Starfieber in Westböhmen
Das Filmfestival in Karlovy Vary öffnet zum 48. Mal seine Türen
26. 6. 2013 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Film Servis Festival Karlovy Vary
Zu Weltruhm gelangte die eher beschauliche Jugendstil-Perle Karlovy Vary (Karlsbad) eigentlich auf einem anderen Weg: Seit über 600 Jahren werden die Thermalquellen der Stadt für medizinische Therapien verwendet, damit gehört Karlovy Vary zu den traditionsreichsten Kurorten der Welt.
Einmal im Jahr aber rücken Heilbäder, Schnabeltassen und Lymphdrainagen in den Hintergrund: Beim Internationalen Filmfestival Karlovy Vary wird die westböhmische Stadt zum Zentrum des Weltkinos. Dann dreht sich alles um Filme und die internationale Prominenz aus Regie und Schauspiel. Das Festival, das 1947 erstmals stattfand und anfänglich im Wechsel mit dem Filmfestival in Moskau veranstaltet wurde, gilt nach den Festspielen von Venedig als älteste Filmschau Europas. Von den Kommunisten zu Propagandazwecken vereinnahmt, entwickelte es sich in den neunziger Jahren zu einer renommierten Veranstaltung in der Filmbranche. Heute zählt es zu den weltweit führenden Festivals der A-Kategorie.
In diesem Jahr werden am 27. Juni die roten Teppiche ausgerollt, um in den folgenden zehn Tagen Koryphäen und Sternchen des Filmgeschäfts einen glänzenden Auftritt zu bescheren. Erwartet wird unter anderem John Travolta, der mit dem Festivalpreis, dem sogenannten Kristallglobus, für sein Lebenswerk geehrt wird. Ebenfalls für ihr Lebenswerk ausgezeichnet werden der US-amerikanische Regisseur Oliver Stone und der tschechische Kostümbildner Theodor Pištěk. Zu den berühmten Gästen zählt außerdem Audrey Tautou. Die französische Schauspielerin erlebte vor zwölf Jahren in Karlovy Vary ihren internationalen Durchbruch, als der Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“ Publikum wie Kritiker verzauberte und den Hauptpreis gewann. Beim 48. Jahrgang des Festivals wird Tautou gemeinsam mit ihrem Landsmann, dem Filmemacher Michel Gondry, für den sie für „Mood Indigo“ jüngst vor der Kamera stand, ihren neuen Streifen vorstellen.
Alte Klassiker in neuem Glanz
Über die Leinwände flimmern insgesamt mehr als 230 Streifen, darunter zahlreiche Welt- und Europapremieren. Im Zentrum des Wettbewerbs stehen die sogenannten „Feature Films“, also Filme von mindestens 40 Minuten Länge, die in der vergangenen Saison gedreht und bisher noch nicht im Rahmen eines anderen Wettbewerbs bei einem Festival aufgeführt wurden. In dieser Kategorie gehen 14 Filme ins Rennen um den Hauptpreis. Über den Preisträger in dieser Sparte und in den anderen Wettbewerbskategorien entscheidet die Festivaljury, deren Vorsitz in diesem Jahr die polnische Filmemacherin Agnieszka Holland übernimmt.
Liebhaber älterer Filme kommen in der Kategorie „Out of the Past“ auf ihre Kosten. Mit der restaurierten Fassung des Klassikers „Všichni dobří rodáci“ („Alle guten Landsleute“), mit dem Vojtěch Jasný 1969 in Cannes die Goldene Palme gewann, sowie zwei restaurierten Stummfilmen aus den Zwanzigern, zollen die Veranstalter auch der Filmhistorie ihren Tribut. Sowohl Jan Stanislav Kolárs „Příchozí z temnot“ („Ankommende aus der Dunkelheit“) als auch Alfred Hitchcocks „The Ring“ aus dem Jahr 1927 werden von Live-Musik begleitet.
Im Gegensatz zu anderen, größeren Festivals wie Cannes oder der Berlinale steht Karlovy Vary vor allem für seine Nähe zum osteuropäischen Film. Die Kategorie „East of West“ gilt inzwischen als bedeutende Plattform für jene Produktionen.
Mit 15 Filmbeiträgen und einer eigenen Sparte widmet die Kurstadt dem Kurdischen Film in diesem Jahr besondere Aufmerksamkeit. Zu sehen sind Arbeiten verschiedener Filmemacher aus dem Irak, Iran, der Türkei und aus Syrien; gemeinsam sind diesen die kurdischen Wurzeln ihrer Autoren. Gezeigt wird unter anderem Yılmaz Güneys „Yol” aus dem Jahr 1982, der heute als Meilenstein des Kurdischen Films gilt. Das Porträt über den türkischen Militärputsch von 1980 schrieb Güney, als er selbst in Haft saß – ins Gefängnis gesteckt wurde er mehrfach wegen seiner sozialistischen Gesinnung. Zu sehen sind ebenso jüngere Beiträge wie der irakische Kurzfilm „Land of Heroes“ über die Propaganda-Maschinerie einer Diktatur und „Before Snowfall“ von Hisham Zaman. Das Roadmovie dreht sich um den inneren Konflikt eines iranischen Kurden, der sich an seiner Schwester rächen will, nachdem diese einer arrangierten Ehe entflieht und damit die Ehre ihrer Familie beschmutzt.
Höhepunkte aus Deutschland
Auch der Deutsche Film ist mit 26 Beiträgen in Karlovy Vary präsent. Im Hauptwettbewerb wird beispielsweise Oskar Roehlers Autobiografie „Quellen des Lebens“ gezeigt, im Dokumentarfilmwettbewerb stellen Bettina Timm und Alexander Riedel ihren neuen Film „Kiran“ vor. In dessen Zentrum steht der achtjährige Kiran, der in einem alternativen Umfeld in den Pyrenäen aufwächst, sich insgeheim jedoch nach bürgerlicher Normalität sehnt. Außer Konkurrenz wird der Spielfilm „Houston“ von Bastian Günther gezeigt, der in diesem Jahr bereits im Wettbewerb auf dem Sundance Film Festival zu sehen war.
Bei jugendlichen Besuchern erfreut sich das Filmfestival seit Jahren großer Beliebtheit, da im Gegensatz zu anderen Festivals der A-Kategorie verhältnismäßig leicht an Eintrittskarten zu kommen ist. Lediglich 1.000 Kronen (etwa 40 Euro) beträgt der reguläre Preis für den Festivalpass, ein Einzelticket kostet 65 Kronen. Wer Eintrittskarten erwerben möchte, sollte sich beeilen: Schon kurz nach Freigabe des Online-Dienstes für Reservierungen war das verfügbare Kontingent ausgebucht. Der eigentliche Kartenvorverkauf beginnt am 27. Juni um 9 Uhr.
Weitere Informationen unter www.kviff.com
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