„Unwürdiges Spiel mit der Angst“

„Unwürdiges Spiel mit der Angst“

Bayerns AfD-Chef Petr Bystron nährt in Tschechien Furcht vor Migranten und Deutschland

23. 8. 2016 - Text: Petr JerabekText: Petr Jerabek; Foto: ČTK/ZUMA/Michael Trammer

Für Petr Bystron öffnen sich in Tschechien viele Tore. Ein offizieller Termin beim Sprecher des Präsidenten auf der Burg, eine Rede an der Seite von Ex-Präsident Václav Klaus bei einem Treffen der nationalkonservativen „Akce D.O.S.T.“, Einladungen von großen tschechischen Medienhäusern: All das nutzt der bayerische AfD-Landeschef für die typische Anti-Islam-Rhetorik seiner Partei, aber auch für eindringliche Warnungen vor dem Nachbarn Deutschland. Bystron nährt Ängste vor Migranten – und vor deutschen Großmachtgelüsten.

Als Miloš Zemans Sprecher Jiří Ovčáček den gebürtigen Tschechen Bystron Mitte Mai auf der Burg empfing, um mit ihm über die deutsche Flüchtlingspolitik zu debattieren, fragten tschechische Medien zwar, ob der Beamte Ovčáček damit seine Kompetenzen überschritt. Warum der Präsident seinen Sprecher beauftragt hatte, öffentlichkeitswirksam einen bayerischen Landespolitiker zu treffen, der über keinerlei Mandat verfügt, wurde kaum diskutiert. Der 44-Jährige verkauft sich in Tschechien prächtig als kritischer Deutschland-Experte.

Während sich Bystron in Deutschland für seine Anti-Islam-Rhetorik vorwiegend mit AfD-Kundgebungen und Presse­mitteilungen begnügen muss, bekommt er jenseits der Grenze die große mediale Bühne. Es vergeht kaum eine Woche, in der sich der Politiker nicht mit einem Gastbeitrag oder Interview zu Wort meldet. Eine kritische Einordnung fehlt dabei in der Regel.

„Blut an den Händen“
Sechs ganze Seiten reservierte kürzlich das Wochenmagazin „Reflex“ für ein Interview mit Bystron, wenige Tage zuvor hatte die „Mladá fronta Dnes“, eine der meistgelesenen Tageszeitungen, dem AfD-Politiker mehr als die Hälfte einer Meinungsseite zur Verfügung gestellt. Nach dem Amoklauf von München brachte das Boulevardblatt „Blesk“ ein Interview mit ihm, und nach dem Brexit-Votum veröffentlichte die Zeitung „Lidové noviny“ eine Analyse von Bystron.

Den Tschechen prophezeit Bystron für den Fall, dass sie tatsächlich in den nächsten Monaten rund 2.000 Flüchtlinge aufnehmen, für nächstes Jahr den ersten islamistischen Anschlag. An den Händen der Regierung von Premier Bohuslav Sobotka (Sozial­demokraten) werde „für immer das Blut der tschechischen Opfer kleben“. Gern verweist er auf die „Terrorwelle“ in Deutschland – und nennt den Amoklauf von München, der keinen islamistischen Hintergrund hatte, in einem Atemzug mit den Anschlägen von Würzburg und Ansbach.

Von Deutschland zeichnet Bys­tron in seiner früheren Heimat ein düsteres Bild. Er macht die Bundesrepublik dafür verantwortlich, dass Tschechien bald die ersten 80 muslimischen Migranten aufnehmen soll – unter ihnen seien auch „tickende Zeitbomben“, meint er. Berlin erpresse Prag und mische sich „völlig unverfroren in innere Angelegenheiten“ Tschechiens ein, schrieb er schon im Frühjahr in einem Onlinemagazin – und beklagte einen „neuen deutschen Imperialismus unter dem Deckmantel des europäischen Gutmenschentums“.

Antideutsche Emotionen
In einem Zeitungsartikel wiederum betonte er, die Deutschen wollten „einen europäischen Superstaat“ unter ihrer Vorherrschaft. Und im Interview mit dem Magazin „Reflex“ verglich er die Lage in der Bundesrepublik mit der Diktatur, aus der er 1987 mit seinen Eltern geflüchtet war: „Die Verhältnisse im öffentlichen Leben in Deutschland erinnern mich an die Situation im Ostblock kurz vor dem Zusammenbruch des Kommunismus.“

In Teilen der tschechischen Öffentlichkeit, die den Ton nach Jahren der Entspannung in den deutsch-tschechischen Beziehungen wieder verschärfen, trifft der AfD-Landeschef damit einen Nerv. „Er wird von den antideutschen und anti­europäischen Kreisen, die sich um die Burg herum konzentrieren, systematisch aufgewertet“, beobachtet CSU-Vorstandsmitglied Bernd Posselt. „Ich finde es skandalös, dass Herr Bys­tron, der selbst in Deutschland Aufnahme gefunden hat, hier Ängste vor Fremden schürt und gleichzeitig in der Tschechischen Republik Ängste vor den Deutschen schürt.“

„Noch viel problematischer“ ist aus Sicht des CSU-Politikers, dass nicht zuletzt durch Bystron Ex-Präsident Klaus schon mehrfach bei AfD-Kundgebungen als gefeierter Gastredner aufgetreten ist. „Es gibt keinen größeren Deutschenhasser und Anti-Europäer als Václav Klaus“, betont Posselt, der auch oberster Repräsentant der Sudetendeutschen ist. „Er hat immer eifrig antideutsche Emotionen geschürt.“ Dass Klaus ausgerechnet mit einer deutschnationalen Partei wie der AfD zusammenarbeite, halte er für entlarvend.

Bystron wehrt sich
Der AfD-Landeschef weist auf Anfrage der „Prager Zeitung“ Vorwürfe zurück, bei den Tschechen Ängste vor Deutschland zu nähren. „Die Ängste, die Sie ansprechen, empfand vor allem die Generation unserer Großväter. Sie rührten von den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges her“, sagt er. „Das ist endgültig vorbei. Die Tschechen haben ein entspanntes Verhältnis zu den Deutschen.“

Die größten Probleme der Zeit ließen sich nur auf internationaler Ebene lösen, betont Bystron. Er sieht „unser gemeinsames Europa“ in Gefahr. Daher sei es wichtig, sich grenzüberschreitend zu engagieren.

„Als Hassprediger unterwegs“
Der bayerische SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher geht mit dem grenzüberschreitendem Engagement Bystrons hart ins Gericht. „In Deutschland gegen Ausländer zu hetzen und im Ausland gegen Deutschland – das ist schändlich und ruchlos“, so der SPD-Politiker. „Der AfD-Chef betreibt als Doppelagent der Fremdenfeindlichkeit auf beiden Seiten der Grenze ein unwürdiges Spiel mit der Angst. Er ist als Hassprediger unterwegs.“ Mit seinen „boshaften Ressentiments“ wolle Bystron einen Keil in die deutsch-tschechische Freundschaft treiben.

Doch Rinderspacher zeigt sich zuversichtlich, dass die Strategie des AfD-Politikers nicht aufgehen werde. Der „Prager Zeitung“ sagte der Landtagsabgeordnete: „Die deutsch-tschechische Partnerschaft gibt dankenswerterweise Tag für Tag auf vielen Ebenen die notwendigen Antworten auf diesen nationalistischen Spaltpilz: mit nachbarschaftlicher Freundschaft, Gemeinsinn und europäischer Zusammenarbeit.“