Umstrittener Brüller
Auf der Kleinseite erinnert ein Löwe an die tschechoslowakischen Piloten im Zweiten Weltkrieg. Denkmalschützer protestieren und drohen mit rechtlichem Nachspiel
25. 6. 2014 - Text: Martin NejezchlebaText: Martin Nejezchleba; Foto: Daniel Nagelstutz
Am Montag vergangener Woche ist der geflügelte Löwe auf der Prager Kleinseite gelandet – seinen Kritikern zum Trotz. Einen Tag vor der offiziellen Enthüllung hievte ein gelber Kran die etwa 500 Kilo schwere Bronzestatue auf seinen Sockel auf dem Klárov-Platz, gegenüber der Metrostation Malostranská. Sie erinnert an den Einsatz der tschechoslowakischen Luftwaffenverbände in der Royal Air Force während des Zweiten Weltkriegs und wurde durch eine Spendensammlung der in Prag lebenden Briten finanziert. Prager Denkmalschützer hatten sich gegen den Standort ausgesprochen, an dem bereits ein Monument für die Opfer des Zweiten Weltkriegs steht.
„Diese jungen Männer waren die Besten der Besten“, sagte der englische Abgeordnete und Churchill-Enkel Nicholas Soames, bevor er am Dienstag das weiße Tuch vom Löwen zog. 2.500 tschechoslowakische Piloten waren für die britische Luftwaffe im Einsatz. In die Geschichte schrieben sie sich vor allem mit ihrem Beitrag zur Luftschlacht um England ein, bei der die Nazis eine empfindliche Niederlage hinnehmen mussten. 493 Tschechoslowaken starben im Dienste der britischen Luftwaffe. „Es ist ein Symbol des Widerstandes, der Loyalität und des Heldentums jener 2.500 Männer und Frauen, ein Symbol der Dankbarkeit, des Respekts und Bewunderung der britischen Bürger“, so Soames.
Bei der feierlichen Enthüllung waren der Parlamentsvorsitzende Jan Hamáček (ČSSD), Verteidigungsminister Martin Stropnický (ANO), Kriegsveteranen und Vertreter der britischen Botschaft und des ersten Stadtbezirks anwesend. Ein historischer Spitfire-Jagdflieger flog über ihnen hinweg.
Das Denkmal entstand im Schnellverfahren. Von der Idee bis zur Einweihung verging laut Initiator Euan Edworthy nur knapp ein Jahr. Binnen weniger Monate waren 3,3 Millionen Kronen (etwa 120.000 Euro) beisammen. „Die positiven Reaktionen sind überwältigend“, sagte Edworthy im Frühjahr. „Dieses Denkmal steht für einen Beitrag zur Geschichte, der nicht in Vergessenheit geraten sollte. Es ist sehr ermutigend, dass so viele Briten die Gelegenheit nutzen, jene zu ehren, denen Ehre gebührt.“
Kunst inklusive
Mit der Anfertigung des Denkmals wurde der britische Bildhauer Colin Spofforth beauftragt. Sein Studio spezialisiert sich auf Auftragsarbeiten, liefert Denkmäler im Gesamtpaket samt Event-Planung und Installation. Seine Werke schmücken Einkaufszentren und Firmensitze, vor allem in Großbritannien. Und hier beginnt der Aufstand der Prager Künstler und Denkmalschützer. Pavel Karous etwa, bekannter Kämpfer für den Erhalt von Skulpturen aus den 1970er und 1980er Jahren, nennt die Statue „Kitsch“.
In jedem Fall ist sie Passanten leicht zugänglich. Ein brüllender Löwe – Wappentier des Vereinigten Königreichs ebenso wie der Tschechischen Republik – mit Flügeln und auf einem Granit-Sockel, der von oben betrachtet das Emblem der Tschechoslowakischen Luftwaffe darstellt.
„Ich kenne nicht viele Plätze, auf denen zwei Denkmäler nebeneinander stehen würden“, nennt Jiří Skalický, Leiter des Denkmalschutzamtes in Prag den Hauptkritikpunkt seiner Institution. Die hatte die Wiese mit Blick auf Moldau und Burg als Standort für den geflügelten Löwen abgelehnt. Nun möchten sie die Entscheidung des Bauamtes von Prag 1 überprüfen lassen. Skalický ist überzeugt, dass sie nicht im Einklang mit dem Gesetz gefällt wurde.
Für den Einwand der Denkmal-Befürworter, man müsse sich für das Geschenk der Briten dankbar erweisen, hat er kein Verständnis. „Es gelten bestimmte Regeln für die Installation von Statuen im Denkmalschutzgebiet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir derart schnell und rasant ein Geschenk im Londoner Zentrum unterbringen würden“, so Skalický. Das Amt hatte die Kinsky-Gärten in Smíchov, den Vítkov-Hügel oder das Ufer an der Štefánik-Brücke für das Denkmal vorgeschlagen. Das lehnte das Rathaus von Prag 1 ab. Wegen des Streits ist der Standort der Statue offiziell noch ein provisorischer. Bürgermeister Oldřich Lomecký (TOP 09) pocht darauf, den Löwen dort zu belassen, wo er gelandet ist. Alles andere käme einer internationalen Blamage gleich.
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