Arrogante Geld- und tolle Gastgeber
Kommentare zum Artikel „Zwischen Ignoranz und Imageschaden“
14. 8. 2013 - Text: PZ
Schlechte Erfahrungen
Ihr Artikel über das geringe Ansehen der Tschechen in Deutschland ist durchaus lesenswert. Allerdings wurden einige wichtige Aspekte (absichtlich oder unbewusst) verdrängt. Diejenigen Deutschen, die – bzw. deren Vorfahren – die intensivsten Kontakte mit Tschechen hatten, sind die in Ihrem Artikel nicht genannten „Sudetendeutschen“ (von denen tatsächlich ja nur ein kleiner Teil im Gebirge namens Sudeten lebte). Sie haben 1945/46 die Tschechen als diejenigen erlebt, die ihnen sämtlichen Besitz, der nicht in einen Koffer passte, entschädigungslos enteigneten. Betroffene pflegten mitunter oft zu sagen: „Die Tschechen haben uns alles gestohlen; wenn es ihnen heute trotzdem schlechter geht als uns, ist das vielleicht ausgleichende Gerechtigkeit.“
Ich selbst gehöre einer jüngeren Generation an, habe aber trotzdem meine Erfahrungen gemacht: Seit 34 Jahren bin ich Autofahrer, in dieser Zeit nur insgesamt etwa vierzig Tage mit dem eigenen Fahrzeug in der Tschechoslowakischen (sozialistischen) bzw. Tschechischen Republik gewesen. Ein einziges Mal in den 34 Jahren wurden mir alle Räder von dem Auto gestohlen, während es tagsüber auf einem öffentlichen Parkplatz stand. Dies war in Chomutov (Komotau). Als der Wagen in Prag stand, wurde zudem – vermutlich bei dem Versuch, in den Wagen einzudringen – ein Türschloss beschädigt. Zufall?
Ein Tscheche, mit dem ich geschäftlich zu tun hatte, meinte, die Deutschen seien hierzulande eben bevorzugte Opfer von Dieben. Als ich auf dem Weg nach Prag auf einem grenznahen Parkplatz rastete, um mitgebrachtes Brot zu verzehren, wurde ich von zwei leicht bekleideten „Damen“ angesprochen, deren Kenntnis der deutschen Sprache sich offenbar auf die Frage beschränkte: „Willst Du Sex?“ Seitdem fahre ich seltener, und nötigenfalls nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Tschechische Republik. Aber auch dann muss ich mich vor Taschendieben vorsehen, die – wie ich in meiner Bekanntschaft erfahren habe – insbesondere an Bahnhöfen und in der Prager Metro ihr Unwesen treiben.
Ungeachtet dieser Zwischenfälle habe ich in der Tschechischen Republik mehrere sehr ehrenwerte und untadelige Partner und Freunde gefunden, die jedem Volk große Ehre machen würden. Dr. Thomas Lippert (per E-Mail)
Ungenutztes Potential
Klaus Hanisch spricht in seinem Artikel aus, was mir schon lange auf der Seele brennt. Es gibt natürlich auch wunderbare Ausnahmen, Kulturaustausch-Projekte, Förderungen und Partnerschaften zwischen den Nachbarn, aber im Großen und Ganzen ist das Interesse Deutschlands tatsächlich unter dem Maß, das es eigentlich haben könnte und geschichtlich bedingt auch haben sollte. Der gutmütig-herablassende Ton, der durch bloße finanzielle Unterstützungen entsteht, wird dem, was beide Länder voneinander haben könnten, nicht gerecht. Meine Ansicht, dass Deutschland eine Mitverantwortung trägt für einige wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Probleme und sich im Umgang mit Tschechien weniger onkelhaft gebärden und mehr echtes Interesse an den Menschen, ihren Nöten und Ambitionen entwickeln sollte, erweckt im Gespräch mit Deutschen meist Befremdung.
Deutschland hat sich in den Nachkriegsjahren zügig wirtschaftlich hochgearbeitet, lange Zeit ohne Aufarbeitung seiner Naziverbrechen. Tschechien wurde als Folge des Krieges kommunistisch abgeriegelt und verschwand von der Bildfläche der Deutschen. Als es nach der Wende wieder auftauchte, hatten sich da die zwei Länder schon so auseinander gelebt? Hätte Deutschland nicht gut daran getan, ein wenig mehr Solidarität zu zeigen? Stattdessen machten viele Jahre Forderungen von vertriebenen Sudetendeutschen Schlagzeilen. Folgendes war in Deutschland nicht zuletzt durch den wirtschaftlichen Aufschwung möglich: Errungenschaften im Umweltschutz, Entwicklungen im Bildungsbereich sowie ein starkes Sozialsystem. Diese Felder sind in Tschechien lange Zeit von der alternativen Szene und/oder ehrenamtlich bewirtschaftet worden. Der Untergrund musste vieles leisten, was in westlicheren Ländern staatlich unterstützt wurde.
Es hat aber keinen Sinn für Tschechien sich leid zu tun, auch wenn es von einem Trauma ins nächste getaumelt zu sein scheint. Vielmehr sollte es den Versuch wagen, sich innerlich unabhängig von dem dicken Nachbarn zu machen und sich auf seine Stärken und Möglichkeiten konzentrieren. Vieles lässt sich übertragen, wenn man in Tschechien von der Entwicklung in Deutschland lernen will, aber längst nicht alles. Denn der Kapitalismus hatte in Deutschland viel mehr Zeit, sich tief ins Bewusstsein zu graben, während er in Tschechien innerhalb weniger Jahre viele Menschen hat kopf- und hemmungslos werden lassen. Nach der Wende bestand die Möglichkeit, sich ohne Rücksicht auf das Gemeinwohl zu bereichern. Wer in dieser Zeit zu viel Geld gekommen ist, hat sehr wahrscheinlich nicht gewissenhaft gewirtschaftet. Das deutsche System im Eiltempo zu kopieren, führt zum Kollaps.
Vielmehr sollte man sich in Tschechien die Energie der vielen Pioniere, der Alternativen und derer zunutze machen (auch ökonomisch), die trotz und gerade wegen Korruption in der Politik und Übermacht der Industrie und Wirtschaft in Tschechien etwas bewegen wollen: Familien, die trotz widriger Umstände in Tschechien leben, arbeiten und ehrlich Steuern zahlen, Lehrer/innen, die eher für einen Hohn als einen Lohn arbeiten und gut ausgebildete Ärzte/-innen, die das Land nicht verlassen, um in Bayern das Sechsfache zu verdienen. Ich erlebe meine Generation dort als Kämpfer für eine ehrliche Gesellschaft, die sich ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung bewusst ist. Kampf weniger im idealistischen als im pragmatischen Sinn.
Wer in Tschechien einen Beruf im pädagogischen/sozialen Bereich ergreift, muss damit rechnen, für sehr viel Aufwand ein spärliches Gehalt als Gegenleistung zu bekommen. Aber auch alltägliche Dinge wie zum Beispiel Fahrradwege finden sich in Deutschland überall, in Tschechien sucht man danach vergebens. Gesundes Essen ist in Deutschland auch in Kantinen zu haben, auch wenn die Diskussion um Bio-Standards, Tiertransporte etc. längst nicht beendet ist. Spielplätze sind meist nah und gepflegt. Vieles, was Familien wichtig ist, ist in Tschechien von der Eigeninitiative abhängig. Konsequenterweise hat sich so zum Beispiel die Tradition der Feriencamps, der sogenannten Tábory, erhalten. Ein schönes Beispiel für Kreativität und Zusammenhalt.
Meine tschechische Frau und ich haben einige Jahre in Prag und Budweis in Kindergärten und Schulen gearbeitet. Zurzeit leben wir mit unseren Kindern in Deutschland, wollen aber zurück, sobald sich die Fragen klären, wie wir unser Geld verdienen, welcher Schule wir unsere Kinder anvertrauen und welche Wohnung realistisch ist. Die tschechische Kultur fasziniert mich. Folklore, Musik, Film und Theater – viele kulturelle Bereiche leben auf eine andere, wie ich finde lebendigere Weise, als es in Deutschland trotz all der Mittel möglich ist. Die Deutschen, die nicht im Austausch mit ihren tschechischen Nachbarn stehen, verpassen eine große Chance. Ein gegenseitiger Lernprozess der beiden Länder wird erst möglich sein, sobald Deutschland seinen Hochmut überwindet und sich Tschechien seiner verborgenen Kräfte besinnt. Franz Köster (per E-Mail)
Appell an die Politik
Der Artikel „Zwischen Ignoranz und Imageschaden“ hat mich sehr bewegt, zumal ich eine ganz andere Wahrnehmung von Tschechien und seinen Bürgern habe. Bei meinen bisherigen Besuchen in ihrem schönen und mit reicher Kultur gesegneten Land habe ich nette und kontaktfreudige Menschen kennengelernt und überwiegend angenehme Erfahrungen gemacht. Meine Vorfahren waren über Jahrhunderte mit Böhmen verbunden. Mein Vater sprach fließend die tschechische Sprache, was mir leider nicht vergönnt ist.
Ich selbst bin noch im Riesengebirge geboren und ich habe mich intensiv mit der Geschichte meines ursprünglichen Heimatlandes beschäftigt. Dies hat sicherlich dazu beigetragen, dass ich eine warmherzige Beziehung zu Tschechien habe. Sie mag nicht unbedingt repräsentativ sein. Mein Herzenswunsch wäre, wenn es den deutschen und tschechischen Politikern gelänge, insbesondere junge Menschen für den jeweiligen Nachbarn stärker zu interessieren und entsprechende dauerhafte Projekte auf den Weg zu bringen. In diesem Sinne wünsche ich der „Prager Zeitung“ weiterhin viel Erfolg auf ihrem Weg der aktuellen Information deutschsprachiger Leser. Reinhard Wlatschiha (per E-Mail)
Hoffen auf die junge Generation
Ich muss (leider) dem Autor weitestgehend zustimmen. Die Erscheinungen, die er aufzählt, sind tatsächlich so üblich bei den meisten Deutschen, aber eigentlich nur die Spitze des Eisberges. Es gibt da noch viel mehr Anzeichen von Geringschätzung tschechischer Bürger durch Deutsche. Beispielsweise erwarten viele Deutsche in Tschechien, dass Tschechen ganz selbstverständlich Deutsch sprechen. Deutsche hingegen, die wenigstens die einfachsten tschechischen Redewendungen sprechen können, gibt es verschwindend wenige. Der Artikel geht aber kaum auf Ursachen und Hintergründe ein. Ein ganz wichtiger Indikator für den unterschiedlichen Umgang mit den tschechischen Nachbarn ist das eigene Alter. Während jüngere und gebildetere Deutsche völlig unverkrampft mit den Nachbarn umgehen und keinerlei Überheblichkeit an den Tag legen, ist das bei vielen Älteren ganz anders.
Woran liegt das? Zum einen konsumieren die Älteren in Deutschland vorwiegend die Medien, die „einfach gestrickte“ Leute eben besonders ansprechen, mit großen, provokanten Überschriften und BILDern, aber mit ganz wenig Text zum Nachdenken. Einer der letzten Chefredakteure der BILD-Zeitung legte in einem Interview die Zielgruppe des Blattes auf „Ältere und vorwiegend Ungebildete“ (Zitat!) fest. Das Gedankengut dieser Medien, also die „guten Deutschen“ und die „bösen Osteuropäer“, hat sich in den letzten Jahren leider in den meisten älteren Köpfen festgesetzt. Junge und gebildete Leute konsumieren solche Medien fast überhaupt nicht (hoffentlich bleibt das auch so!).
Des Weiteren halten sich in vielen alten Köpfen auch Vorurteile aus der Vergangenheit, sogar noch aus der NS-Zeit. Im Unterbewusstsein vieler Alter ist Tschechien immer noch eigentlich deutsches Gebiet, eben die sogenannte „Tschechei“. In Sachsen werden auf Straßenschildern tschechische Ortschaften grundsätzlich ins Deutsche übersetzt, der tatsächliche Name erscheint höchstens in Klammern, wenn überhaupt. Sollte irgendetwas in Tschechien wirklich mal positiv auffallen, muss das natürlich etwas aus der „guten alten Zeit“, also den Jahren der deutschen Besetzung, sein. Auch wenn es natürlich nicht bei jeder älteren und jedem älteren Deutschen so ist, die grundsätzliche Tendenz ist aber leider nicht von der Hand zu weisen. Diese Voreingenommenheit wird aber ganz sicher mit jeder neuen Generation nachlassen, aus den alten Köpfen ist so etwas ganz schwer herauszukriegen.
Ralph Lohse (Dresden)
Schädliche Parolen
Ihre „Kritische Bestandsaufnahme der nach wie vor schwierigen deutsch-tschechischen Nachbarschaft“ mag zwar von den angeführten Fakten her richtig sein, aber ist das die ganze Wahrheit? Im Beitrag wurde Sachsen mehrmals erwähnt. Als jemand, der in Sachsen lebt und für den Tschechien über Jahrzehnte (seit 1962) das Reiseland Nr. 1 war, erlaube ich mir, Herrn PZ-Autor Klaus Hanisch darauf hinzuweisen, dass es auch andere Deutsche gibt, als die negativ von ihm erwähnten „Otto Normalbürger“ mit ihren bajuwarischen Stammtischparolen.
Obwohl es nach der Wende möglich war in Spanien und anderswo für billiges Geld Urlaub zu machen, sind doch viele Ostdeutsche ihrem geliebten Prag, dem Bäderdreieck, dem Riesen- und Isergebirge treu geblieben. „Andersgläubige“ können sich vor Ort davon überzeugen. Bei meinen vielen Urlaubsreisen nach Böhmen habe ich von einer „schwierigen deutsch-tschechischen Nachbarschaft“ nie etwas bemerkt. Über die Jahre hin haben sich echte Freundschaften zwischen uns und unseren tschechischen Gastgebern entwickelt. Als Referenz an unsere tschechischen Gastgeber habe ich zu DDR-Zeiten an der Volkshochschule Tschechisch gelernt.
Wer noch mehr Negatives zum Thema: „Zwischen Ignoranz und Imageschaden“ anführen will, wird es bestimmt auch finden. Doch wem nützt es? Ich jedenfalls finde, solche Parolen schaden mehr als sie nützen! Es ist nicht übertrieben, wenn ich behaupte, dieses Nachbarland mit seinen sympathischen Menschen und tollen Gastgebern ist mir im Laufe der Jahre zur zweiten Heimat geworden und das Reiseland Nr. 1 geblieben. Horst Münze (Leipzig)
Tschechen isolieren sich selbst
Ich bin in Böhmen geboren und kann mich in der tschechischen Sprache verständigen, außerdem bin ich einige Male im Jahr in der Tschechischen Republik. Zu Ihrem Artikel möchte ich folgendes sagen: Wenn ich Tschechen fragte, ob sie die Polen mögen war die Antwort nein, die Slowaken eigentlich nicht, die Ungarn überhaupt nicht und die Österreicher schon gar nicht und uns Deutsche – aber das war mir schon klar. Auf die Frage, ob das an den Nachbarn läge oder an den Tschechen – war nur ein betretenes Schweigen zu vernehmen.
Die Tschechen brauchen die Deutschen als Sündenbock, als Alibi für ihre Vergehen. Deutsche haben große Verbrechen begangen, sie haben sie zugegeben, bereut und versucht wieder gutzumachen. Die Tschechen verdrängen, wollen nichts wahrhaben, sind nicht informiert und nicht interessiert was war. Sie isolieren sich selbst. A.K. Braun (per E-Mail)
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