste gefasst machen“, fürchtet Lukáš.
Die Ziele, die der neue Vorsitzende bei seinem Amtsantritt formulierte, sind alles andere als bescheiden. Schnellstmöglich soll der Verein um die Meisterschaft mitspielen und in Europas Spitzenklasse zurückkehren. Zudem ist ein Stadionausbau geplant – obwohl die Eden Aréna bereits heute die modernste des Landes ist.
Lukáš, der sowohl die Sternstunden als auch die dunkelsten Jahre des Vereins miterlebt hat, ist skeptisch: „Der Klub und die neuen Investoren haben sehr hohe Ambitionen. Vielleicht sind sie aber auch zu hoch.“ Wenn man mit Lukáš und einem neuen Schal durch die Kneipen zieht, sind die Sympathien klar verteilt. Bekommen die Wirte den rot-weißen Stoff flüchtig zu sehen, zeigen ihre Daumen nach oben. Fällt der Blick auf die chinesischen Schriftzeichen, winken sie ab. „Nicht gut für Slavia“, heißt es dann. Im Fanshop werden die neuen Schals wohl noch eine Weile Ladenhüter bleiben.
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