Stillgestanden!

Stillgestanden!

Michal Graupner dient seit drei Jahren bei der Burgwache. Wenn ihn im Dienst die Nase juckt, wird es kompliziert

13. 8. 2015 - Text: Corinna AntonInterview und Foto: Corinna Anton

Gesehen hat sie wohl jeder, der einmal in Prag war. Gesprochen dürfte sie aber niemand haben. Die Wachen, die mit Uniform und Gewehr an den Toren der Burg stehen, um – ohne Worte und ohne Bewegung – den Sitz des Präsidenten zu schützen. Gegründet im Dezember 1918 gehört die Burgwache heute zu den Streitkräften der Tschechischen Republik. Ihre Soldaten stehen nicht nur auf dem Hradschin, sondern patrouillieren auch vor der Sommerresidenz des Präsidenten auf Schloss Lány. Außerdem nehmen sie an Gedenk- oder anderen Veranstaltungen teil. Etwa 600 Soldaten und rund 40 Zivilangestellte sind bei der Burgwache beschäftigt. Für die Sicherheit der Burg sorgen täglich rund 70 Soldaten. Einer von ihnen ist Michal Graupner. Er hat kurze Haare und ist gut rasiert: zwei Kriterien, die er als Angehöriger der Burgwache zwingend erfüllen muss. Der 24-Jährige aus dem tschechisch-sächsischen Grenzort Vejprty (Weipert) schützt seit drei Jahren die Prager Burg. Im Wachdienst dürfte er nicht einmal Miss Universum auf eine Frage antworten. An seinem freien Tag hat er mit PZ-Redakteurin Corinna Anton gesprochen.

Wie sieht der Alltag einer Burgwache aus?

Michal Graupner: Der Dienst beginnt um halb zehn am Vormittag mit der Vorbereitung auf die Wache. Die Soldaten bereiten alles vor, was sie brauchen, um ihren Wachdienst auszuführen, der 28 Stunden dauert. Um 12 Uhr findet auf der Burg der feierliche Wechsel statt, bei dem die neue Wache die alte ablöst. Bevor wir rausgehen, ziehen wir unsere Audienzuniform an, bereiten uns vor und kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Wir haben einen Postenführer, der für die Wachen verantwortlich ist. Er prüft, ob wir richtig ausgerüstet sind, ob die Uniform sauber ist. Wenn alles passt, machen wir uns auf den Weg zu den festen Wachpunkten, wo jede Stunde die Wachablösung stattfindet.

Das sind die kleinen Häuschen an den Zugängen zur Burg, die jeder Tourist kennt. Wie viele Wachen stehen insgesamt auf der Burg?

Graupner: Es gibt drei Haupttore, an jedem stehen zwei Wachen. Hinzu kommt eine bewegliche Wache, die ebenfalls Audienzuniform trägt und die Innenräume der Prager Burg bewacht.

Aber Sie müssen nicht 28 Stunden lang stillstehen?

Graupner: Wir stehen immer nur eine Stunde ohne Bewegung, dann werden wir abgelöst und gehen zurück auf die Wache. Dort haben wir meistens etwa zwei Stunden, um uns umzuziehen und zu bewaffnen. In dieser Zeit haben wir Bereitschaftsdienst. Das heißt, im Bedarfsfall müssen wir einsatzbereit sein. Aber wir haben natürlich auch Gelegenheit, etwas zu essen und uns auszuruhen. Nach zwei Stunden legen wir dann wieder die Audienzuniform an und stehen wieder eine Stunde Wache. In einer Schicht sind wir etwa fünf Mal eine Stunde an den festen Wachpunkten.

Und jedes Mal müssen Sie sich umziehen?

Graupner: Ja, immer wenn wir von den Wachposten zurückkehren, ziehen wir die normale Tarnuniform an, bevor wir rausgehen wieder die Audienzuniform.

Nachts sind die Wachhäuschen leer. Wer sorgt dann für die Sicherheit der Burg?

Graupner: Wenn die Burg geschlossen ist, stehen wir nicht an den festen Punkten, sondern sind als bewegliche Wachen unterwegs.

Wie muss man trainieren, damit man so lange stillstehen kann?

Graupner: Wir üben eher den gesamten Ablauf der Zeremonie ein. Das Stehen an sich trainieren wir nicht, das liegt uns wahrscheinlich allen im Blut.

Ist es gar nicht anstrengend für Sie?

Graupner: Am Anfang schon, bis man sich daran gewöhnt hat. Aber dann geht es. Man hat genug Zeit, über verschiedene Dinge nachzudenken. Ich denke vor allem an meine Familie und meine Freundin; oder ich überlege, was ich am nächsten Tag machen werde.

Das ist erlaubt?

Graupner: Natürlich konzentrieren wir uns in erster Linie auf den Dienst. Aber es geht ja hauptsächlich darum, zu beobachten, ob nicht irgendeine Gefahr droht, oder ein Angriff.

Wird Ihnen dabei manchmal auch langweilig?

Graupner: Nein, das kann man nicht sagen. Es kommen ja immer Leute vorbei, verschiedene Typen, verschiedene Nationen. Manchmal passiert auch etwas Außergewöhnliches, was man beobachten muss. Wir sind immer konzentriert, da bleibt keine Zeit für Langeweile.

Und was machen Sie, wenn mal die Nase juckt?

Graupner: Wenn es tatsächlich akut ist, oder wenn man sich zum Beispiel schnäuzen muss, können wir ein Signal geben. Wir stoßen dreimal mit der Waffe auf den Boden, damit die zweite Wache Bescheid weiß. Dann treten wir beide zurück und gehen kurz ins Wachhäuschen, um uns im Verborgenen wieder zurechtzumachen. Wenn wir bereit sind, stoßen wir wieder mit der Waffe auf den Boden, das ist dann das Zeichen für den anderen, dass wir wieder auf unsere Position zurückkehren können.

Sie schützen ja nicht nur die Burg, sondern sind auch beliebte Fotomotive für Touristen. Stört das bei der Arbeit?

Graupner: Es gibt schon ab und zu unangenehme Touristen, die zu aufdringlich sind. Aber sie sind in der Minderheit. Die meisten haben Respekt, sind anständig und machen keine Probleme.

Was machen Sie, wenn Besucher versuchen, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen?

Graupner: Das kommt oft vor. Aber wir können wirklich nicht antworten, wenn wir angesprochen werden. Wir schützen und verteidigen die Burg.

Auch nicht, wenn es eine sehr hübsche Touristin ist?

Graupner: Selbst wenn es Miss Universum wäre, dürften wir nicht reagieren. Wir müssten bis zum Ende der Schicht warten.

Stichwort Miss Universum – die Anforderungen an das Äußere der Burgwachen sind ja auch ziemlich hoch …

Graupner: Das stimmt schon. Man darf vor allem keine langen Haare haben, muss immer gut rasiert und 1,78 bis 1,88 Meter groß sein, körperlich rüstig und eine ansehnliche Figur haben. Das ist die Grundlage.

Und wie sind Sie Burgwache geworden?

Graupner: Ich wollte schon immer entweder zur Polizei oder zur Armee, vor allem wegen der Uniform. Als ich klein war, haben wir ein paar Mal einen Ausflug auf die Burg gemacht; damals wäre es mir nie eingefallen, dass ich mal hier arbeiten könnte. Aber als ich zur Armee ging, hat mir die Personalabteilung angeboten, bei der Burgwache zu dienen. Da musste ich nicht lange überlegen. Für mich ist es eine große Ehre, so eine repräsentative Aufgabe zu haben.

Woher kam die Begeisterung für Uniformen?

Graupner: Wahrscheinlich hat mich mein Opa beeinflusst. Er hat sich für Geschichte interessiert, für den Ersten und Zweiten Weltkrieg, für Waffen und Streitkräfte.

Die Burgwache gehört zu den Streitkräften der Tschechischen Republik. Aber ist sie nicht vor allem eine hübsche Dekoration für die Burg?

Graupner: Wir sind bestimmt nicht nur Schmuck. Es kommt zum Beispiel vor, dass wir Touristen ermahnen müssen, die sich unangemessen verhalten. Wir erklären ihnen dann höflich, dass sie sich auf der Prager Burg befinden. Wenn sie das nicht verstehen, dann können wir sie des Geländes verweisen.

In so einem Fall dürfen Sie sprechen?

Graupner: Wir sind über Funk direkt mit dem Befehlshaber der Wache verbunden. Wenn so etwas vorkommt, stoßen wir wieder dreimal mit der Waffe auf den Boden, treten in das Wachhäuschen ab und melden, was passiert ist. Dann begeben wir uns zurück auf unseren Posten. Der Befehlshaber schickt dann andere Wachen, die sich um die Störenfriede kümmern.

Noch eine letzte Frage: Ist es im Sommer – trotz Ihrer Begeisterung für Uniformen – nicht wahnsinnig heiß, um in der prallen Sonne zu stehen?

Graupner: Ja, sicher. Aber wenn es sehr schlimm wird, das heißt, wenn die Temperaturen über 30 oder 32 Grad Celsius steigen, kann der Befehlshaber anordnen, dass sich die Wachen bewegen dürfen. Wir stehen dann nicht in den Wachhäuschen direkt in der Sonne, sondern pa­trouillieren bei den Toren.