Starkes Signal
Tschechischer Minister spricht beim Sudetendeutschen Tag
18. 5. 2016 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: SdL
Kein Wort über die Beneš-Dekrete. Keine Forderungen nach Rückgabe der alten Heimat. Das Pfingsttreffen der Sudetendeutschen stand auch in diesem Jahr ganz im Zeichen der Versöhnung. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bewertete es gar als „historisch“. Denn zum ersten Mal in 66 Jahren nahm mit Daniel Herman (KDU-ČSL) am vergangenen Wochenende ein Mitglied der tschechischen Regierung an dem Treffen teil. Für den Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe Bernd Posselt (CSU) ein starkes Signal für die Zukunft.
Vor knapp 3.000 Zuhörern in Nürnberg erinnerte Kulturminister Herman in seiner auf Deutsch gehaltenen Rede sowohl an die Verbrechen der Nationalsozialisten, als auch an die „grauenvollen Taten eines Teils der tschechischen Bevölkerung“. Er verurteilte das „Prinzip der Kollektivschuld“ und drückte sein Bedauern gegenüber der Vertreibung und dem Ende eines jahrhundertelangen Zusammenlebens von Tschechen und Deutschen aus.
Die Vertriebenen und deren Nachkommen hatte der Politiker in Nürnberg von Anfang an auf seiner Seite. Den ersten Beifall erntete er, nachdem er sie mit „liebe Landsleute“ begrüßt hatte. Später sagte Herman, sein Auftritt sei „wirklich an der Zeit gewesen“, der Eiserne Vorhang hätte eine Entwicklung wie in den deutsch-französischen Beziehungen über 40 Jahre lang verhindert. „Wenn die Kommunisten – die bis heute in der Vergangenheit leben – nicht gewesen wären, hätte es diesen Tag schon längst gegeben“, meinte der 53-Jährige, der damit auch auf die harsche Kritik der tschechischen Kommunisten (KSČM) reagierte. Deren Vorsitzender Vojtěch Filip – erst am Wochenende in seinem Amt bestätigt – hatte Herman wenige Tage zuvor zum Rücktritt aufgefordert. „Mit seiner Teilnahme am Sudetendeutschen Tag (…) spuckt der Minister all jenen ins Gesicht, die für unsere Freiheit ihr Leben ließen“, polterte Filip.
Regierungschef Bohuslav Sobotka (ČSSD) verteidigte den Besuch des Ministers als „ganz natürliche Sache“. Hermans Rede spiegle die „sehr guten Beziehungen“ seines Landes zu Deutschland und Bayern wider. Beim Sudetendeutschen Tag träfen sich Menschen, „die sich zu ihren böhmischen und mährischen Wurzeln bekennen, ihre Kultur und Bräuche pflegen“. Laut Sobotka sei es höchste Zeit, in die Zukunft zu schauen und herauszufinden, was die beiden Nationen in Europa verbindet.
Bernd Posselt weiß, dass den Sudetendeutschen dabei eine besondere Brückenfunktion zukommt. Auch deswegen erinnerte er in Nürnberg an Kaiser Karl IV., dessen 700. Geburtstag am vergangenen Samstag „Tschechen, Sudetendeutsche und alle geschichtsbewussten Europäer“ gleichermaßen begangen hätten.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“