Urteil von theoretischer Bedeutung
Die Amnestie für drei Drahtzieher in einem millionenschweren Immobilienbetrug bleibt bestehen. Schadensersatz hätten die Täter ohnehin kaum zahlen können
9. 10. 2013 - Text: Nancy WaldmannText und Foto: Nancy Waldmann
Für Jaroslav Vítek, Jaroslav Eliáš und Ladislav Tůma muss es ein Geschenk des Himmels gewesen sein. Die drei früheren Manager des insolventen Immobilien-Unternehmens H-System, die einen der größten Betrugsskandale der neunziger Jahre zu verantworten haben und bereits rechtskräftig zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden – sie bleiben auf freiem Fuß. Sie hatten zunächst von der Amnestie profitiert, die Ex-Präsident Klaus zu Neujahr verkündet hatte. Der Oberste Staatsanwalt Pavel Zeman sowie einige Dutzend von H-System betrogene Kunden, vertreten durch die Rechtsanwältin Hana Marvanová, hatten gegen die Anwendung der Amnestie im Fall H-Sytem geklagt. Ende September hat der Oberste Gerichtshof in Brünn die Klage in letzter Instanz jedoch abgewiesen. Damit entgehen Vítek, Eliáš und Tůma den auf Bewährung ausgesetzten Haftstrafen von drei beziehungsweise zweieinhalb Jahren, zu denen sie 2011 vom Oberlandesgericht (Vrchní soud) in zweiter Instanz verurteilt worden waren.
Vor dem Obersten Gerichtshof wurde der Fall jedoch erneut aufgerollt, weil die Strafen als zu mild galten. In dem Moment kam den Angeklagten die Amnestie zugute, die auf Verfahren angewendet werden konnte, die wie der Fall H-System länger als acht Jahre dauerten und Straftaten verhandelten, auf die eine Strafe von bis zu zehn Jahren Gefängnis stand.
Fehlendes Vertrauen
Die Tatsache, dass die Manager von H-System durch die Amnestie des Präsidenten auf freien Fuß gekommen sind, hat das Vertrauen in den Rechtsstaat und den Glauben an die Gerechtigkeit leiden lassen – das wurde in Tschechien schon oft diskutiert. Aber welche Auswirkungen hat es für die Geschädigten, dass die drei Betrüger nun endgültig freikommen?
Staatsanwalt Zeman hatte in seinem Plädoyer auf das Risiko hingewiesen, dass die Amnestie den Geschädigten den Weg zu Schadensersatz verschließe. Bei den Geprellten handelt es sich um 1.095 Hausbauer, die an H-System Mitte der neunziger Jahre insgesamt 980 Millionen Kronen (etwa 38 Millionen Euro) gezahlt hatten – ohne, dass sie von der Firma jemals die versprochenen Eigenheime erhielten.
Diesen bleibt jetzt nur noch der Weg, in einem zivilrechtlichen Verfahren Schadensersatz zu fordern. Theoretisch. „Ohne Schuldspruch ist das nicht durchsetzbar“, sagte die Anwältin der Geschädigten Marvanová gegenüber dem Nachichten-Portal „ihned.cz“. Bei einer zivilen Klage müssten die Geschädigten die Schuld der Ex-Manager beweisen, und wenn das nicht gelinge, müssten sie auch noch die hohen Verfahrenskosten tragen. „Ich denke nicht, dass ein ohnehin schon Geschädigter das Risiko auf sich nehmen würde, noch mehr Geld zu zahlen“, so die Anwältin.
Täter in Rente oder obdachlos
Selbst bei einem Schuldspruch ist die Chance gering, dass die Hausbauer von dem Trio entschädigt werden. „Praktisch hat das Urteil für uns und unsere Mitglieder keine Bedeutung“, sagt Ivan Král von der Wohnungsbaugenossenschaft Svatopluk gegenüber der „Prager Zeitung“. Svatopluk hatten 1998 betrogene Kunden der damals bereits bankrotten Firma H-System gegründet – mit dem Ziel, ihre Häuser aus eigener Kraft zu Ende zu bauen. „Dieses Manager-Trio weist im Grunde genommen kaum Einkommen auf“, so Král. Bei Vítek, Eliáš und Tůma handele es sich um einen Rentner, einen Invalidenrentner und einen Obdachlosen. Da sei ohnehin kaum etwas an Schadensersatzzahlungen zu holen. Král kritisierte die Anwältin Marvanová, sie habe nicht alle Geschädigten in gleichem Maße vertreten.
Versteigerung droht weiterhin
Tatsächlich haben zumindest einige der Betrugsopfer größere Sorgen als die Amnestie. Einem Teil der Geschädigten, besonders Besitzer von Häusern in Horoměřice bei Prag, droht nach wie vor die Versteigerung der Grundstücke, auf dem ihre Häuser stehen. Denn diese gehören zur Konkursmasse der vor 15 Jahren pleite gegangenen Firma H-System. Die Hausbesitzer befürchten Spekulationen mit den von ihnen bewohnten Grundstücken im Zuge einer drohenden Versteigerung.
Da hilft ihnen auch die ab nächstes Jahr in Kraft tretende Regelung nicht, die unterschiedliche Besitzer von Grund und Gebäude verbietet. Auf ihren Fall wird das alte Recht angewendet. Wenn sich bei der Versteigerung Hausbesitzer und Konkursverwalter nicht auf einen Preis einigen, kann der Konkursverwalter das Grundstück einem beliebigen Bieter verkaufen. Das Trio Vítek, Eliáš und Tůma hat allenfalls eine zivile Klage zu befürchten – eine Verurteilung auf diesem Wege ist jedoch unwahrscheinlich.
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