Umstrittener Bau
Škoda Auto lässt Geburtshaus von Ferdinand Porsche rekonstruieren
27. 10. 2015 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: ČTK/Radek Petrášek
In Vratislavice nad Nisou (Maffersdorf) scheiden sich wieder einmal die Geister an Ferdinand Porsche, dem wohl berühmtesten Sohn der einstigen nordböhmischen Kleinstadt, die heute ein Stadtbezirk von Liberec (Reichenberg) ist. Im vergangenen Jahr sorgten Schilder mit der Aufschrift „Geburtsort von Ferdinand Porsche“ für öffentlichen Streit – und wurden von den Stadtverordneten schließlich entfernt. Nun ist es das Geburtshaus des Automobilbauers, das für Unmut sorgt. Seit September lässt es der Fahrzeughersteller Škoda Auto, der das Gebäude 2011 erwarb, rekonstruieren. Vom ursprünglichen Bau sollen nur die Außenwände im ersten Stockwerk erhalten bleiben, der Rest wurde bereits abgerissen. Das kritisieren die Anhänger von Porsche. „Wir sind enttäuscht“, moniert Milan Bumba, Vorsitzender des Porsche Classic Club in Tschechien. „Wenn man ein Haus auf diese Weise vernichtet und einfach neu aufbaut, könnte man auch gleich ein Schild an seiner Stelle aufstellen: Hier stand das Geburtshaus von Porsche. Mit dem ursprünglichen Bau wird es nichts gemeinsam haben.“
Das Unternehmen verspricht jedoch, das Haus in seinem Zustand von 1880 wiederherzurichten, als Porsche dort seine Kindheit und Jugend verbrachte. „Die Baufirma hat alle nicht-originalgetreuen Bauteile entfernt. Leider gab es davon viele“, so Vítězslav Kodym von Škoda Auto. Das Haus sei im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrfach grundlegend umgebaut worden; nahezu jede Gebäudeöffnung und sogar Grundriss und Höhe seien verändert worden, sagt Kodym. „Dennoch glauben wir, dass die Öffentlichkeit die Gestalt des Hauses, die es hatte, als Porsche im Jahr 1875 hier geboren wurde, nach Abschluss der Bauarbeiten zu schätzen wissen wird.“
Bis Sommer 2016 soll das Projekt abgeschlossen werden. Das Gebäude wird einen Vorgarten erhalten und mit historischen Elementen versehen. Im Inneren wird sich eine Ausstellung dem Lebenswerk Porsches widmen. „Wir wollen einen würdigen Ort schaffen, an dem die Wurzeln des Ingenieurswesens in den böhmischen Ländern aufgezeigt werden, einschließlich des Vermächtnisses des berühmten Konstrukteurs“, sagt Škoda-Sprecherin Barbora Bartošová. Besucher sollen in dem Haus auch einen Einblick in die Weiterentwicklung von Automobilen erhalten.
Ferdinand Porsche ist vor allem als Entwickler des VW Käfer bekannt geworden. In Maffersdorf wohnte er bis zu seinem 18. Lebensjahr. 1931 gründete er in Stuttgart ein Konstruktionsbüro, den Vorläufer der heutigen Porsche AG. Umstritten ist Ferdinand Porsche aufgrund seiner Kooperation mit den Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs. Ab 1938 arbeitete er als Geschäftsführer der Volkswagen AG. Als SS-Oberführer und „Wehrwirtschaftsführer“ war Porsche zudem in der Kriegsindustrie tätig und konstruierte Panzer. Mit Hitler und Himmler verhandelte er über die Beschäftigung von KZ-Häftlingen. Etwa 20.000 Menschen – insgesamt mehr als zwei Drittel der während des Zweiten Weltkriegs im VW-Werk Beschäftigten – waren Zwangsarbeiter.
„Wie 1938“
30 Jahre PZ