Tod nach Drehschluss
Als Schauspielerin und Widerstandskämpferin erlangte Anna Letenská traurige Berühmtheit
27. 9. 2016 - Text: Helge HommersText und Fotos: Helge Hommers
Normalerweise sind Filmcrews nach der letzten Klappe erleichtert über das Ende der Dreharbeiten. Doch als im Jahr 1942 die letzte Szene von „Přijdu hned“ („Ich komme gleich“) im Kasten war, wusste Anna Letenská, dass es ihr letzter Film war und sie nicht mehr lange leben würde. Wenige Monate später beorderten sie die Nazis im Konzentrationslager Mauthausen zu einer angeblich medizinischen Untersuchung. Tatsächlich führten sie die Schauspielerin jedoch in die Exekutionskammer und richteten sie dort per Genickschuss hin. Keine 150 Meter entfernt von ihrer langjährigen Wirkungsstätte, dem Theater in den Weinbergen (Divadlo na Vinohradech), erinnert heute die Anna-Letenská-Straße an die Widerstandskämpferin.
Die 1904 geborene Anna Svobodová bekam die Schauspielerei in die Wiege gelegt: Ihre Eltern arbeiteten am Theater und auch ihre ältere Schwester widmete sich der darstellenden Kunst. Eigene schauspielerische Erfahrungen sammelte Anna bereits als 15-Jährige. Ihre erste Festanstellung bekam sie in České Budějovice (Budweis), wo sie ihren Kollegen Ludvík Hrdlička – der unter dem Künstlernamen „Letenský“ auftrat – kennenlernte und ihn 1935 heiratete. Im Jahr darauf bekamen sie einen Sohn und zogen nach Prag, wo Anna zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ein Engagement am Theater in den Weinbergen erhielt.
Schwindende Hoffnung
Sie trat in zahlreichen Dramen unter anderem von Heinrich von Kleist und Gerhart Hauptmann auf, in denen sie zumeist selbstbewusste und bodenständige Figuren verkörperte. Zudem war sie in einigen Filmen – vorwiegend in komödiantischen Rollen – an der Seite ihres Mannes zu sehen. Dem Publikum gefielen ihre Auftritte und sie wurde schnell zum Star. Zeitgleich ging ihre Ehe in die Brüche. Lange war Anna jedoch nicht allein: 1941 heiratete sie den Architekten Vladislav Čaloun, der im tschechoslowakischen Widerstand aktiv war und in dem sie sich fortan ebenfalls engagierte.
Nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich gewährte das Paar einem der gesuchten Drahtzieher Unterschlupf. Dieser wurde jedoch verhaftet, wodurch die Gestapo von seinen Helfern erfuhr. Während ihr Mann direkt festgenommen wurde, durfte sich Anna weiter frei bewegen. Sie ahnte, dass einzig ihr Mitwirken an den laufenden Dreharbeiten von „Přijdu hned“ ihr Leben verlängerte. Mit jedem Tag schwand ihre Hoffnung ein wenig mehr, während sie vor der Kamera weiter die Rolle einer schlagfertigen und stets gut gelaunten Haushälterin spielte.
Nach Ende der Dreharbeiten wurde Anna Letenská im Gefängnis Pankrác interniert und über Theresienstadt nach Mauthausen gebracht. Mit ihr wurden weitere 135 Frauen im Abstand von jeweils zwei Minuten ermordet. Viele von ihnen hatten die Nationalsozialisten verhaftet, um das Heydrich-Attentat zu rächen.
Anna Letenská kehrte lange nach ihrem Tod doch noch einmal auf die Leinwand zurück. Im Jahr 2009 verfilmte der deutsche Regisseur Fred Breinersdorfer ihr Schicksal mit Hannah Herzsprung in der Hauptrolle als Doku-Drama „Andula – Besuch in einem anderen Leben“.
„Wie 1938“
30 Jahre PZ