Strahlend rote Zukunft
Chinesische Investoren kaufen bald ganz Tschechien auf, könnte man meinen. In Wirklichkeit sieht es ein bisschen anders aus
9. 3. 2016 - Text: Robert BřešťanText: Robert Břešťan; Foto: APZ und Hainan Airlines
Die wichtigsten Botschafter der chinesischen Wirtschaft in Tschechien sind das Kung Pao Huhn, Ente knusprig gebacken und Reisnudeln – gefolgt von Jaroslav Tvrdík. Ein chinesisches Restaurant kann man an jeder Ecke finden, auch in tschechischen Kleinstädten. Und Tvrdík verkörpert unübersehbar den Klimawandel in den tschechisch-chinesischen Beziehungen.
Gastronomie und Handel sind noch immer die Bereiche, in denen die Spuren chinesischer Unternehmen am deutlichsten zu erkennen sind. Gerade sind noch die Trikots der Fußballspieler von Slavia Prag dazugekommen – auch diese Investition ist übrigens mit Tvrdík verbunden. Aber in anderen Bereichen? „Chinesisches Kapital registrieren wir derzeit nur in 41 Firmen, die in der verarbeitenden Industrie tätig sind“, sagt Petra Štěpánová von der Beratungsgesellschaft Bisnode. Die Statistiken zeigen: Nur 0,36 Prozent aller ausländischen Investitionen kommen aus China. Und gemessen an dem, was die Volksrepublik in aller Welt investiert, sei Tschechien so klein, dass man es kaum wahrnehme, erklärt Karel Havlíček, Vorsitzender der Vereinigung kleiner und mittlerer Unternehmen. Hierzulande sorgen chinesische Investitionen jedoch für große Aufmerksamkeit. Präsident Miloš Zeman zum Beispiel freut sich schon seit September vergangenen Jahres, dass ihn sein chinesischer Amtskollege demnächst besuchen wird.
„Die künftigen chinesischen Investitionen lassen sich schwer schätzen, aber vielleicht kann man auf Erfahrungen zurückgreifen“, meint Karel Kučera, Leiter der staatlichen Wirtschaftsagentur CzechInvest. „Vor etwa 20 Jahren entdeckten uns japanische Firmen und investierten hier 120 Milliarden Kronen. Sieben, acht Jahre später entdeckten uns südkoreanische Firmen und investierten 76 Milliarden Kronen. Nun hoffen wir, dass wir dieses Prinzip mit China wiederholen können.“
„Es ist Unsinn, wenn tschechische Politiker jetzt davon sprechen, wie gern uns China hat“, meint Tomáš Hülle, Präsident des Czech China Entrepreneurs Forum und Generaldirektor des Investmentunternehmens First Eastern. „Chinesen sind pragmatisch. Sie lassen sich auf kein Geschäft ein, an das sie nicht glauben. Wegen Tschechien werden die politischen Eliten in China keine aktive Lobbyarbeit betreiben“, so Hülle, der sich seit vier Jahren intensiv mit der Volksrepublik beschäftigt und regelmäßig Sprachunterricht nimmt, um den asiatischen Geschäftspartnern Respekt zu erweisen, wie er sagt. Auch Havlíček glaubt, „wer in der nächsten Manager-Generation kein Chinesisch kann, wird in der zweiten Liga spielen“. Um erfolgreich Geschäfte zu machen, müsse man die Philosophie und die Mentalität der Chinesen verstehen.
Das Beispiel Jaroslav Tvrdík zeigt, dass es auch ohne fließende Sprachkenntnisse geht. Wegen seiner Tätigkeit in der Politik und an der Spitze von Czech Airlines ist er umstritten, seinen Anteil am wachsenden Interesse chinesischer Investoren bezweifelt aber kaum jemand. Premierminister Bohuslav Sobotka (ČSSD) sagte über ihn einmal: „Jaroslav Tvrdík konzentrierte sich langfristig auf die Beziehungen zu China und arbeitete geduldig daran, auch schon als das weder populär war noch von der Regierung unterstützt wurde.“ Als die Regierung beschlossen habe, die Beziehungen zu China zu verbessern, „führte diese systematische Arbeit schnell dazu, dass der Handel zunahm, mehr Touristen kamen und mehr Investitionen ins Land flossen“, so der Premier in der Tageszeitung „Hospodářské noviny“.
Die Firmen, die bisher mit Hilfe von Tvrdík an die halbstaatliche chinesische Gesellschaft CEFC verkauft wurden, sind keineswegs typische Investitionen für die Volksrepublik. Ein Fußballverein, Anteile an Medienunternehmen, Gebäude in repräsentativer Lage, Brauereien – das alles sind wohl eher symbolische Errungenschaften als durchdachte Geldanlagen.
„Die China-Begeisterung, die hier herrscht, ist vor allem eine politische. Jaroslav Tvrdík ist von seinem Wesen her ein Politiker, er handelt politisch und für die Politik“, sagt ein Beobachter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Im Fall von China lassen sich Politik und Wirtschaft ohnehin nicht voneinander trennen.
Ein Beispiel dafür findet man im mittelböhmischen Nymburk. Eine ganz gewöhnliche Halle in der Nähe des Güterbahnhofes zieren drei Flaggen: die blaue europäische, die rote chinesische und die dreifarbige tschechische. Innen stehen Arbeiter am Fließband und basteln Schritt für Schritt die Flachbildfernseher der Marke Changhong zusammen. Viele dieser tschechischen Bürger wissen wahrscheinlich nicht, dass sie Angestellte der Volksrepublik China sind. Die Firma gehört zur Hälfte dem chinesischen Staat. „Aber wir sind in Tschechien, hier gelten tschechische Gesetze und ich fühle mich nicht als Mitarbeiter des chinesischen Staates“, sagt der Manager der Firma Martin Kroupa.
Eine Stufe über ihm steht nur noch der chinesische Manager Yongping Lian, den man hier der Einfachheit halber – und in Gedenken an den ersten tschechischen Präsidenten – Václav nennt. „Am Anfang merkten wir, dass er aus einem völlig anderen Kulturkreis kommt. Aber er hat sich an den europäischen Lebensstil angepasst, er lebt in Prag und hat dort seine Familie“, sagt Kroupa. „Ich sehe keinen Unterschied darin, ob mein Chef Chinese ist oder Deutscher. Es kommt darauf an, welche Visionen er hat und ob er ein guter Manager ist.“ Der Firma Changhong geht es in Tschechien gut. Derzeit verhandelt sie darüber, ob bei Nymburk ein neues Entwicklungszentrum für Fernseher und weitere Elektrogeräte entstehen soll.
Natürlich geht es chinesischen Firmen um den Gewinn – wie allen anderen auch. Doch wer in China Erfolg haben will, der braucht dazu den Segen der Kommunistischen Partei. Große Auslandsinvestitionen sind ohne Unterstützung auf höchster politischer Ebene nicht möglich. Die meisten chinesischen Investitionen stammen von staatlichen oder teilstaatlichen Firmen, auch wenn es manchmal ziemlich schwierig ist, die genaue Herkunft der Gelder nachzuverfolgen. So zum Beispiel bei Tvrdík und CEFC. Die Firma, die offiziell einen Umsatz ausweist, der vergleichbar ist mit dem Haushalt der Tschechischen Republik, steht bruchstückhaften Informationen zufolge der chinesischen Armee und dem Militärgeheimdienst nahe. Was Präsident Zeman übrigens nicht daran gehindert hat, den Unternehmenschef Jie Ťien-minga zu seinem Berater zu machen.
Jaroslav Tvrdík geht Gesprächen mit Medien aus dem Weg. Auch für diesen Artikel war er nicht zu erreichen. Er sei gerade in China, schrieb er per SMS. Sicher ist, dass er sich seine Karriere und seinen Posten als einziges CEFC-Vorstandsmitglied für Europa verdient hat. Andererseits sind die großartig präsentierten Investitionen von insgesamt zehn Milliarden Kronen (370 Millionen Euro), die bisher in Fußball, Medien und Brauereien geflossen sind, für chinesische Verhältnisse nur Kleingeld.
Tschechien als Tor Chinas
Gewöhnlich richtet sich das chinesische Interesse nämlich auf größere Fische. Auf Infrastrukturprojekte zum Beispiel, den Energiesektor und im Idealfall auf Bauwerke, für die es eine Garantie der Regierung gibt. Im Optimalfall geht es um Summen ab 100 Millionen Euro. Solche Aufträge sind in Tschechien aber aufgrund der Größe des Landes selten. Es gebe hierzulande nicht viele Projekte, für die sich Chinesen interessieren könnten, meint der Unternehmer Michal Zahradníček, der mit asiatischen Partnern zusammenarbeitet. „Vielleicht der Bau von Autobahnen, Kanälen, Energieinfrastruktur, ansonsten gibt es hier nicht viel zu kaufen.“
Dennoch: An eine strahlende Zukunft mit chinesischem Kapital glaubt in Tschechien derzeit fast jeder. „Wir wollen für Tschechien als mögliches Tor Chinas nach Mittel- und Osteuropa werben“, sagte zum Beispiel Premier Sobotka, der seine Kontakte in die Volksrepublik sehr intensiv pflegt. „Wir würden uns freuen, wenn in Prag ein Finanzzentrum für chinesische Investoren entstehen würde.“ Er verfolgt eine ebenso chinafreundliche Politik wie Zeman, der davon träumt, „dass sich China am Bau eines Kanals von der Donau über die Oder zur Elbe beteiligt“, wie er bei einem seiner Besuche in China erklärte.
An chinesische Unternehmen wird man sich in Europa wohl gewöhnen müssen. Aber stellt der – wenn auch langsam – wachsende wirtschaftliche Einfluss Chinas nicht ein Sicherheitsrisiko für Tschechien dar? Hiesige Geheimdienste warnen vor chinesischen Interessen. Vertreter aus der Wirtschaft sind pragmatischer. „Und warum sollte kein Sicherheitsrisiko bestehen, wenn hier die Deutschen und die Amerikaner den Ton angeben? Eine vernünftige Mischung von großen Akteuren, mit denen wir Kleineren zu leben lernen müssen, ist meiner Meinung nach gut“, findet Jan Tichý, Manager eines chinesischen Betriebs in Mittelböhmen.
Der Autor ist Chefredakteur des Online-Portals HlídacíPes.org – ein Projekt des Instituts für unabhängigen Journalismus. Der Artikel erschien auf Tschechisch im Magazin „Reportér“ Nummer 18 vom Februar 2016. Übersetzung (gekürzt): Corinna Anton
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