Unliebsame Päckchen
Polizei und Zoll registrieren erhebliche Zunahme von Rauschgiftdelikten in Sachsen
18. 4. 2013 - Text: Klaus HanischText: khan; Foto: Arno Bachert/pixelio
Der Präsident des Landeskriminalamtes Sachsen war fassungslos. „Mich erschüttert vor allem das Alter der tatverdächtigen Frau“, sagte Jörg Michaelis, als er kürzlich über eine Drogenkurierin informierte. Ermittler hatten zuvor an einer Autobahnraststätte in Dresden eine Schmugglerin verhaftet, die bereits 59 Jahre alt und Rentnerin war. Sie hatte im Handschuhfach ihres Autos mehrere Tüten mit insgesamt einem Kilogramm Crystal versteckt. Damit hätte die Dresdnerin bei einem Verkauf auf der Straße gut 80.000 Euro verdienen können. Sie arbeitete für einen 39-jährigen Dealer aus Leipzig, der ebenfalls festgenommen wurde. Die Drogen stammten von einem unbekannten Lieferanten aus Tschechien.
Der Fall mache deutlich, so Michaelis, dass Handel und Konsum der Modedroge nicht auf eine junge Altersgruppe beschränkt sei. Tatsächlich beklagen sächsische Behörden in ihren aktuellen Jahresstatistiken besonders den deutlichen Anstieg der Rauschgiftkriminalität. Die Polizei hatte bereits 2011 einen enormen Zuwachs der Drogendelikte um 15 Prozent registriert, nun stieg die Zahl nochmals um fast zehn Prozent.
Auch die Beamten des Zollfahndungsamtes Dresden, zuständig für Sachsen, Thüringen und die Region Halle, beschäftigten Betäubungsmittel deutlich stärker als in den Vorjahren. Sie kamen rund 185 Kilogramm Betäubungsmitteln auf die Spur, ihre Ermittlungsverfahren stiegen um rund 60 Prozent auf insgesamt 577 Verfahren an.
Zu diesem Anstieg trug vor allem die verstärkte Einfuhr von Crystal aus Tschechien bei. Davon stellten die Zollfahnder im vergangenen Jahr 18,2 Kilogramm sicher (2011: 13 Kilogramm) – das waren rund 75 Prozent der Menge, die der Zoll im Jahr 2012 in ganz Deutschland aus dem Verkehr zog.
Neue Herausforderung
Rund die Hälfte dieser Menge kam in Paketsendungen über den Frachtflughafen Leipzig nach Sachsen. Sie waren für Empfänger in Asien oder anderen EU-Mitgliedstaaten bestimmt. Die übrigen neun Kilogramm wurden über die sächsisch-tschechische Grenze ins Bundesgebiet geschmuggelt. Sie wurden zum Teil von Konsumenten für den Eigenbedarf und zum Verkauf im Freundes- oder Bekanntenkreis für die Finanzierung des eigenen Konsums eingeführt. Es traten aber auch Täter auf, die Drogen in größeren Mengen einschmuggelten, um damit gewerbsmäßig Handel zu treiben.
Nach Aussage von Innenminister Markus Ulbig (CDU) wurden im Freistaat im Zusammenhang mit Rauschgift fast 8.900 Straftaten registriert und weit mehr als 7.000 Tatverdächtige ermittelt. „Diese Entwicklung stellt eine neue Herausforderung für die Ermittlungsbehörden dar“, sagte Ulbig. Zuversichtlich stimmte ihn die hohe Aufklärungsquote der Straftaten von 95 Prozent. Hauptproblem war auch für die Polizei die synthetische Droge Crystal, die vor allem aus Labors in Tschechien stammte und auf grenznahen Märkten angeboten wurde. Die Polizei beschlagnahmte knapp acht Kilogramm. „Beim Verkauf derartiger Produkte und Substanzen werden immense Gewinne erzielt“, bekräftigte der Minister. Andere Drogen wie Heroin und Kokain verloren dagegen an Bedeutung.
Crystal-Hochburg Sachsen
Dass der Freistaat ein Schwerpunkt für Crystal ist, bestätigt auch die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) in ihrem „Jahrbuch Sucht 2013“. Während die Risiken von Alkohol und Tabak in der Regel unterschätzt würden, versetze Crystal die Deutschen bundesweit in Angst und Schrecken, bilanzierten die Experten. Der Konsum von Crystal konzentriert sich in Deutschland bislang weiterhin auf Sachsen und das bayerisch-tschechische Grenzgebiet.
In anderen Bundesländern ist die Droge nach DHS-Erkenntnissen dagegen nicht oder kaum aufgetaucht, weshalb man auch nicht von einer bundesweiten Verbreitung sprechen könne. Gleichwohl gebe es von dort bereits besorgniserregende Berichte.
Dass sich Sachsen auch in diesem Jahr mit dem Drogenproblem beschäftigen muss, bestätigt ein Fund vor wenigen Tagen. An der deutsch-tschechischen Grenze stellte der Zoll 45 Kilogramm Marihuana sicher – einen der größten Drogenfunde Sachsens überhaupt. Das Rauschgift hat einen Straßenverkaufswert von ca. 300.000 Euro. Die mutmaßlichen Drogenkuriere, ein Vietnamese und ein Tscheche im Alter von 28 und 49 Jahren, wurden festgenommen.
Die Drogen wurden auf einem Parkplatz der Autobahn Prag-Dresden bei der Kontrolle eines tschechischen Abschleppfahrzeugs gefunden, das einen Wagen mit deutschem Kennzeichen geladen hatte. In dessen Kofferraum war das Marihuana in mehreren Säcken versteckt.
Deutliche Zunahme der Straftaten
Die Polizei in Sachsen bilanzierte im Jahr 2012 eine Zunahme der Straftaten um 6,3 Prozent. Zugleich sank die Aufklärungsquote um 1,5 auf 55,4 Prozent. Insgesamt wurden 7.309 Tatverdächtige ermittelt. 581 von ihnen waren Ausländer, von denen jeder Vierte aus der Tschechischen Republik kam. Neben der Rauschgiftkriminalität stieg auch der Diebstahl von Autos stark an (plus 5,6 Prozent). Allerdings wurden an der Grenze zu Tschechien 6,5 Prozent weniger Autodiebstähle gemeldet. Die sächsische Polizei geht davon aus, dass die meisten entwendeten Wagen Richtung Osteuropa verschwinden. Gestohlen werden vor allem Autos aus dem Sortiment der gesamten VW-Gruppe und teure Limousinen von BMW und Mercedes. Die meisten Diebstähle wurden 2012 in Dresden (1.155) erfasst, gefolgt von Leipzig (627) und Chemnitz (214).
Zollfahnder deckten in Sachsen im Jahr 2012 Steuerhinterziehungen von rund 16 Millionen Euro auf. Davon entfielen allein 9,1 Millionen Euro auf unverzollte und unversteuerte Zigaretten. Rund 44 Millionen Zigaretten wurden ohne Zoll, Einfuhrumsatz- oder Tabaksteuer eingeführt und größtenteils weiterverkauft. Besonders dreist war dabei eine Gruppe deutscher und polnischer Täter, die allein rund 15 Millionen Zigaretten seit 2009 per Auto oder Bahn nach Sachsen einschmuggelten und an Zwischenhändler oder Endabnehmer weiterverkauften.
Im Bereich der Marken- und Produktpiraterie wurden 8.000 Plagiate aus dem Verkehr gezogen. Dabei handelte es sich hauptsächlich um elektrische und technische Geräte.
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