Streit um Taiwan
Die Partnerschaft zwischen Prag und Peking ist gescheitert. Gefährdet der Städte-Streit auch das binationale Verhältnis?
18. 10. 2019 - Text: Peter Lange, Titelbild: Henry & Co., Unsplash
2016 hat der letzte Magistrat von Prag eine Städtepartnerschaft mit Peking geschlossen. Die ist jetzt schon wieder Geschichte. Denn der aktuelle Magistrat, angeführt von Oberbürgermeister Zdeněk Hřib (Piratenpartei), wollte aus dem Vertrag eine Klausel entfernen, in der sich die Stadt Prag zur Ein-China-Politik bekennt. Peking reagierte pikiert und weigerte sich. Anfang Oktober beschloss der Magistrat deshalb, den Vertrag zu kündigen. Doch Peking kam dem zuvor und beendete seinerseits die Partnerschaft. Während Staatspräsident Miloš Zeman das Verhalten der Prager Stadtregierung verurteilt, machen sich Regierungsvertreter Sorgen um das politische Verhältnis zu China.
Die chinesische Botschaft in Prag teilte die Entscheidung der Pekinger Stadtführung am 10. Oktober der Nachrichtenagentur ČTK mit: Der Partnerschaftsvertrag werde mit sofortiger Wirkung gekündigt. Begründung: Falsche Schritte und unangemessene Kommentare der Prager Seite in Bezug auf die Themen Taiwan und Tibet. Ein absehbares Ende, nachdem der Prager Magistrat selbst wenige Tage zuvor entschieden hatte, den Vertrag zu kündigen.
„Wenn die Stadt Peking auf unsere Forderung nicht antwortet, muss man sich fragen, ob man so einen Partner will. Und meine eindeutige Antwort darauf ist Nein“, erklärte Oberbürgermeister Zdeněk Hřib. Die Forderung, um die es ging: Aus dem Vertrag sollte jene Klausel gestrichen werden, in der die Stadt Prag die Ein-China-Doktrin Pekings akzeptiert.
Im Wortlaut heißt es dort: „Die Hauptstadt Prag erkennt in Übereinstimmung mit der tschechischen Regierung die Ein-China-Politik weiterhin an, genauso wie Taiwan als einen untrennbaren Bestandteil des chinesischen Territoriums.“
„Aus meiner Sicht hat dieser Artikel in dem Vertrag nichts zu suchen. Das ist eine Angelegenheit, die Prag ganz unnötig in die Außenpolitik hineinzieht. Wir haben aber ganz andere Probleme“, äußerte der 38-jährige Politiker. Ganz so arglos unpolitisch scheint die Sache aber doch nicht zu sein. Denn der OB von Prag und Doktor der Medizin gilt als bekennender Taiwan-Fan. Er kennt das Land seit 2005, seit seinem Praktikum in einem Krankenhaus in der Hauptstadt Taipeh. Im vergangenen März war er mit einer Delegation dort und wurde von Präsidentin Tsai Ing-wen empfangen.
Unter Führung von Hřib hatte die Drei-Parteien-Koalition im Prager Rathaus seit ihrem Amtantritt vor gut einem Jahr versucht, mit der chinesischen Seite über die Ein-China-Klausel ins Gespräch zu kommen. Aber Peking ließ darüber nicht mit sich reden und reagierte mit Drohungen und Sanktionen: Chinareisen mehrerer Institutionen mit Prag im Namen wurden abgesagt. Das betraf eine Tournee des Prager Sinfonieorchesters, aber nicht nur: „Es kam zu absurden Zwischenfällen“, meint Hřib, „zum Beispiel bei der Besuchsabsage für das Pražák-Quartett, das nach seinem Gründer benannt ist und überhaupt nicht nach Prag.“
Staatspräsident Miloš Zeman, mehrfach in China unterwegs und um ein gutes Investitionsklima bemüht, wandte sich zwar gegen die Stornierung der Orchesterreisen. Seinen Worten zufolge müsse er aber „respektieren, dass das offensichtlich eine Vergeltung dafür ist, dass der Herr Oberbürgermeister glaubt, eine unabhängige Prager Außenpolitik betreiben zu können, die die Ein-China-Politik nicht akzeptiert. Da ist der Prager Magistrat auf einem schlechten Weg“. Sein Unverständnis äußerte Tschechiens Staatsoberhaupt auch gegenüber Xi Jinping. In einem Brief bat er seinen chinesischen Amtskollegen, sowohl die wirtschaftlichen als auch kulturellen „Projekte der tschechisch-chinesischen Zusammenarbeit“ fortzuführen.
Auch die Regierung bemüht sich seither um Schadensbegrenzung. Außenminister Tomáš Petříček (ČSSD) hat die Drohungen aus Peking kritisiert, sorgt sich aber nun um das politische Verhältnis zwischen beiden Ländern: „Das kann zur weiteren Verschlechterung der Beziehungen mit China beitragen, was wir uns nicht wünschen. Schließlich wollen wir den strategischen Dialog mit China weiterführen.“
Ministerpräsident Andrej Babiš (ANO) machte klar, dass die offizielle tschechische Politik weiterhin der Ein-China-Doktrin folgt. Zum Prager Magistrat ging er auf Distanz: „Wenn Prag in einem Kriegszustand mit China sein will, ist das seine Entscheidung. Aber 650.000 Touristen aus China besuchen jedes Jahr die Hauptstadt, und sie geben hier ihr Geld aus.“
Das sei so viel nun aber auch nicht, meint dazu Oberbürgermeister Hřib. Das meiste Geld gehe an die staatlichen chinesischen Reiseagenturen. Und überhaupt: Von der Partnerschaft mit Peking habe Prag nicht viel gehabt.
Ergänzend aus dem Interview des OB in der WELT von gestern:
„In diesem hochpolitischen Artikel sollten wir uns gegen die Unabhängigkeit von Taiwan und Tibet aussprechen, was für eine solche Städtepartnerschaft höchst ungewöhnlich ist. Andere Partnerstädte Pekings wie London, Riga oder Kopenhagen mussten einen solchen Passus nicht unterschreiben.“
Der Mann zeigt Rückrat! Ich hoffe er bleibt länger im Amt.
Guter Mann, auf der einen Seite ein demokratisches, weltoffenes Land (Taiwan) auf der anderen eine Menschen verachtende Diktatur (Volksrepublik China). Da müsste uns eigentlich die Wahl einfach fallen.
Sehr bemerkenswert, man muss sich durchaus von China nicht alles gefallen lassen.