„Tschechen sind absolut treue Spieler“

„Tschechen sind absolut treue Spieler“

Sport-Vorstand Martin Bader über frühere und künftige Akteure beim 1. FC Nürnberg

26. 6. 2013 - Interview: Klaus Hanisch

Kein Bundesliga-Klub liegt näher zu Tschechien als der 1.FC Nürnberg. Diesen Standortvorteil nutzt der Verein konsequent aus, wie Sport-Vorstand Martin Bader im Gespräch mit PZ-Autor Klaus Hanisch verdeutlicht. Der 45-Jährige verpflichtete in den vergangenen neun Jahren gleich sechs tschechische Profis: Jan Polák, Tomáš Galásek, Jaromír Blažek, Jan Koller, Tomáš Pekhart und Adam Hloušek.

Herr Bader, an welchen tschechischen Spieler denken Sie besonders gerne?
Martin Bader: Natürlich bleibt Tomáš Galásek besonders hängen, weil er maßgeblichen Anteil am Pokalsieg 2007 hatte. Obwohl er nur zwei Jahre hier war, hat er die meisten Spuren hinterlassen, zumal er im zweiten Jahr auch Kapitän war. Er kam von Ajax Amsterdam, hatte auch als Nationalspieler eine besondere Vita und wurde zum Vorbild für künftige Spieler-Verpflichtungen. Aber auch die anderen möchte ich nicht missen. Genauso wenig übrigens die slowakischen Spieler wie Vratislav Greško und Marek Mintál, der bei uns Bundesliga-Torschützenkönig wurde (und ab der Saison 2013/14 Co-Trainer von Michael Wiesinger und Armin Reutershahn ist, Anm. d. Red.).

In Ihre Amtszeit fällt neben dem DFB-Pokalsieg 2007 auch der Abstieg 2008. War unter den Tschechen auch ein Fehlgriff?
Bader: Das würde keinem gerecht. Und der Abstieg war hausgemacht. Was wir damals unterschätzten, war der Abgang unseres Kapitäns und Torhüters Raphael Schäfer. Für seinen Nachfolger Jaromír Blažek ist manches unglücklich gelaufen, auch weil die Mannschaft nach den Erfolgen der Vorsaison nicht mehr alles gab. Er brachte uns allerdings mit guten Leistungen in die Zwischenrunde der Europa League.

Ihr Ex-Trainer Dieter Hecking sagte, ein Verein wie Nürnberg müsse bei seinen Etatmöglichkeiten gerade auch in Ländern wie Tschechien nach geeigneten Spielern suchen. Haben Sie dort ein spezielles Scouting-System mit eigenen Mitarbeitern?
Bader: Es wäre geradezu fahrlässig, wenn wir die Tschechen nicht laufend beobachten würden. Für uns arbeitet dort Marek Nikl, ein ehemaliger Spieler (in 228 Partien zwischen 1998 und 2007, Anm. d. Red.). Er gibt uns Informationen aus erster Hand. Außerdem haben wir einen Mitarbeiter in Deutschland, der sich fast alle Spiele der tschechischen Liga ansieht und auch die Slowakei beobachtet.

Tschechien liegt quasi vor Ihrer Haustür. Kann der 1.FC Nürnberg bei tschechischen Profis mit dieser geographischen Nähe punkten?
Bader: Diese Nähe zur Heimat war in meinen Gesprächen mit tschechischen Profis bisher tatsächlich ein sehr wichtiges Argument. Außerdem können viele von ihnen durch diese Nähe von vornherein mehr mit unserem Verein anfangen als mit anderen Bundesligisten. Mein obligatorisches Eingangsstatement, mit dem ich neue Spieler für uns begeistern will, kann ich mir bei Tschechen sparen.

Spielt auch Ihre lange Tradition als neunfacher Deutscher Meister und vierfacher Pokalsieger eine Rolle – oder zählen nur noch Erfolgsaussichten und Gehälter?
Bader: Wir besetzen seit Jahren eine Nische in der Bundesliga, die für tschechische Spieler nicht uninteressant ist: Gerade junge Spieler wissen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit bei uns spielen werden. Bei uns können sie den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung machen und sich für andere Vereine anbieten. Das geht nicht überall!

Laufen Verhandlungen mit tschechischen Spielern und ihren Beratern anders ab als mit deutschen?
Bader: Nein. Und ich habe bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht. Mit Pavel Paška gibt es sogar einen tschechischen Berater, der nicht nur in Prag ein Büro hat, sondern in Fürth eine zweite Heimat. Er weiß, was er seinen Spielern empfehlen kann. Das hat sich bei den Transfers von Polák und Pekhart gezeigt, die sich über ein Jahr hinzogen. Da war es für uns wichtig, mit einem Berater zu verhandeln, der zu seinem Wort steht und Spieler überzeugen kann.

Fordern tschechische Klubs und Spieler mittlerweile zu viel?
Bader: Die tschechischen Vereine wissen mittlerweile genau, was ihre Spieler wert sind. Doch es ist ein legitimes Recht in der freien Marktwirtschaft, dass sie für ihre talentierten Jungs viel verlangen und das Beste für sich herausholen. Das machen wir auch so. Dann muss man abwägen, ob solch ein Transfer machbar ist. Wir waren aktuell auch sehr an Václav Kadlec interessiert, weil er ein Ausnahmestürmer ist. Aber die Ablöseforderungen von Sparta Prag sind einfach zu hoch für uns.

Spieler, die in ihren tschechischen Klubs Leistungsträger waren, stürzten in der letzten Bundesliga-Saison geradezu ab. Haben Sie den Eindruck, dass Tschechen zuweilen überschätzt werden oder nicht ausreichend auf die Bundesliga vorbereitet sind?
Bader: Wir haben bisher Glück gehabt. Spieler, die direkt aus Tschechien zu uns kamen, hatten nur relativ kurze Anlaufschwierigkeiten. Wichtig ist, wie ein Verein die Spieler auffängt. Wir treffen uns grundsätzlich mit den Familien, mit den Spielern vor Ort und laden sie zu uns ein. Umgekehrt prägen Spieler natürlich auch Erfahrungen, die sie vorher gemacht haben. Pekhart hat schon Rückschläge in jungen Jahren in England erlebt. Und Hloušek war beim Abstieg von Kaiserslautern dabei, ging zurück nach Tschechien und lernte dort die sportlichen, wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Bedingungen in der Bundesliga noch mehr zu schätzen. Dann brauchst du solche Spieler nicht mehr „anzufixen“. Wir haben uns einen Erfahrungsschatz angeeignet, um beurteilen zu können, ob ein tschechischer Spieler in der Bundesliga „durchkommt“ oder nicht.

In Ihrem Kader standen zuletzt unter anderem ein Schweizer, Brasilianer, Schwede, Japaner, Israeli, Belgier, Kongolese, Amerikaner, Argentinier. Wie unterscheiden sich Tschechen von all den anderen?
Bader: Sie sind zurückhaltender, was durchaus keine negative Eigenschaft ist, im Gegenteil. Und sie sind absolut treue Spieler, du kannst dich hundertprozentig auf sie verlassen.

Für den Erfolg einer Mannschaft sind auch deren Charakter und Mentalität wichtige Faktoren. Wie weit prägen die „misstrauischen und sturen“ Tschechen eine Mannschaft?
Bader: Wir wussten diesen Charakterzug immer sehr zu schätzen. Daher kann ich mir eine Mannschaft ohne Tschechen schwerlich vorstellen! Wenn es Sturheit ist, sich wie Pekhart aus einem Formtief herauszuarbeiten, dann ist das eine sehr gesunde Eigenschaft. Ganz bezeichnend ist für mich auch, wie Hloušek einen unglaublichen Leidensweg durchmachen muss und trotzdem nie deprimiert oder missmutig ist.

Düsseldorf wäre möglicherweise nicht abgestiegen, wenn sich der im Winter von Slavia Prag gekommene und lange glänzende Abwehrstratege Martin Latka nicht kurz vor Saisonschluss verletzt hätte. Auch Nürnberg war in der Innenverteidigung nicht sehr breit aufgestellt. Haben Sie Latka übersehen?
Bader: Nein. Natürlich haben wir uns mit Latka schon vor längerer Zeit beschäftigt. Sie können sicher sein, wenn er uns interessiert hätte, dann wäre er zu uns gekommen und nicht nach Düsseldorf. Wir haben uns nicht gegen ihn entschieden, sondern für unsere bestehenden Innenverteidiger im Bundesligakader und die eigenen aus dem Nachwuchs.

Sie sagten kürzlich, Nürnberg müsse wegen seines begrenzten finanziellen Spielraums immer auch die Reservebanken großer Klubs im Auge behalten. Dort saßen zuletzt tschechische Nationalspieler sogar mit Champions-League-Erfahrung, wie Jiráček beim HSV oder der lange verletzte Pilař, der nun vom VfL Wolfsburg an den SC Freiburg ausgeliehen wird. Hatten Sie kein Interesse, obwohl Nürnberg mit Leihspielern zuletzt gute Erfahrungen gemacht hat?
Bader: Ich gucke immer zuerst in meinen Kader. Wenn wir die Positionen mit Spielern besetzt haben, die unser Vertrauen genießen, dann holen wir nicht noch einen dazu. Beispiel Jiráček: Wir haben eine große Zahl an Mittelfeldspielern, die uns gehören, da brauchen wir keine weiteren Spieler. Bei ihm und auch bei Pilař passt es aktuell nicht. Vorrang hat sowieso die Entwicklung unserer eigenen jungen Spieler.

Planen Sie noch mit Adam Hloušek, der wegen einer schweren Knieverletzung seit März 2012 nicht mehr spielen konnte?
Bader: Ich bin sicher, wenn sein Knie hält, wird er uns noch ganz viel Freude bereiten. Er bringt trotz vieler Rückschläge eine positive Grundeinstellung mit. Einen wie ihn hat man einfach gerne in jeder Mannschaft, sowohl vom Charakter als absoluter Teamplayer wie von den sportlichen Möglichkeiten her. Wir haben nicht viele Spieler mit einem starken linken Fuß, und er kann links sowohl auf der defensiven wie offensiven Außenbahn spielen.

Frankfurt und Schalke buhlen um Václav Kadlec. Gibt es kommende Saison auch einen Neuen aus Tschechien bei Nürnberg?
Bader: Nein. Unsere Kaderplanung ist weitgehend abgeschlossen. Doch wir behalten den tschechischen Markt weiter im Auge. Es gibt zwei, drei interessante junge Spieler, die aber mindestens noch ein Jahr in Tschechien spielen sollten.

Wen genau beobachten Sie?
Bader: Ich nenne keine Namen, weil wir den Wettbewerbsvorteil nutzen wollen, näher dran zu sein als andere Vereine. Dadurch können wir uns intensiver um diese Spieler kümmern.

Gerade von Meister Viktoria Pilsen werden immer wieder Leistungsträger als Wechselkandidaten genannt. Vor allem František Rajtoral. Haben Sie ein Auge auf ihn geworfen?
Bader: Rajtoral ist ein hochinteressanter Spieler, wir kennen ihn schon lange. Doch seine Position ist bei uns besetzt, da hat es einfach keinen Sinn ihn zu holen. Wir schauen immer erst auf die Position und dann in die Kader anderer Vereine. Wenn eine nicht besetzt ist, suchen wir nach neuen Spielern. Und wenn sich dann einer aus Tschechien anbietet, wissen wir, dass schon einige Voraussetzungen erfüllt sind. Pilsen hat sich dafür bisher nie angeboten.