Ungeahnte Höhen
Zum Biathlon-Weltcup in Nové Město werden über 90.000 Zuschauer erwartet. Dabei hat sich in Tschechien bis vor wenigen Jahren kaum jemand für die Sportart interessiert
4. 2. 2015 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: Koma Modular
Nové Město na Moravě ist auf dem besten Weg, eine feste Größe im Biathlon-Sport zu werden. Dafür sprechen vor allem die Besucherzahlen: Zu jedem einzelnen Weltcup-Rennen an diesem Wochenende erwarten die Veranstalter mehr als 30.000 Zuschauer, das wäre Saisonrekord.
Der Präsident des tschechischen Biathlonverbandes (ČSB) Jiří Hamza rechnet fest damit, dass noch mehr Menschen im Stadion und an der Strecke sein werden als in Ruhpolding oder Oberhof – an fünf Wettkampftagen wurden in den Chiemgauer Alpen und im Thüringer Wald rund 66.000 Zuschauer gezählt.
„Derzeit gehört Nové Město zu den prestigeträchtigsten Adressen auf der Welt. Alle unsere Erwartungen, die wir irgendwann einmal hatten, sind bei Weitem übertroffen worden“, freut sich Hamza. Während die weltbesten Biathleten in Oberhof und Ruhpolding bereits seit Anfang der achtziger Jahre um Weltcup-Punkte kämpfen, findet nach 2012 erst zum zweiten Mal überhaupt ein Weltcup in der Böhmisch-Mährischen Höhe (Vysočina) statt.
Der Aufstieg vom regionalen Skizentrum zum Weltcup-Ausrichter begann im Februar 2008, als in Nové Město die Biathlon-EM ausgetragen wurde. Kurz nach der bestandenen Feuertaufe erhielt die bei Žďár nad Sázavou gelegene Kleinstadt den Zuschlag für die Weltmeisterschaft 2013. Ohne dieses sportliche Großereignis fände der Weltcup an diesem Wochenende wahrscheinlich woanders statt, auch weil die moderne „Vysočina Arena“, in der über 16.000 Zuschauer Platz finden, niemals gebaut worden wäre.
Mehr noch: Ohne die WM 2013 würde Tschechien heute nicht zu den führenden Nationen im Biathlon gehören. Das sportliche Großereignis löste vor zwei Jahren eine wahre Euphorie unter den Tschechen aus, die sich bis dahin, was Wintersport angeht, fast ausschließlich für Eishockey interessierten – der eine oder andere vielleicht auch für die Ergebnisse der Skilangläufer um Weltcup-Gesamtsieger Lukáš Bauer. Dieser Begeisterung war es auch zu verdanken, dass die geplante Auflösung der tschechischen Damenmannschaft verworfen und stattdessen der Etat für den Biathlon-Sport aufgestockt wurde.
Dass die Kombination aus Skilanglauf und Schießen in Tschechien mittlerweile beliebter ist als etwa Skispringen, Ski alpin oder gar Eisschnelllauf, bei dem Martina Sáblíková seit Jahren die Langstrecken dominiert, liegt nicht zuletzt an den Erfolgen der einheimischen Biathleten. Fünf Medaillen holten sie bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi. In den beiden zurückliegenden Weltcup-Wintern feierten sie bereits Siege und Podiumsplätze. Und aktuell präsentiert sich das tschechische Team so stark wie nie zuvor: Ondřej Moravec, Veronika Vítková und Gabriela Soukalová sind derzeit unter den Top Ten im Gesamt-Weltcup. Und die Tschechinnen führen nach zwei Siegen sowie einem zweiten und einem dritten Platz sogar die Staffel-Wertung an.
„Wir haben in den letzten Jahren einen Riesensprung nach vorn gemacht“, meint auch Verbandspräsident Hamza. „Doch nun müssen wir unsere Ergebnisse auch im Marketing-Bereich nutzen, das Potential umsetzen. Der anstehende Heim-Weltcup soll dem Biathlon-Weltverband vor Augen führen, dass wir uns nicht auf den Lorbeeren ausgeruht haben. Das Interesse an diesem Sport ist bei uns rasant gestiegen. Aus einer Randsportart ist ein Phänomen geworden, das die Massen anzieht“, sagt Hamza, der das Organisationskomitee der WM 2013 leitete, seit Mai dieses Jahres dem tschechischen Biathlonverband vorsteht und gleichzeitig den Ausbau von Nové Město zu einem weltweit anerkannten Wintersportzentrum vorantreibt. Im kommenden Jahr soll dort zum Beispiel die erste Eisschnelllaufhalle Tschechiens eingeweiht werden. Aus gutem Grund: Die mehrfache Olympiasiegerin und Weltmeisterin Sáblíková kommt aus Nové Město. Die 27-Jährige hätte dann endlich eine feste Trainingsstätte und würde damit – so sicher auch das Kalkül von Hamza – beste Werbung für die Region machen, vielleicht sogar den Weltcup in ihre Heimat holen.
Doch das ist alles noch Zukunftsmusik. In dieser Woche stehen erst einmal sechs Biathlon-Rennen vor heimischem Publikum auf dem Programm. Und die sind für Hamza natürlich der Höhepunkt der Saison. „Im Unterschied zur WM 2013 können wir uns alle auf diese Wettbewerbe freuen. Ich denke, dass trotz des enormen Drucks niemand mehr mit schlotternden Knien an den Start gehen wird. In der Zwischenzeit verfügen alle unsere Athleten über das nötige Selbstvertrauen, was nach den jüngsten Ergebnissen ja auch kein Wunder ist.“
„So schlimm war`s nicht“
Die Messi-Show