Tritt auf die Euro-Bremse
EU-Finanzminister beschließen Bankenaufsicht – Tschechien bleibt skeptisch
19. 12. 2012 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: anieto2k
Eigentlich hätte Tschechiens Premierminister Petr Nečas (ODS) Ende vergangener Woche die Brüsseler Beratungen zur europäischen Bankenunion entspannt über sich ergehen lassen können. Denn die nach einem 14-stündigen Verhandlungsmarathon beschlossene zentrale Bankenaufsicht tangiert zunächst einmal nur die Länder der Eurozone. Dass Nečas und Finanzminister Miroslav Kalousek (TOP 09) dennoch mit ganz besonderer Aufmerksamkeit den Verhandlungen folgten, hat einen besonderen Grund, der mit der spezifischen Struktur des tschechischen Bankenmarktes im Zusammenhang steht: Zwar ist man nicht Mitglied der Eurozone, doch werden 90 Prozent des tschechischen Bankensektors von Geldinstituten beherrscht, deren Muttergesellschaften ihren Stammsitz in der Eurozone haben. Sollten diese Muttergesellschaften auf die Idee kommen, ihre tschechischen Töchter in Filialen umzuwandeln, dann entzögen sich diese der Kontrolle durch die Tschechische Nationalbank (ČNB) und würden der europäischen Bankenaufsicht unterstehen.
Das galt es aus tschechischer Sicht zu vermeiden. Gelungen ist es insofern, als dass im Text der Vereinbarung ausdrücklich auf diesen tschechischen Wunsch Rücksicht genommen wurde. „Wir haben die Versicherung bekommen, dass das Aufsichtsorgan auf keinen Fall die Muttergesellschaften zu einer Transformation der Töchter anhalten kann“, bestätigte Finanzstaatsekretär Radek Urban. Dass Regierungschef Nečas auf die Verhandlungsergebnisse dennoch eher gereizt denn zufrieden reagierte, muss wohl daran gelegen haben, dass ihm das gesamte Brüsseler Vorhaben der Bankenunion gehörig gegen den Strich geht. „Ich bin tief davon überzeugt, dass wir absolut keinen Grund haben, der Bankenunion beizutreten, solange wir außerhalb der Eurozone sind“, stellte der Premier klar. Und das kann noch eine Weile dauern – es gibt zwar eine Absichtserklärung, irgendwann dem Euroraum beizutreten, aber de facto ist dies momentan in Prag überhaupt kein Thema.
Nečas wie Klaus
Die Brüsseler Einigung sieht eine zentrale Bankenaufsicht ab März 2014 vor. Sie betrifft nur die rund 150 bis 200 systemrelevanten der insgesamt rund 6.000 Geldinstitute. Für Tschechien erwarten Finanzexperten zunächst keine direkten Auswirkungen. „Bei den großen drei – ČSOB, Česká spořitelna und Komerční banka –, die von der Vereinbarung betroffen sein werden, setze ich nicht voraus, dass es Druck von Seiten der Muttergesellschaften geben wird, eine Umwandlung in Filialen zu betreiben. Von daher sollte sich also nichts Grundsätzliches auf dem tschechischen Bankensektor verändern“, so der Finanzmarktanalytiker Marek Hatlapatka. Der stellvertretende Vorsitzende der Tschechischen Banken-Assoziation (ČBA), Jan Matoušek, sprach von einem „vernünftigen Kompromiss“, der auch die Bedürfnisse des tschechischen Bankensektors und seiner Kunden berücksichtige.
Die Einigung auf eine Bankenaufsicht war dabei jedoch lediglich der erste Schritt in Richtung Bankenunion. Noch unklar ist, ob und wann man sich auf weitere wichtige Punkte wie Rettungsmechanismen für Problembanken oder eine einheitliche Einlagensicherung einigen wird. Premier Nečas trat für Tschechien auf die Euro-Bremse. „Zur Zeit weiß niemand, wie dieses System funktionieren wird, das steht in den Sternen. Für uns gibt es jedenfalls keinen Grund zur Eile“, sagte er. Auf weitergehende Überlegungen einiger EU-Länder wie Haushaltskontrollmechanismen, ein eigenständiger Eurozonen-Haushalt oder verbindliche Reformverträge zwischen einzelnen Ländern und der EU-Kommission reagierte der als gemäßigter Euroskeptiker geltende Regierungschef genervt. „Können Sie sich vorstellen, dass die deutsche Bundesregierung es wagt zu fordern, den bayerischen oder sächsischen Haushalt zu verabschieden? Das ist wohl kaum durchsetzbar. Und hier wird das auf europäischer Ebene für die Eurozone eingeführt. Man überspringt also die Phase des föderalen Staates, um gleich zum superunitären Staat zu gelangen“, so Nečas, dessen Wortwahl in diesem Punkt doch sehr an die Rhetorik eines Václav Klaus erinnerte.
Den Ländern der Eurozone mag ein erster Schritt Richtung Bankenunion gelungen sein. Tschechien wird diesen Prozess – zumindest unter dieser Regierung – vorerst lediglich als kritischer Beobachter begleiten.
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